Bertolt Brecht, „Leben des Galilei“ – Szene 12 Überblick – Inhalt – wichtige Textstellen – Kommentar (Mat7309-12)

Worum es hier geht:

  • Wir stellen hier die Szenen 1-3 aus Bertolt Brechts Schauspiel „Leben des Galilei“ vor.
  • Präsentiert werden
    • eine Übersicht über Inhalt und Entwicklung des Konflikts in diesem Abschnitt,
    • wichtige Zitate
    • und Anmerkungen zum Verständnis und zur Auswertung.
  • Die Gesamtübersicht über alle „Bilder“ (= Szenen) findet sich hier:
    https://textaussage.de/brecht-galilei-themenseite

Szene 12: Der neue Papst erreicht, dass Galilei nur die Folter-„Instrumente“ gezeigt werden.

Erklärung des Schaubildes:

  1. Es zeigt die Entwicklung des Konflikts zwischen Wissenschaft und Kirche in Szene 12.
  2. Ausgangspunkt ist die klare Haltung des neuen Papstes zugunsten der Wissenschaftsfreiheit und damit Galileis.
  3. Der Inquisitor bringt aber viele Argumente:
  4. zum einen die mögliche Enttäuschung der kindlich Glaubenden, wenn plötzlich das Oberhaupt der Kirche der Bibel die absolute Wahrheit abspricht
  5. dann die allgemeine Unruhe und die Gefahren, die durch das Prinzip des Zweifels entstehen.
  6. Er verweist auf die allgemeine Bedrohungslage der Kirche durch Krieg, Pest und Reformation.
  7. Daneben erinnert er den Papst auch an die Kunstsammel-Interessen seiner Familie, die gefährdet sein könnten, wenn sich im Volk ein anderes Denken durchsetzt.
  8. Überhaupt die Umkehrung der Machtverhältnisse bei diesem Prozess.
  9. Konkret werden auch die sog. Kollekten angesprochen, die kirchlichen Geldsammel-Aktionen.
  10. Der Papst
  11. verweist auf die Interessen der Seestädte: Man könne nicht neue Seekarten nutzen und gleichzeitig deren astronomischen Hintergrund verbieten.
  12. Darüber hinaus habe Galilei viele Unterstützer.
  13. Den Ausschlag gibt die Empörung des Papstes, als der Inquisitor ihm erzählt, wie Galilei in einem neuen Buch zwar die Vorgaben des Papstes formal eingehalten habe, aber in Wirklichkeit die Kirche und ihre Position lächerlich gemacht habe.
  14. Am Ende erlaubt der Papst Maßnahmen gegen Galilei, die aber über das „Zeigen“ der Folterinstrumente nicht hinausgehen sollen, also nur Drohung, nicht Anwendung.
  15. Der Inquisitor sieht sich als Sieger, weil er Galilei kein Durchhaltevermögen zutraut, außerdem erklärt er zynisch, der Wissenschaftlicher kenne ja die Instrumente, wenn auch ganz andere wie das Fernrohr.
  • Zum ersten Mal kommt in dem Theaterstück die höchste kirchliche Entscheidungsgewalt auf die Bühne.
  • Auf der einen Seite der neue Papst, der selbst Mathematiker ist und damit den Wissenschaften eher aufgeschlossen gegenübersteht.
  • Auf der anderen Seite der Kanal Inquisitor, der mit unerbittlicher Deutlichkeit auf die Verantwortung des Papstes für die Kirche und die Gläubigen hinweist.
  • Sehr gut ist der Kontrast zwischen denen,
  • „welche alle in kindlichem Glauben an das Wort Gottes, niedergelegt in der Schrift, gekommen sind, Eurer Heiligkeit Bestätigung ihres Glaubens zu vernehmen“
  • Und nun mitgeteilt bekommen könnten, „daß die Schrift nicht länger für wahr gelten könne“.
  • Der Großinquisitor sieht eine „entsetzliche Unruhe“, die er allerdings nur in den Köpfen Galileis und seiner Anhänger sieht:
    „Diese Menschen zweifeln an allem. Sollen wir die menschliche Gesellschaft auf den Zweifel begründen und nicht mehr auf den Glauben?“
  • Recht geschickt bezieht der Inquisitor die Kritik an der kostspieligen Kunst-Liebhaberei der Barberinis und damit auch des Papstes mit ein. Letztlich macht er ihm deutlich, dass bei einem Umsturz der Verhältnisse auch so etwas gefährdet sein könnte. Er appelliert also an die ganz persönlichen Interessen des Papstes.
  • Anschließend entwirft der Inquisitor ein großflächiges Bild der Bedrohungslage der Christenheit, wozu er vor allem Krieg, Pest und Reformation zählt. Dann beschimpft er die Gefährder seines Glaubens im eigenen Land als „Würmer von Mathematikern“, die jetzt auch noch das Vertrauen der Gläubigen in den Papst zerstören.
  • Dann der Hinweis auf das „böse Beispiel dieses Florentines“ und dann kommt genau das, was die Mächtigen befürchten: Wenn die Erkenntnisse sich umdrehen, könnten sich auch die Verhältnisse die Machtverhältnisse umdrehen.
  • In der Beschreibung der Menschen wird über deutlich, wie wenig der Großinquisitor dem eigenen Verstand der Menschen zutraut.
  • Anregung: Hier könnte man gut die Frage diskutieren ob nicht daran auch etwas ist. Man stellt ja immer wieder fest, dass eine Masse von Menschen und nichts anderes ist die Summe von Individuen, ein ganz eigenes Meinungsklima und Verhalten entwickelt und wie sehr die einzelnen Menschen sich gerne der Mehrheit oder einer Autorität anschließen. Das ist gewissermaßen eine Infragestellung von Schwarmintelligenz.
     
