Franz Kafka, „Eine alltägliche Verwirrung“ (Mat838-eav)

Worum es hier geht:

https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/misc/chap038.html

Franz Kafka

Eine alltägliche Verwirrung

  1. Ein alltäglicher Vorfall: sein Ertragen eine alltägliche Verwirrung.
    • Dies ist eine Art Vorab-Info.
    • Seltsam ist die Verbindung des Ertragens mit dem Phänomen der Verwirrung.
    • Hypothese: Gemeint sind wohl die Geschehnisse, aber sie werden dem Innenleben von A zugeschrieben. Das könnte bedeuten, dass sich zumindest die Wahrnehmung eher im Inneren der Figur abspielt – es geht weniger um Realität.
  2. A hat mit B aus H ein wichtiges Geschäft abzuschließen.
    • Am besten fängt man hier an, sich eine Skizze der Ereignise und Abläufe zu machen.
    • Es geht um zwei Geschäftspartner und einen Ort.
    • A ist die Hauptperson,
    • B sein Partner.
    • So kann man sich das merken.
    • H dürfte nur einmal vorkommen, da kann es keine Verwechslung geben.
  3. Er geht zur Vorbesprechung nach H, legt den Hin- und Herweg in je zehn Minuten zurück und rühmt sich zu Hause dieser besonderen Schnelligkeit.
    • Wichtige Information zur Einfachheit einer räumlichen Verbindung
    • Interessant ein Ansatz von Stolz und vielleicht sogar Überheblichkeit
  4. Am nächsten Tag geht er wieder nach H, diesmal zum endgültigen Geschäftsabschluß.
    • Erweiterung Richtung Vertragsabschluss
  5. Da dieser voraussichtlich mehrere Stunden erfordern wird, geht A sehr früh morgens fort.
    • Hervorhebung der sorgfältig überlegten Vorbereitung.
  6. Obwohl aber alle Nebenumstände, wenigstens nach A’s Meinung, völlig die gleichen sind wie im Vortag, braucht er diesmal zum Weg nach H zehn Stunden.
    • Einbruch des Paradoxen, Widersinnigen, Unnormalen
    • Relativierung durch Hinweis auf A als maßgeblicher Informant über die Umsstände
  7. Als er dort ermüdet abends ankommt, sagt man ihm, daß B, ärgerlich wegen A’s Ausbleiben, vor einer halben Stunden zu A in sein Dorf gegangen sei und sie sich eigentlich unterwegs hätten treffen müssen.
    • Zunächst die verständliche Enttäuschung und Verärgerung des Geschäftspartners
    • Verstärkung des Eindrucks des Unnormalen, des Eingreifens überirdischer Mächte
  8. Man rät A zu warten. A aber, in Angst wegen des Geschäftes, macht sich sofort auf und eilt nach Hause.
    • Etwas seltsam, alternativ wäre auch möglich, dass A jetzt nach Hause eilt, weil B ja angeblich dort ist.
  9. Diesmal legt er den Weg, ohne besonders darauf zu achten, geradezu in einem Augenblick zurück.
    • Jetzt eine Art Folterspiel – zwischendurch mal eine Erholung, die aber neue Probleme auslösen kann – wie, wenn er bei der Geschwindigkeit den wieder heimkehrenden B übersehen hätte.
  10. Zu Hause erfährt er, B sei doch schon gleich früh gekommen – gleich nach dem Weggang A’s; ja, er habe A im Haustor getroffen, ihn an das Geschäft erinnert, aber A habe gesagt, er hätte jetzt keine Zeit, er müsse jetzt eilig fort.
    • Jetzt wird es völlig absurd, weil sogar behauptet wird, sie hätten sich getroffen.
    • Unverständliche Erklärung von A
    • Man hat den Eindruck, als würden hier zwei Welten nebeneinander herlaufen, die sich aber nicht wahrnehmen können.
  11. Trotz diesem unverständlichen Verhalten A’s sei aber B doch hier geblieben, um auf A zu warten.
    • Erneute Foltermethode, weil jetzt die Lösung ganz nah zu sein scheint.
  12. Er habe zwar schon oft gefragt, ob A nicht schon wieder zurück sei, befinde sich aber noch oben in A’s Zimmer.
    • Nochmalige Verstärkung
  13. Glücklich darüber, B jetzt noch zu sprechen und ihm alles erklären zu können, läuft A die Treppe hinauf.
    • Erhöhung der Erwartung beim Leser
  14. Schon ist er fast oben, da stolpert er, erleidet eine Sehnenzerrung und fast ohnmächtig vor Schmerz, unfähig sogar zu schreien, nur winselnd im Dunkel hört er, wie B – undeutlich ob in großer Ferne oder knapp neben ihm – wütend die Treppe hinunterstampft und endgültig verschwindet.
    • Ende = mysteriöse Situation, die ins Gespenstische abgleitet.

Deutungshypothese:

Die Erzählung macht sich einen quälenden Spaß daraus, ganz normale Pannenmöglichkeiten des Alltags ins Absurde hineinzusteigern.

Die Geschichte passt in den Gesamtrahmen von Kafkas erzählter Welt, die bis auf wenige Ausnahmen (Der plötzliche Spaziergang) häufig die Brüchigkeit der als normal angenommenen Realität aufzeigen, sehr oft mit der Perspektive des Untergangs (Der Schlag ans Hoftor).

Anmerkung zur Überschrift

Die Geschichte beginnt mit dem programmatischen Satz: „Ein alltäglicher Vorfall: sein Ertragen eine alltägliche Verwirrung.“

Dieser Satz entspringt jedoch einem Lesefehler (bzw. Editionsfehler) Max Brods; in der kritischen Ausgabe (und in den Handschriften) steht nicht „Verwirrung“, sondern „ein alltäglicher Heroismus“.

Daraus lässt sich eine schöne Aufgabe machen, inwieweit diese andere Überschrift auch passen würde.

Unsere Erklärung: Das würde gut passen, weil es die Ironie der Geschichte noch verstärkt und letztlich den Menschen als tragisch-komischen Menschen versteht, der eben in der Verwirrung nur eine eigene Position einnehmen kann – und hier ist es die des „zu retten, was zu retten ist“. Das aber wird auf brutalstmögliche Weise ins Gegenteil verkehrt.

Anregung: Vergleich mit Kafkas Erzählung „Der Dorfschullehrer“

https://schnell-durchblicken.de/franz-kafka-der-dorfschullehrer

 

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