Ratschlag für einen „Missvergnügten“
Es geht um ein interessantes Gedicht der Barockzeit, das eine andere Sicht auf Diesseits und Jenseits richtet, als man es normalerweise erwartet.
Zu finden ist das Gedicht zum Beispiel hier:
Quelle: Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 49-50,62-64.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005086248
Wer Schwierigkeiten hat, das Gedicht in seiner alten Sprache zu verstehen, der kann es sich auf der folgenden Seite in einer Audio-Datei erklären lassen.
https://schnell-durchblicken.de/audio9440
- Als erstes arbeiten wir uns an das Thema und die Aussagen des Gedichtes heran.
- Dazu gehen wir
- zunächst auf die Überschrift ein, die ziemlich viel auszusagen scheint.
- Anschließend fassen wir die einzelnen Strophen inhaltlich zusammen, wie es seit einiger Zeit bei der Gedichtanalyse üblich geworden ist.
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
An einen Mißvergnügten
- Die Überschrift macht bereits deutlich, dass das Gedicht sich an jemanden richtet, der nicht etwa traurig oder verzweifelt ist, sondern „missvergnügt“.
- Das ist ein relativ ungebräuchliches Wort. Man kann es aber entschlüsseln.
- Denn es geht offensichtlich um einen Menschen, für den ein mögliches Vergnügen zum Gegenteil geworden ist.
- Hier kann man Überlegungen anstellen, ob es sich um schlechte Laune handelt oder um die zu hohe Gewichtung von irgendetwas Negativem, über das man sich ärgert, das aber eigentlich gar nicht so schlimm ist.
- Ach! was benebelt doch die Kräfte deiner Sinnen?
- Wirst du bei Sonnenschein Nichts mehr erkiesen können?
- Kennst du dich selber nicht?
- Dich hungert bei der Kost, dich dürstet bei den Flüssen,
- Du wirst zu Eis und Schnee beim Feuer werden müssen,
- Du klagst bei Ueberfluß, daß Alles dir gebricht.
- Die erste Strophe beginnt mit kritischen Fragen nach einem offensichtlich als falsch empfunden Verhalten.
- Es folgt eine Reihe von wohl vorwurfsvoll gemeinten Feststellungen.
- Alles geht in die schon von der Überschrift her vermutete Richtung, dass es hier um einen Menschen geht, der unnötigerweise sich einem möglichen Vergnügen verschließt.
- Was marterst du dich selbst mit dürftigen Gedanken,
- Drängst bei gesunder Haut dich in die Reih‘ der Kranken
- Und seufzest bei der Lust?
- Wer sich am Herzen nagt, der speiset allzutheuer.
- Ach, mache dich nicht selbst zu einem Ungeheuer,
- Das sich die Nägel schärft, zu schaden seiner Brust!
- Auch die zweite Strophe beginnt mit kritischen Fragen, die den Eindruck von Fehlverhalten verstärken.
- Im zweiten Teil dann eine entsprechende Lebensweisheit und am Ende eine Aufforderung, sich daran zu halten.
- Will denn der Liebesbaum stets Argwohnsfrüchte tragen?
- Soll denn sein Schatten uns die beste Lust verjagen
- Und bringen Ach und Weh?
- Man weint oft ohne Noth und zweifelt ohne Gründe,
- Plagt seiner Sinne Schiff mit ungestümem Winde
- Und stürzt sich ohne Sturm tief in die Trauersee.
- Am Anfang dieser Strophe hat man kurz den Eindruck, dass das lyrische Ich sich einem ganz bestimmten Bereich, nämlich der Liebe zuwendet.
- Es geht dann allerdings wieder über zu bildlich ausgedrückten Erfahrungen, die deutlich machen sollen, wie verkehrt ein solches Verhalten des Angesprochenen ist.
- Die Rosen blühen dir; was willst du Nesseln hegen,
- Und Disteln, reich an Angst, zu Lustnarcissen legen?
- Was Uebels stößt dich an?
- Bemüh‘ dich, deinen Geist in süße Ruh‘ zu setzen,
- Und reiß‘ dich mit Gewalt aus Schmerz und Trauernetzen!
- Dem schadet nicht Verzug, wer Zeit erwarten kann.
- In der nächsten Strophe dann wieder – am Beispiel von Blumen – der Kontrast zwischen dem, was möglich und angemessen wäre, und dem, was als Fehlverhalten verstanden wird.
- Dann noch einmal die Frage, was die Ursache dieses Missvergnügen ist
- Schließlich wieder zwei Aufforderungen und am Ende erneut eine Lebensweisheit, die die Ratschläge unterstützen soll.
- Wen blinder Eifer wiegt, der träumt von Ungelücke,
- Ruft, frei und ungelähmt, nach Rettung und nach Krücke,
- Meint stets auf Eis zu stehn.
- Erwach‘ und streich dir doch die Schuppen vom Gesichte!
- Kein Kluger macht sich selbst durch Wahn und Dunst zu nichte.
- Was säumest du doch, selbst in’s Paradies zu gehn?
- In der letzten Strophe wieder eine Kombination von Lebensweisheit und Lebenserfahrungen.
- Und am Ende dann noch einmal eine Mahnung, die unterstützt wird durch den Hinweis auf kluge Leute, die sich anders verhalten.
- Am Ende eine für die Barockzeit ungewöhnliche Vorstellung vom Paradies. Das wird hier nämlich präsentiert, als gäbe es auch irdische Orte des Glücks.
- Die schlussendliche Mahnung des Gedichtes ist dann eben, diese potenziellen Glücksmomende zu nutzen.
- Von Jenseits-Orientierung ist in diesem Gedicht erstaunlicherweise keine Rede.
Form, Thema, Aussagen und Interpretation
- Form:
- Fünf Strophen mit jeweils 6 Zeilen
- Weitgehend eine Kombination aus Paarreim und umarmendem Reim
- Im Regelfall sechshebiger Jambus
- Thema des Gedichtes ist die Frage, wie man richtig mit dem Leben umgeht.
- Das Gedicht zeigt
- eine falsche Haltung, bei der man das Schöne nicht sieht, stattdessen „missvergnügt“ ist.
- Deutlich werden Mahnungen und Ratschläge, dieses Verhalten zu ändern
- und sich damit schon hier im irdischen Leben ein Paradies zu bereiten.
- Zentrale sprachliche und rhetorische Mittel sind
- die kritischen Fragen in den ersten Zeilen
- In den Zeilen 4-6 Gegensatz-Parallelismen, die deutlich machen, was falsch läuft.
- In Zeile 7 das Bild der Folter.
- Zeile 8: Veranschaulichung durch eine fiktive Situation.
- Zeile 10: Eine Art Sinnspruch, Sprichwort.
- Zeile 11/12 erneute Veranschaulichung in den tierischen Bereich hinein.
- Zeile 13-15 rhetorische Fragen
- Zeile 16: Lebensweisheit
- Zeile 17/18 Schiffsmetaphorik
- Im selben Stil geht es weiter, wie überhaupt dieses Gedicht überreich ist an Wiederholungen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Barock, bsd. Lyrik
https://textaussage.de/lyrik-der-epoche-des-barock-themenseite
— - Barock – die wichtigsten Gedichte
https://textaussage.de/barock-die-wichtigsten-gedichte
— - Infos, Tipps und Materialien zur deutschen Literaturgeschichte
https://textaussage.de/deutsche-literaturgeschichte-themenseite
— - Übersicht über unsere Themenseiten auf textaussage.de
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