Bertolt Brecht, „Leben des Galilei“ – Szenen 7-9 Überblick – Inhalt – wichtige Textstellen – Kommentar (Mat7309-7-9)

Worum es hier geht:

  • Wir stellen hier die Szenen 1-3 aus Bertolt Brechts Schauspiel „Leben des Galilei“ vor.
  • Präsentiert werden
    • eine Übersicht über Inhalt und Entwicklung des Konflikts in diesem Abschnitt,
    • wichtige Zitate
    • und Anmerkungen zum Verständnis und zur Auswertung.
  • Die Gesamtübersicht über alle „Bilder“ (= Szenen) findet sich hier:
    https://textaussage.de/brecht-galilei-themenseite

Szene 7: Rückschlag für Galilei – er darf zwar forschen, aber die kirchliche Lehre ist entscheidend

  • Galilei besucht mit seiner Tochter in Rom im Palast des Kardinals Bellarmin einen Maskenball.
  • Dort kommt es zu einem Gespräch zwischen diesem Kardinal und einem anderen, bei der Gegensätze deutlich werden:
  • Galilei: „Ich glaube an die Vernunft.“
  • Kardinal Barberini: „Ich halte diese Vernunft für unzulänglich.“
  • Außerdem verweist Bellarmin auf eine aus seiner Sicht wichtige Leistung der Kirche:
  • „Bedenken Sie einen Augenblick, was es die Kirchenväter und so viele nach ihnen für Mühe und Nachdenken gekostet hat, in eine solche Welt (ist sie etwa nicht abscheulich? etwas Sinn zu bringen.“
  • Schließlich kommen die Kardinäle zur Sache und Bellarmin teilt Galilei mit:
  • „Das heilige Officium hat heute Nacht beschlossen, dass die Lehre des Kopernikus, nach der die Sonne Zentrum der Welt und unbeweglich, die Erde aber nicht Zentrum der Welt und beweglich ist, töricht, absurd und ketzerisch im Glauben ist.“
  • Galilei wird aufgefordert, „diese Meinung aufzugeben“.
  • Was die vorherige Zustimmung des höchsten kirchlichen Astronomen zu Galileis Lehre angeht, erklärt Bellarmin kühl:
  • „Die heilige Kongregation hat ihren Beschluss gefasst, ohne diese Einzelheiten zur Kenntnis zu nehmen.“
  • Die Wissenschaft wird als „die legitime und höchst geliebte Tochter der Kirche“ bezeichnet, aber mehr ist sie eben nicht.
  • Galilei wird deutlich gemacht, indem ein Teilsatz von ihm fortgeführt wird:
  • „dass jede weitere wissenschaftliche Forschung
  • durchaus gesichert ist und das gemäß der Anschauung der Kirche, dass wir nicht wissen können, aber forschen mögen.“
  • Am Ende der Szene trifft Galileis Tochter auf den Großinquisitor, also den Mann, der die größte Macht gegenüber Ketzern hat.
  • Der macht sich auf der einen Seite etwas lustig über die Vorstellung, dass auf den neuerdings angeblich unendlich weiten Strecken des Universums auch Kardinäle oder sogar der Papst verloren gehen könnten.
  • Andererseits äußert er untergründig Warnungen, die deutlich machen, dass Galilei jetzt vorsichtig sein muss.
  • Aussage(n) der Szene:
    Insgesamt
  • bringt die Szene einen unerwarteten Rückschlag für Galilei und seine Möglichkeit zu forschen und zu publizieren.
  • Grundsätzliche Unterschiede werden deutlich, was die Einschätzung der Vernunft angeht.
  • Dazu kommt das Problem einer Sinngebung für die Welt, die die Kirchenvertreter sich zuschreiben, während Galilei sie nur in seiner Forschungsarbeit sieht.

Szene 8: Unterschied zwischen den Bedürfnissen der einfachen Leute und denen Galileis und seiner Anhänger?

  • Der kleine Mönch, der Galilei die Entscheidung des Astronomen Clavius zugeflüstert hat, hat das Problem, dass er das Dekret, das er gelesen hat und die Trabanten des Jupiter, die er gesehen hat, nicht in Einklang bringen kann.
  • Daraus ergibt sich für ihn das Problem:
    „Mir ist es gelungen, in die Weisheit des Dekrets einzudringen. Es hat mir die Gefahren aufgedeckt, die eine allzu hemmungslose Forschung für die Menschheit in sich birgt, und ich habe beschlossen, der Astronomie zu entsagen.“
  • Als Begründung verweist er auf seine Eltern, die als einfache Bauern arbeiten und die für das Leben das „Gefühl der Stetigkeit und Notwendigkeit“ brauchen, das ihnen die Kirche und ihre Lehre gibt.
  • Der Mönch sieht in dem Dekret sogar so etwas wie „edles mütterliches Mitleid, eine große Seelengüte“.
  • Galilei erklärte ihm dann, dass hinter dieser Seelengüte auch viel Verschwendung und Krieg stehen und er stellt fest:
    „Ich sehe die göttliche Geduld ihrer Leute, aber wo ist ihr göttlicher Zorn?“
  • Am Ende der Szene beschreibt Galilei seinen unglaublichen Forschungsdrang und auch die für ihn bestehende Notwendigkeit, die Ergebnisse weiter zu sagen. Auch wenn er da was feststellen muss: „Es ist ganz und gar ein Laster und führt ins Unglück.“
  • Am Ende ist es Galilei gelungen, den kleinen Mönch für seine aktuellen Forschungsergebnisse zu interessieren. Die theologischen Bedenken hat er zurückgestellt, offensichtlich lässt er sich genauso für diese Dinge begeistern wie Galilei.

