Borchert, „Draußen vor der Tür“ – Bevor es losgeht – Die „Beteiligten“ erklären, was zu erwarten ist (Mat567-vib)

 

Ein Schauspieler versetzt sich in die Rolle des Autors:

  • Ich stehe hier für Wolfgang Borchert, den Autor und präsentiere hier mal das, was er uns heute sagen würde:
    Der Anfang könnte sein:
    Ich hatte Pech, denn ich wurde 1921 geboren – und da war ich kurz vor Ende des II. Weltkrieges alt genug, um ihn auch noch voll mitzubekommen.
  • Konkret hieß das: Eingesetzt an der Ostfront- dort wurde ich schwer verwundet. Dazu kam eine schwere Erfrierung, die auch nachfolgend Auswirkungen auf meine Gesundheit hatte.
  • Und mit den Nazis hatte ich leider auch Probleme. Ich wurde mehrfach inhaftiert – wegen sogenannter „Wehrkraftzersetzung“. Damit meinte man alles, was den Leuten die Lust auf Diktatur und Krieg nehmen konnte.
  • Diese Erfahrungen und die damit verbundenen Leiden haben mich einerseits ziemlich kaputt gemacht, so dass ich schon 1947 sterben musste
  • Aber vorher habe ich mir dieses Stück noch in 8 Tagen !!! von der Seele schreiben können – und ich hoffe, dass es dazu beiträgt, dass der eine oder andere Krieg in Zukunft ausfällt – entschuldigt bitte diese natürlich ironisch gemeinte Formulierung- eigentlich möchte ich, dass es überhaupt keine Kriege mehr gibt.
  • Denn ein kluger Mensch hat mal gesagt: Der Krieg ist das äußerste Verbrechen, weil unheimlich viele in ihm und aus ihm erst entstehen.
  • Achtet also darauf, wie ich meine Sicht des Krieges und seiner Folgen verarbeitet habe. Und tut das, was ich in einem berühmten anderen Text so formuliert habe:
    Wenn mal wieder Leute kommen und irgendetwas von dir fordern, was Richtung Krieg geht.
    „Sag NEIN!“
    https://www.bo-alternativ.de/borchert.htm

Der gleiche Schauspieler setzt sich die Brille auf und präsentiert sich als „Beckmann“ –

  • Wundert euch nicht, dass ich hier im Spiel bleibe.
  • Wolfang Borchert hat ja seine eigenen Erfahrungen verarbeitet und ihm hätte es genau so gehen können wie dem Beckmann im Stück. Der könnte hier sagen:
  • Früher hatte ich einen Vornamen, aber seit gestern heiße ich nur noch Beckmann, so wie ein Tisch Tisch heißt.
  • Ich bin einer von denen, die nach Hause kamen und merkten, dass für sie kein Zuhause mehr da ist.
  • Tausend Tage war ich weg in Russland, gehungert, gefroren, geschossen – das war mein Krieg.
  • Ich humpele nur noch durchs Leben, denn meine Kniescheibe wurde mir gestohlen, ein Andenken an den Krieg.
  • Ich bin müde, so furchtbar müde, und habe Heimweh, aber alle Türen scheinen geschlossen.
  • Ich suche nach Antworten, nach einem Platz in dieser Welt, nach Schlaf.
  • Im Stück werdet ihr sehen, wie es mir dabei geht.

Beckmanns Frau

  • „Ich war Beckmanns Frau. Ja, drei Jahre hat er gefehlt, und da war ich allein.
  • Manchmal vergessen die Menschen eben, wie es war.
  • Er kam ganz anders wieder, als er wegging, und da war ein anderer Mann bei mir, der mich liebt.
  • Ich habe ihn nicht gehört, als er mich rief. Das Leben geht eben weiter, und man muss auch an sich denken.“
  • Das Weitere kann euch mein aktueller Freund erzählen.

