Erst „Punktum“, dann „Studium“ – eine Chance für mehr Freude an Gedichten im Deutschunterricht mit Roland Barthes

Worum es hier geht:

Der Umgang mit Gedichten ist in der Schule stark belastet durch die gängigen Analyseprogramme, die einfach nur nach Arbeit aussehen und alles überdecken, was auch möglich wäre: Nämlich das „Sich-überraschen-Lassen“ durch etwas, was einen berührt.

Und hier hilft eine Unterscheidung, die wir leider viel zu spät erst kennengelernt haben.

Es geht nämlich um die Begriffe „Studium“ und „Punctum“, die Roland Barthes in seinem Essay „Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie“ 1980 veröffentlicht hat.

 

Dass ChatGPT hier vor allem jüngere Schülis zeigt, war nicht ganz in unserem Sinne, aber dann haben wir uns überlegt, dass das eigentlich ein versteckter Hinweis darauf ist, dass man auch beim Umgang mit Gedichten wieder jene Unbefangenheit zeigen soll, die bei älter werdenden Menschen leider ein bisschen verlorengeht – aber man kann sie wiedergewinnen 🙂

Er versteht darunter zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen beim Umgang mit Fotos. Aber man kann das eigentlich auf alles übertragen – also auch auf Gedichte. Und das wiederum könnte dafür sorgen, dass diese Textart nicht mehr für viele Schülis als Schreckgespenst erscheint, sondern als Möglichkeit, mit einem Gedicht ganz eigenständig und subjektiv Kontakt aufzunehmen. Daraus kann dann ein sehr fruchtbares Gespräch entstehen – weil eben viele Ansatzpunkte von den Schülis kommen – und nicht von der Lehrkraft.

Vereinfacht gesagt: „Studium“ ist die Abarbeitung der üblichen Checklisten, bei denen möglichst alles in einer bestimmten Reihenfolge abgehandelt wird. Am Ende steht eine Analyse, die möglichst sachlich auch für andere überzeugend sein soll. Dazu kommt dann noch eine Interpretation, die ein Gedicht im Hinblick auf andere Fragestellungen auswertet.

Das „Punktum“ ist ein Detail, das man für sich entdeckt und mit dem man sich dann gerne näher beschäftigen möchte. Der Begriff hängt zusammen mit dem „Punktieren“, das einem unter die Haut geht.

In der Praxis gehen „Studium“ und „Punktum“ letztlich ineinander über. Denn das Besondere eines Textes bekommt ja seine Bedeutung erst im Zusammenhang des gesamten Textes.

Entscheidend ist die Reihenfolge – nicht gleich mühsame Abarbeitung eines Analyseprogramms, sondern Suche nach dem Punkt, der einen berührt, den man gerne geklärt haben möchte, der etwas mit einem selbst zu tun hat.

Und wenn alle ihr „Punktum“ beigetragen haben, kann und wird sich daraus ein Austausch ergeben, der alle weiterbringt und sich schließlich auf andere Art und Weise zu einer Gesamtsicht auf ein Gedicht zusammenfügen lässt, als man es normalerweise macht.

Wir setzen das hier noch fort, hoffen aber schon mal, einen Denkanstoß auf den Weg gebracht zu haben.

Wir freuen uns auf Tipps, Anregungen und Vorschläge, an welchem Gedicht wir das mal ausprobieren sollten.

Einfach auf dieser Seite reinschreiben.

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