Worum es hier geht:
Eigentlich lautet der Titel dieses Gedichtes: “Liedchen”, wie man dem Gedichtband
Eichendorff. Sämtliche Gedichte. Versepen, Hrsg. v. Hartwig Schulz, Deutscher Klassiver Verlag: 2006, S. 213
entnehmen kann.
Aber im Internet ist auch der Titel „Glück“ zu finden
- Damit kann sich zufällig eine interessante Diskussion ergeben, welcher dieser Titel besser zum Text des Gedichtes passt.
- „Liedchen“ ist ziemlich nichtssagend und auch eine Verkleinerungsform des Wortes Lied – das passt schon mal gar nicht zu dem Glücksrausch, der da präsentiert wird.
- Deshalb ist „Glück“ wohl deutlich besser – und das Schöne, der Grund für das Glück bleibt in diesem Titel genauso offen wie im Gedicht, bevor die letzte Strophe dann die Klärung bringt.
Strophe 1
- Wie jauchzt meine Seele
- Und singet in sich!
- Kaum, dass ich’s verhehle
- So glücklich bin ich.
-
- In der ersten Strophe versucht das lyrische Ich, so ein Glücksgefühl in Verse zu fassen.
- Das geschieht in einer Art staunender Feststellung, in welchem Ausmaß die eigene Seele ihre Freude gewissermaßen „raushaut“.
- Verbunden ist das mit der interessenten Vorstellung, dass die Seele zu gleich in sich singt.
- Beides scheint ein Widerspruch zu sein.
- Aber dieser Widerspruch kann eben auch Ausdruck der Vielfalt der Gefühle sein, ein Teil dringt nach außen, aber das Eigentliche, der Gesang, findet in der Seele selbst statt und bleibt also in ihrem Inneren.
- Die letzten beiden Zeilen deuten dann auch an, dass es tatsächlich zwei Ebenen des Gefühlsausbruchsgibt.
- Da ist einmal der unmittelbare,
- zum anderen der doch etwas vom Verstand auch kontrollierte. Denn das lyrische Ich versucht ja, den Ausbruch der Gefühle zumindest etwas zu dämpfen, was aber kaum gelingt.
Strophe 2
- Rings Menschen sich drehen
- Und sprechen gescheut,
- Ich kann nichts verstehen,
- So fröhlich zerstreut. –
-
- Die zweite Strophe erklärt dann diese Doppelbödigkeit des Gefühlsausdrucks dadurch, dass das lyrische Ich eben nicht für sich allein ist, irgendwo im Wald, sondern unter Menschen.
- Diesen Menschen wird nun „gescheit“ (das ist gemeint) zugeordnet, ein Hinweis auf die volle Kraft, aber auch die Kontrolle des Verstandes.
- Die letzten beiden Zeilen zeigen dann den Abstand des lyrischen Ichs zu dieser Art Vernunftherrschaft und Verstandeskommunikation.
- Das lyrische Ich ist wahrscheinlich so mit sich selbst und seinem Glück beschäftigt, dass es von dem, was um ihn herum geschieht, so gut wie nichts mitbekommt, auf jeden Fall nicht wirklich etwas versteht.
- Als Grund dafür wird „zerstreut“ angeboten, was normalerweise eher ein negativer Begriff ist. Man verbindet diesen Geisteszustand ja meist mit einem Professor, der zum Beispiel vergeblich seine Brille sucht, die er eigentlich schon auf der Nase hat.
- Hier ist damit aber wohl gemeint, dass sich vor dem inneren Auge des lyrischen Ichs eine ganze Welt öffnet, die er in keiner Weise unter Kontrolle hat und auch gar nicht haben will.
Strophe 3
- Zu eng wird das Zimmer,
- Wie glänzet das Feld,
- Die Täler voll Schimmer,
- Weit herrlich die Welt!
-
- Die nächste Strophe verstärkt dann den Eindruck, dass dem lyrischen Ich in seinem Glück seine aktuelle Umgebung viel zu eng ist.
- Sein Blick geht, typisch für den Romantiker, hinauf aufs Feld und entdeckt dort auch sofort Glanz, der sich auch auf die Täler erstreckt.
- In der vierten Zeile dann die zusammenfassende Einschätzung, dass die ganze Welt dem lyrischen Ich in seinem persönlichen Glücksgefühl herrlich vorkommt.
Strophe 4
- Gepresst bricht die Freude
- Durch Riegel und Schloss,
- Fort über die Heide!
- Ach, hätt ich ein Ross! –
-
- Auch diese Strophe zeigt, dass hier verschiedene Kräfte aufeinander wirken.
- Auf der einen Seite etwas Statisches, in diesem Falle kenntlich gemacht durch die Wohnumgebung, zu dem dem lyrischen Ich nur Riegel und Schloss einfällt.
- Dann aber eben der Durchbruch der Freude, der in die Weite führt. Dementsprechend geht es in der zweiten Hälfte der Strophe um ein erstes Ziel und den Wunsch, jetzt auch noch das passende Pferd zu haben, um schnell wegzukommen.
Strophe 5
- Und frag ich und sinn ich,
- Wie so mir geschehn? –
- Mein Liebchen herzinnig,
- Das soll ich heut sehn!
-
- Die letzte Strophe beantworte dann endlich die Frage, die sich wohl jeder Leser gestellt hat:
Was hat denn dieses besondere Gefühl bei dem lyrischen Ich ausgelöst? - Jetzt endlich wird das Wichtigste an den Anfang gestellt, nämlich das „Liebchen“ und dann kommt das zweitwichtigste, dass das lyrische Ich es bald sehen wird.
- Die letzte Strophe beantworte dann endlich die Frage, die sich wohl jeder Leser gestellt hat:
Das Gedicht zeigt:
- auf beeindruckende Art und Weise den Gefühlssturm, den die Liebe in einem Menschen auslösen kann.
- Deutlich wird vor allem die Vielfalt der Gefühlselemente, die mit einer solchen Situation verbunden sind.
- Zum einen ist es das Nebeneinander von innerem Leben und nach außen getragenem Leben.
- Dann geht es um eine Form von Selbst-Isolation, wie sie ausnahmsweise mal als ganz schön empfunden werden kann.
- Und was die künstlerischen Mittel angeht, ist hier vor allen Dingen der rhetorische Kniff interessant, erst ganz viel an Spannung aufzubauen, was dann am Ende erst aufgelöst wird.
- Von daher ist der Titel Glück vielleicht doch ganz gut gewählt, weil er auch noch eine gewisse Offenheit enthält.l
Hat Eichendorff von Goethe „gelernt“?
Interessant ist vielleicht, dass Eichendorffs letzte Strophe und der damit verbundene Spannungstrick schon bei Goethe zu finden ist – und zwar im Gedicht „Frühzeitiger Frühling“.
Am besten prüft man mal, wie es mit weiteren Gemeinsamkeiten aussieht.
https://schnell-durchblicken.de/goethe-fruehzeitiger-fruehling
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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