Verweis auf die Analyse-Seite
Auf der Seite
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haben wir das Gedicht vorgestellt und erklärt.
Dabei tauchte die Frage auf, welcher Epoche es zuzuordnen ist:
In Frage kommen bei Goethe „Empfindsamkeit“ und „Sturm und Drang.
Methodisches Vorgehen
Um die Einordnung des Gedichts in die Epochen Empfindsamkeit oder Sturm und Drang zu bestimmen, ist es hilfreich, die thematischen und stilistischen Merkmale des Gedichts sowie Goethes Lebens- und Werkdaten und die Epochengrenzen zu berücksichtigen.
Das Gedicht „Mailied“ preist die aufblühende Natur und ihre Wirkung und stellt eine Beziehung zu einer Liebe her, die jedoch als etwas einseitig beschrieben wird. Bereits die ersten drei Ausrufe in der ersten Strophe („Wie herrlich leuchtet / Mir die Natur! / Wie glänzt die Sonne! / Wie lacht die Flur!“) drücken die Freude über die blühende Natur aus. Der Mai wird als Wonnemonat bezeichnet, in dem die Natur ihre ganze Schönheit zeigt.
Die zweite Strophe beschreibt den Wachstumsprozess bei Pflanzen und Tieren und einen Zuwachs an Lebenslust. Die dritte Strophe geht auf die Freud und Wonne ein, die diese erwachende Natur in allen Lebewesen auslöst, und betont das Wirkungsverhältnis und den Gleichklang zwischen Naturphänomenen und der Reaktion der Lebewesen.
In der vierten Strophe erfolgt eine Verschiebung von der Freude über die Natur zu dem tiefsten Gefühl, der Liebe, die in den Gesamtzusammenhang der erwachenden Natur einbezogen wird. Die fünfte Strophe stellt eine Beziehung zwischen der Außenwelt und der Innenwelt her, indem die Schönheit der Natur Liebesgefühle hervorruft, die wiederum positiv auf die äußere Welt zurückwirken könnten.
Die sechste Strophe widmet sich dann dem Steigerungsfaktor von Freude und Lust im Hinblick auf ein Mädchen, wobei deutlich wird, dass es sich um ein Liebesverhältnis aus der Sicht des lyrischen Ichs handelt. Die Verse „Wie blickt dein Auge! / Wie liebst du mich!“ lassen jedoch die Frage offen, ob die Liebe erwidert wird.
Die siebte Strophe setzt die Liebe mit dem Gesang der Lerche und dem Duft der Morgenblumen gleich. In der achten und neunten Strophe wird deutlich, dass das lyrische Ich selbst zur Liebe fähig und bereit ist und durch diese Liebe zu neuen Liedern und Tänzen beflügelt wird. Der Wunsch „Sei ewig glücklich, / Wie du mich liebst!“ am Ende lässt jedoch eine gewisse Einseitigkeit der Beziehung erkennen.
Einordnung in die Epochen:
- Die Epoche der Empfindsamkeit (ca. 1740-1780) betonte das Gefühl, die Innerlichkeit und die Natürlichkeit.
- Sie legte Wert auf das Individuum und seine Empfindungen
- Die Epoche des Sturm und Drang (ca. 1765-1785) war eine Gegen-Bewegung gegen die zu große Vernunftorientierung der Aufklärung und die Konventionen der Zeit.
- Sie betonte die Kraft des Genies, die Leidenschaft, die Originalität und die unmittelbare Erfahrung, oft in Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und den Zwängen.
- Auch die Natur spielte eine wichtige Rolle, wurde aber oft als wild und ungestüm oder als Spiegel der heftigen Gefühle des Individuums dargestellt.
Prüfung
- Goethes „Mailied“ entstand um 1771. Dies fällt zeitlich in die Phase des Sturm und Drang.
- Betrachtet man die inhaltlichen und stilistischen Merkmale des Gedichts, so lassen sich sowohl Bezüge zur Empfindsamkeit als auch zum Sturm und Drang erkennen:
- Empfindsamkeit:
Die Betonung der reinen, natürlichen Empfindung, die Freude an der Natur und die Darstellung individueller Gefühle könnten auf eine Nähe zur Empfindsamkeit hindeuten.
- Sturm und Drang:
- Die unmittelbare, ausrufende Sprache, die leidenschaftliche Intensität der Gefühle („Freud‘ und Wonne“, „Glück, o Lust“, die direkte Anrede „O Mädchen, Mädchen“),
- die kraftvolle Beschreibung der Natur als etwas Belebtes und Wirkendes sowie das subjektive Erleben des lyrischen Ichs
- und die angedeutete Unausgeglichenheit in der Liebesbeziehung weisen eher auf den Sturm und Drang hin.
- Die Verbindung von Naturerlebnis und intensiver persönlicher Empfindung ist ein typisches Merkmal dieser Epoche. Zudem war Goethe selbst eine zentrale Figur des Sturm und Drang.
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- Die Anmerkung, dass die Einseitigkeit der Liebe im Gedicht zu Goethes realen Liebesverhältnissen passe, insbesondere zu seiner Sesenheimer Beziehung, die in seine Sturm und Drang-Zeit fällt, unterstützt die Einordnung in diese Epoche.
Fazit:
- Obwohl „Mailied“ Elemente der Naturverehrung und des Ausdrucks persönlicher Gefühle aufweist, die auch in der Empfindsamkeit eine Rolle spielten, überwiegen die Merkmale des Sturm und Drang.
- Die leidenschaftliche Sprache,
- die Unmittelbarkeit des Ausdrucks,
- die dynamische Naturbeschreibung
- und das intensive subjektive Erleben sprechen dafür, dass das Gedicht eher dieser literarischen Strömung zuzuordnen ist.
- Die Entstehungszeit des Gedichts um 1771 und Goethes Zugehörigkeit zum Sturm und Drang bestätigen diese Einordnung.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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