Szene 9: Die Auflösung der Verlobung und ihr Hintergrund

Thema der Szene:

Im wesentlichen geht es hier um den Konflikt zwischen der alten Welt und ihrer Macht und dem Versuch, eine neue Rationalität in die Wissenschaft und auch ins Leben zu bringen. Gezeigt wird das vor allem an neu erwachten Begeisterung für seine Forschungen bei Galilei und seinen Mitstreitern und dem Rückzug des Gutsbesitzers Ludovico aus der Verlobung mit Galileis Tochter.

Übrigens ein schönes Beispiel, dass „Bild“ bei Brecht doch mehr heißt als „Szene“, denn eigentlich müsste im traditionellen Sinne immer eine neue Szene beginnen, wenn eine der Figuren (Mucius, Gaffone, Ludovico) dazukommt oder abtritt. „Bild“ dürfte wohl eher für eine Entwicklungsstation stehen – so wie eine neue Folie in einer Präsentation durchaus mehrere Punkte enthalten kann, die aber etwas Gemeinsames „abbilden“.

  • Galilei hat nach der Entscheidung der Kirche gegen seine Lehre acht Jahre lang geschwiegen und sieht jetzt angesichts der voraussichtlichen Thronbesteigung eines neuen Papstes, der selbst Wissenschaftler gewesen ist, neue Chancen für sich und seine Forschungen.
  • Die Szene beginnt mit einem Gespräch zwischen Frau Sarti und Virginia, in der es um die Vorbereitungen der Hochzeit mit Ludovicoi geht.
  • Dann kommt ein früherer Schüler des Galilei, Filippo Mucius, der sich entschuldigen will dafür, dass er die Auffassungen seines früheren Lehrers im Sinne der Kirche kritisiert hat. Galilei wirft ihn mehr oder weniger hinaus.
  • „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“
  • Dann geht es wieder um Frau Sarti, die Virginia empfiehlt, sich für ihre Eheschließung ein Horoskop stellen zu lassen, was diese aber schon getan hat. Dies soll wohl als Kontrast präsentiert werden gegenüber den rationalen Auffassungen Galileis.
  • Als nächstes erscheint der Rektor der Universität, ein Herr Gaffone, der im Gegensatz zu dem anderen Mann die allgemeine Hochachtung gegenüber Galilei ausdrückt und ihm ein Buch über die aktuell diskutierten Sonnenflecken mitbringt.
  • Während Andrea dazu schon eigene Forschungen angestellt hat, verhält Galilei sich zunächst noch zurückhaltend, was erneute astronomische Forschungen angeht.
  • Stattdessen zeigt er Andrea im Hinblick auf die aktuellen Experimente, dass Aristoteles unrecht hat, was die Bedingungen des schwimmenseines Körpers im Wasser angeht.·
  • Er ermahnt aber sich selbst und seine Mitarbeiter:
    „Eine Hauptursache der Armut in den Wissenschaften ist meist eingebildeter Reichtum. Es ist nicht ihr Ziel, der unendlichen Weisheit eine Tür zu öffnen, sondern eine Grenze zu setzen dem unendlichen Irrtum.“
  • Etwas später führt er dann auf schon fast extreme Weise aus, dass der ständige Zweifel eine Voraussetzung ist für gute wissenschaftliche Erkenntnisse.
  • Dann kommt Ludovico, der Verlobte von Galileis Tochter. Der wird schon sehr zurückhaltend von ihrem Vater empfangen, verweist dann mit Nachdruck auf die Bedürfnisse seiner Gutsbesitzer-Familie. Die möchte nicht, dass die Lehren der Kirchen und die damit verbundene Unterwürfigkeit der Bauern infragegestellt wird.
  • Als Galilei seinen Mitarbeitern nicht widerspricht, die sagen:
    „Wir beginnen wieder mit dem Erde-um-die-Sonne-Zirkus“
    und Frau Sarti das deutlich „Teufelszeug“ nennt, verschwindet Ludovico, ohne sich von Virginia zu verabschieden, was diese zusammenbrechen lässt.

Die Szene zeigt:

  1. Das Nebeneinander der alten Welt, die von Frau Sarti und Galileis Tochter repräsentiert wird, verdeutlicht an der Nutzung eines Horoskops. Die Realität erweist die damit verbundene positive Prognose dann als Irrtum – ein Sieg für die Welt der Rationalität.
  2. Die hohe Stellung, die Galilei aktuell in der Öffentlichkeit hat.
  3. Seine Bereitschaft, die lange geübte Vorsicht aufzugeben und wieder mit dem „Erde-um-die-Sonne-Zirkus“ zu beginnen. In diesem Zusammenhang formuliert Andrea schon den später berühmt gewordenen Satz: „Und sie bewegt sich doch.“ Das soll wohl zeigen, dass es Galilei gelungen ist, seine Erkenntnisse auch an Jüngere weiterzugeben.
  • Besonders deutlich wird der Grundgedanke der Forschung, die auf dem maximal möglichen und nötigen Zweifel beruht.

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