Der Freund

  • „Ich bin derjenige, der da war, als Beckmann nicht da war.
  • Ich liebe sie, seine Frau, und ich war es, der bei ihr war, als er zurückkam.
  • Ich bin einfach das Jetzt, das in einem besetzten Bett liegt.“

Das Mädchen

  • „Ich bin das Mädchen, das ihn am Wasser fand.
  • Er wollte sich ja umbringen, aber die Elbe wollte ihn irgendwie nicht.
  • Er sah so nass und kalt aus, wie ein halber Fisch.
  • Ich habe ihn mit zu mir genommen, denn er hatte so eine hoffnungslos traurige Stimme. Ich bin jemand, der helfen möchte, der versucht, ein bisschen Wärme und Licht in die Dunkelheit zu bringen.
  • Und ich habe ihn gesucht, diesen Fisch, diesen Mann, denn ich liebe ihn.“

Der Einbeinige

  • „Ich bin der Mann des Mädchens, der eigentlich tot ist.
  • Ich bin in Stalingrad zurückgeblieben.
  • Doch ich bin nicht wirklich weg; ich bin die Verantwortung, die Last, die Beckmann mit sich trägt.
  • Sie hören mein ‚Teck-tock‘ – das sind meine Krücken, die ihn verfolgen, die ihn daran erinnern, was passiert ist und wer er war.
  • Ich bin sein Gewissen und sein ständiger Vorwurf.“

Der Oberst

  • „Na na na na! Ich bin der Oberst, ein gestandener Mann, der seine Pflicht getan hat.
  • Der Krieg ist aus, und das Leben geht weiter, positiv!
  • Ich bin nicht von gestern, ich sehe nach vorne. Beckmanns Geschichten?
  • Ach, das ist doch köstlicher Humor, eine Nummer für die Bühne!
  • Er muss nur wieder ein Mensch werden, anständig, wie wir alle.
  • Ein bisschen Humor schadet nie!“

Frau Kramer

  • „Ich bin Frau Kramer, und ich wohne jetzt in Beckmanns altem Zuhause.
  • Das Leben ist hart, und man muss pragmatisch sein.
  • Ich habe ihm nur die Tatsachen gesagt, wo seine Eltern sind.
  • Zwei Tote? Ach, davon hätte man einen ganzen Monat kochen können, schade um das Gas.
  • Ich habe ein Herz, ja, aber man kann sich nicht um alles und jeden kümmern, sonst wird einem die Margarine schlecht.
  • Man muss eben weiterleben.“

Der alte Mann (Gott)

  • „Ich bin der Gott, an den keiner mehr glaubt.
  • Ich weine, weil ich es nicht ändern kann, all dieses Sterben und die Verzweiflung.
  • Sie erschießen sich, sie ersaufen sich, sie ermorden sich – heute hundert, morgen hunderttausend.
  • Ich bin alt und unmodern, und meine Kinder haben sich von mir gewandt.
  • Hört denn keiner mein leises Weinen?“

Der Beerdigungsunternehmer (Tod)

  • „Ich? Ich bin der Tod, und das Geschäft ging gut in diesem Jahrhundert.
  • Ein Krieg gibt dem anderen die Hand, und die Toten kleben wie Fliegen an den Wänden.
  • Mein Schluckauf?
  • Das kommt vom Überfressen.
  • Ich bin der neue Gott, an den sie glauben und den sie fürchten.
  • Ich vergesse keinen, und meine Tür steht immer offen, Tag und Nacht, überall.“

Der Andere

  • „Ich bin der Andere, Beckmanns ständige Begleitung, seine innere Stimme, der Jasager, der Antworter.
  • Ich bin der Optimist, der an das Gute im Bösen sieht und die Lampen in der finstersten Finsternis.
  • Ich sage Ja, wenn er Nein sagt, und ich treibe ihn an, wenn er müde wird.
  • Ich fordere ihn auf zu leben, immer wieder, denn das Leben wartet mit tausend Laternen und offenen Türen.“
  • Wir hoffen, diese kleine Einführung hat Ihr Interesse geweckt. Tauchen Sie nun ein in die Welt von „Draußen vor der Tür.“