  • Wie geschickt der Inquisitor vorgeht, wird deutlich, wenn er den Zweifel mit den Kollekten in den Kirchen verbindet, die in Gefahr geraten könnten.
  • Ziemlich lächerlich ist dann allerdings die Infragestellung des Kompasses, der anscheinend bei diesem Großinquisitor durch Gottvertrauen ersetzt werden soll. Dann soll er mal übers Meer fahren.
  • Interessant und wichtig die Kritik daran, dass Galilei seine Erkenntnisse nicht mehr in Latein verbreitet, sondern sie auch dem einfachen Volk zur Verfügung stellt. Damit fällt für die Kirche eine bewusst gewählte Verständnis-Schranke, die die Kirche über die Priester gerne unter ihrer Kontrolle halten möchte.
  • Dann geht es um die Interessen der Seestädte, was die Navigation angeht. Und hier erkennt der Papst ganz klar,
    „Man kann nicht die Lehre verdammen und die Sternkarten nehmen.“
  • Die Diskussion spitzt sich zu, als der Papst auf die vielen Leute verweist, die hinter Galilei stehen. Dabei wird er sogar vom Inquisitor unterbrochen. Er deutet aber einen Ausweg an und zwar den, der später auch gewählt wird: Man wird bei ihm nicht weit gehen müssen, denn er ist ein „Mann des Fleisches“ (110). Damit meint er natürlich die Androhung der Folter. Und so ist es dann ja auch gekommen.
  • Der Papst verteidigt Galilei noch mal mit Hinweis auf eine Absprache im Hinblick auf ein Buch, die seiner Meinung nach Galilei eingehalten hat. Der Inquisitor weist danach, dass Galilei das auf eine Art und Weise gemacht hat, die die Haltung der Kirche am Ende noch einmal lächerlich macht. Das hält dann auch der Papst für eine „Unverschämtheit“. (110)
  • Eine Randfrage könnte sein, warum immer wieder auf das Getrampel vor der Tür des Papstzimmers verwiesen wird, das den Papst ganz offensichtlich nervös macht. Wahrscheinlich steht es für die Unruhe, die im Volk entstanden ist und gegen die man nach Meinung des Inquisitors vorgehen sollte. Das ist aber natürlich nur eine Hypothese. Die dann anschließend aber gleich vom Inquisitor richtiggestellt wird: Es kommt nicht die ganze Welt, aber ihr „bester Teil“ (110).
  • Am Ende einigen sich beide darauf, dass Galilei die Instrumente gezeigt werden dürfen, also die Folterinstrumente. Und der Inquisitor reagiert darauf mit einem zynischen Scherz: Das würde reichen, denn Galileo verstehe sich ja auf Instrumente, womit natürlich ganz andere gemeint sind, zum Beispiel so ein Fernrohr.
  • Letztlich hat sich am Ende weitgehend der Vertreter des alten Kirchenglaubens durchgesetzt. Was allerdings offen bleibt, ist, ob das denn funktionieren kann. Denn zurecht hatte der Papst ja drauf hingewiesen, dass man schlecht diese Karten verwenden kann, ohne die dahinter stehende Theorie auch mit einzubeziehen. Das gilt zumindest für den astronomischen Hintergrund. Letztlich kann der Leser wohl davon ausgehen, dass es sich hier für die Kirche nur um einen Aufschub handelt, der allenfalls nur durch eine Art Friedhofsruhe in der Welt auf Dauer aufrecht erhalten werden könnte.

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