Bildbeschreibung, „Nicht mein Grabstein“ (Mat5799-bnf-cgp)

Worum es hier geht:

Präsentiert wird eine Kurzgeschichte, die sich mit der Frage beschäftigt: Die Wünsche der Eltern erfüllen oder einen eigenen Weg gehen.

Hier zunächst eine Vorschau und eine Download-Möglichkeit:

Screenshot

Mat5799-bnf Kimia Tivag, Nicht mein Grabstein

Kimia Tivag

Nicht mein Grabstein

Der Sohn kam ein paar Minuten zu spät zum Mittagessen.
Der Vater hatte schon angefangen, die Gabel klirrte kurz auf dem Teller, als die Tür aufging.

„Wo warst du denn?“
„Beim SoWi-Lehrer“, sagte der Junge und setzte sich. „Er wollte mir nur kurz gratulieren – wegen der Klausur.“
„Wegen der Eins?“ fragte der Vater, die Stimme halb Stolz, halb Ungeduld.
„Ja. Er meinte, ich hätte Talent für Wirtschaft, und ob ich in dem Bereich nicht weitermachen wolle.“

Da war es. Das Wort, das der Vater hören wollte. Wirtschaft.
Er lehnte sich zurück, sah seinen Sohn an, und ein warmes Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus.
„Na, das passt ja wunderbar! Genau das habe ich mir gedacht. Du kannst doch bei uns anfangen, nach dem Studium. Ich zeig dir alles. In zehn Jahren geh ich in Rente – das wäre perfekt!“

Der Sohn stocherte im Gemüse, sagte erst nichts.
Dann: „Papa, das haben wir doch schon oft besprochen. Ich will mich auf Musik konzentrieren. In unserer Band läuft’s richtig gut.“

Der Vater winkte ab. „Musik ist schön, aber das ist doch kein Beruf. Du brauchst was Solides! Und mit deinem Kopf – du wärst die perfekte Ergänzung für mich. Das wäre unser gemeinsames Ding!“

Der Sohn sah auf die Uhr. „Ich muss los. Wir haben gleich Probe.“
„Jetzt? Mitten am Tag?“
„Ja“, sagte er und stand auf. „Aber bevor ich gehe – mach dir bitte keine Sorgen um meine Zukunft. Denk lieber mal über einen Satz nach, den du sicher schon kennst.“
Er griff nach seiner Jacke.
„Auf meinem Grabstein soll nicht stehen: ‚Allen hat mein Leben gefallen – nur mir nicht.‘“

Die Tür fiel leise ins Schloss.
Und der Vater blieb einen Moment reglos sitzen – zwischen Stolz, Ratlosigkeit und einem seltsam neuen Gefühl, das sich langsam in ihm ausbreitete: Zweifel.

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