Worum es hier geht:
Kleists Novelle „Die Marquise von O…“ zeigt ein interessantes Beispiel für weibliche Selbstbehauptung in der Zeit um 1800.
Im Folgenden zeigen wir, in welchem Umfeld wie dieses Werk entstanden ist .
Eine gute Übung, wenn man solche Fragen zum Beispiel in einer Klausur oder auch in einer mündlichen Prüfung klären soll.
- Die Novelle erschien zuerst 1808 in einer Literaturzeitschrift.
— - Wann sie genau entstanden ist, ist nicht ganz klar. Wohl kann man davon ausgehen, dass sie spätestens Ende 1807 abgeschlossen war.
— - Heinrich von Kleist ist zu dem Zeitpunkt (1777 geboren) etwa 30 Jahre alt und hat noch etwa 3 Jahre bis zu seinem Selbstmord vor sich.
— - Kleist war ein Außenseiter, d.h. er gehörte keiner der zeitgenössischen Epochen auf typische Weise an.
—- Er hätte zur Weimarer Klassik gehören können, die ja in seiner Zeit voll ausprägt war. Schiller starb 1805, Goethe veröffentlichte Faust I im Jahre 1808. Goethe stand Kleist sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Vgl. https://www.heinrich-von-kleist.org/index.php?id=421
— - Er hatte allerdings auch Verbindungen in die Romantik hinein. So findet er für seine zunächst sehr realistische Terroristen-Novelle „Michael Kohlhaas“ schließlich einen sehr romantischen Schluss, in dem eine Zigeunerin und eine geheimnisvolle Kapsel eine große Rolle spielen – typisch romantische Motive.
Sehr extrem war aber sein Drama „Penthesilea“, das Kleist 1808 Goethe „auf den Knien meines Herzens“ zuschickte. Der konnte aber mit dieser Frau, die den geliebten Mann von wilden Tieren zerfetzen lässt, nichts anfangen. Er stand eher auf eine so reine Seele wie „Iphigenie“. Kleist ist danach ziemlich niedergeschlagen.
https://www.zeit.de/2003/25/KA-sbib-penthesilea
— - Kleist weist aber in der Novelle „Die Marquise von O… auch schon weit über die Goethe- und Romantik-Zeit hinaus, indem er die Frauengestalten nach Autonomie streben lässt und der eigentlich stark sein sollende Familienpatriarch ziemlich demontiert wird.
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- Er hätte zur Weimarer Klassik gehören können, die ja in seiner Zeit voll ausprägt war. Schiller starb 1805, Goethe veröffentlichte Faust I im Jahre 1808. Goethe stand Kleist sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber.
- Das, was das eigentlich „unerhört“ Neue an Kleists Novelle ist, nämlich die Geschichte einer Frau, die den zunächst unbekannten Vater ihres Kindes trotz der der sehr problematischen Umstände suchen lässt und dann heiratet, gehört diesem Dichter ganz allein. Es gibt allerdings zumindest Ansätze, auf die Kleist zurückgreifen konnte:
—- Michel de Montaigne erzählt eine Anekdote, in der eine verwitwete Bauersfrau von der Kanzel herunter nach dem Vater ihres Kindes suchen lässt, dessen Entstehung sie sich ebenfalls nicht erklären kann.
(Näheres in der Reclam-XL-Ausgabe des Textes mit Anhängen, S. 57/58)
— - In einer Berliner Zeitschrift erscheint 1798 eine Erzählung mit dem Titel „Gerettete Unschuld“, in der ein junger Kaufmann eine scheintote Frau vergewaltigt und am Ende ebenfalls heiratet.
(Näheres in der Reclam-XL-Ausgabe des Textes mit Anhängen, S. 58/59)
— - 1805 erscheint in einer Zeitschrift „Erholungen“ die Erzählung „Amalie“, in der es auch um die angebliche Entehrung einer Frau geht, die schließlich in die Hochzeit mit einem französischen Soldaten mündet.
(Näheres in der Reclam-XL-Ausgabe des Textes mit Anhängen, S. 59/60)
— - Dazu kommt noch eine Episode aus dem Roman „Na Nouvelle Héloise“ des französischen Aufklärers Rousseau.
(Näheres in: Die Marquise von O … / Heinrich von Kleist. Hrsg. von Wolfgang Pütz, Reclam: Stuttgart 2013, S. 60/61)
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- Michel de Montaigne erzählt eine Anekdote, in der eine verwitwete Bauersfrau von der Kanzel herunter nach dem Vater ihres Kindes suchen lässt, dessen Entstehung sie sich ebenfalls nicht erklären kann.
- Interessant ist die Rezeption der Novelle, also die Frage, wie sie bei den damaligen Lesern ankam und wie sich das weiter entwickelte:
—- Kleists Novelle kam anfangs überhaupt nicht gut an, weil man glaubte, solche Dinge wie das Schicksal dieser Frau, gehöre nicht in die Öffentlichkeit.
— - Dabei spielten zum einen moralische Überlegungen eine Rolle.
— - Zum anderen fand man auch die Rolle des Mannes allgemein hier nicht angemessen dargestellt. Man wollte keine Adligen sehen, die sich gegenüber einer schutzbedürftigen Frau so wenig ehrenhaft verhalten und anschließend so weinerlich bettelnd und Gnade flehen.
— - Auch der Kommandant, der Vater der Marquise, kommt nicht gut weg, wenn er erst von seiner Frau vom Weg der Hartherzigkeit abgebracht werden muss.
— - Damit sind wir wieder bei der Frage der Autonomie von Frauen, die den damals maßgeblichen Kräften viel zu weit ging.
— - Jedenfalls wurde die Novelle zunächst einmal verboten
(siehe dazu: Lektüreschlüssel. Heinrich von Kleist: Die Marquise von O… / Bernd Ogan, Reclam: Stuttgart 2013, ISB: 978-3-15-960209-7, S. 5).
— - Thomas Mann bezeichnete später die Novelle als die „berüchtigste und heute wohl berühmteste von Kleists Erzählungen“ (zitiert nach Lektüreschlüssel, S. 5).
— - Und der bekannte Publizist Sebastian Haffner („Anmerkungen zu Hitler“) äußerte sich 1980 so, dass eine Beschäftigung mit Kleist ein Flirten mit der Hölle sei, was unangenehm sei, am Ende aber „Begeisterungstränen“ bei ihm auslöse. (Vgl. Lektüreschlüssel, S. 6).
- Kleists Novelle kam anfangs überhaupt nicht gut an, weil man glaubte, solche Dinge wie das Schicksal dieser Frau, gehöre nicht in die Öffentlichkeit.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Infos, Tipps und Materialien zur Novelle „Die Marquise von O….“
https://textaussage.de/kleist-die-marquise-von-o
— - Youtube-Playlist zu Kleists Novelle
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv1JuXpFFKiznWO3yD8anyBY
— - Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos
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