Franz Kafka, „Im Tunnel“ – Tipps zur Analyse (auch: Eisenbahnreisende) (Mat7282-an)

Worum es geht:

Auf der Seite
https://schnell-durchblicken.de/franz-kafka-im-tunnel-auch-eisenbahnreisende-zusammenfassung
haben wir die Geschichte kurz und knapp zusammengefasst.

Hier geht es jetzt um eine genauere Analyse

Vorgestellt wird eine kurze Erzählung von Kafka, die man am besten als Parabel (gleichnisartige Erzählung) für unser Leben als Menschen betrachten kann.

Zu finden ist der Text z.B. hier:

Der Originaltext erscheint in Kursivschrift, unsere Anmerkungen präsentieren wir in blauer Schrift direkt hinter dem Zitat.

Franz Kafka

Im Tunnel

oder auch: Eisenbahnreisende

  • Wir sind, mit dem irdisch befleckten Auge gesehn,
    Gleich zu Beginn geht es um ein „Wir“, gemeint sind wohl alle Menschen.
    Interessant, dass alles, was kommt, eingeschränkt wird:
    „mit dem irdischen Auge gesehen“, d.h. es ist eben unser Blick als Menschen – und wir sind Naturwesen, die die Wirklichkeit nur so sehen, wie wir das können.
    Dass die Wirklichkeit auch anders gesehen werden kann, weiß jeder Hundehalter, denn das Tier nimmt die Umgebung anders wahr.
    Und religiöse Menschen zum Beispiel gehen von einer größeren Wirklichkeit aus.
  • in der Situation von Eisenbahnreisenden,
    Es folgt der zentrale Vergleich in zwei Stufen, einmal auf das Reisen mit der Eisenbahn bezogen, dann auch auf einen Tunnel, was wohl der Aussage mehr entspricht.

    • die in einem langen Tunnel verunglückt sind,
      Das Besondere ist ein Unglück im Tunnel. Etwas seltsam, denn das klingt so, als wäre das Unglück schon geschehen – während es im Text eher um die damit verbundene Entstehungsdynamik geht. Der Titel „Im Tunnel“ passt da eher..
    • und zwar an einer Stelle, wo man das Licht des Anfangs nicht mehr sieht,
      Die Situation wird dann genauer beschrieben, es geht eben nicht um das schon fertig geschehene Unglück, sondern um den schrecklichen Weg dahin.
      Interessant hier wirklich, dass dieser Tunnel möglicherweise endlos gedacht werden muss oder kann.
    • das Licht des Endes aber nur so winzig, dass der Blick es immerfort suchen muss und immerfort verliert,
      Interessant hier, dass das Licht am Ende anders dargestellt wird als das am Anfang. Durch sein Zwischendurch-Verschwinden kommt noch eine weitere Dynamik hinzu.
    • wobei Anfang und Ende nicht einmal sicher sind.
      Dann typisch für Kafka, eine nachträgliche Infragestellung, die wohl nur die Verunsicherung des Ich-Erzählers darstellen soll. Es lohnt sich aber darüber nachzudenken, ob auf der Sach-Ebene, über die noch bei dieser Parabel gesprochen werden muss, das auch eine Rolle spielt.
  • Rings um uns aber haben wir
    • in der Verwirrung der Sinne
    • oder in der Höchstempfindlichkeit der Sinne
      Dann ein genaueres Eingehen auf die Befindlichkeit der Eisenbahnreisenden während dieser Unglücksfahrt.
      Interessant, dass die „Verwirrung der Sinne“ genauso die „Ungeheuer“ hervorruft wie auch die „Höchstempfindlichkeit der Sinne“.
    • lauter Ungeheuer
      Sehr allgemein, aber eindeutig in der Bedeutung des Schrecklichen.
    • und ein je nach der Laune und Verwundung des einzelnen
      • entzückendes
      • oder ermüdendes kaleidoskopisches Spiel.
        Am Ende dann noch mal eine Unterscheidung, nämlich die Möglichkeit, dass Menschen die Situation auch als entzückend empfinden können – andere als ermüdend und als kaleidoskopisch – also ständig sich anders präsentierend.
  • Was soll ich tun?
    • oder: Wozu soll ich es tun?
    • sind keine Fragen dieser Gegenden.
      Am Ende dann nicht mehr das Wir, sondern das Ich und die Frage, was man selbst in der Situation tun kann.
      Interessant das Nebeneinander von Ziel und Begründung des Ziels.
      Am Ende dann auch wieder typisch für Kafka, die totale Infragestellung von allem – eine Art Kapitulation.
Zusammenfassung – Aussagen des Textes

Insgesamt:

  1. eine Parabel, weil hier etwas geschieht, das als gleichnishaftes Bild am besten verstanden werden kann,
  2. das sich auf einen Sachteil bezieht, nämlich auf die Situation des Menschen in der Welt = typisch für Kafka.
  3. Das bedeutet:
    • Wir wissen wenig über uns,
    • ahnen nur einen Anfang und ein Ende, das immer wieder aus dem Blick gerät.
    • Um uns sehen wir Ungeheuer. Damit ist wohl gemeint, dass das Leben eigentlich etwas Ungeheuerliches ist. Das wird einem vor allem bewusst, wenn man mal zum Stillstand kommt.
      Zum Beispiel kann es einem Angst machen, wenn man weiß, dass der Boden, auf dem wir stehen, eigentlich fast nur aus leerem Raum besteht. Gemeint ist, dass die Atome eigentlich vor allem viel Leere enthalten – wie ein Gitter, auf dem man steht – Hunderte von Metern in der Luft.
    • Dabei kann selbst solch ein Leben den einen entzücken, den anderen ermüden, auf jeden Fall ist es facettenreich.
    • Und Fragen zu stellen, lohnt sich eigentlich nicht, meint zumindest der Erzähler.
Sprachliche, rhetorische und literarische Mittel:
  • „mit dem irdisch befleckten Auge“
    Metapher, die deutlich machen soll, dass unser Dasein als Menschen auf der Erde, unsere Sehmöglichkeiten eingeschränkt hat – wie ein Fleck auf der Brille.
  • „der Blick es immerfort suchen muss und immerfort verliert“
    Personifizierung des Blicks – oder auch „Pars pro toto“, d.h. es geht nur um den Blick, während eigentlich unsere ganzen Wahrnehmungsfähigkeiten gemeint sind.
  • „Laune und Verwundung des Einzelnen entzückendes oder ermüdendes “
    Arbeit mit Gegensätzen, die eine Spannweite deutlich machen zwischen Extremen
  • „kaleidoskopisches Spiel“
    Doppelte Metapher: Es ist ein Spiel – und war wie bei einem Kaleidoskop, wo ständig alles anders aussieht.
  • „keine Fragen dieser Gegenden“
    Wieder eine Metapher, aus dem konkreten Ort werden ganz allgemein Gegenden. Anscheinend gibt es noch mehr davon, wo man aus dem Alltag gerissen wird und in eine unsichere Situation kommt.
  • Rhetorisch-literarisch:
    • Ein ausgebauter Bildvergleich,
      der gleich am Anfang eingeschränkt wird mit Hinweis auf nicht-irdische Sichtweisen
    • Auch eine eingebaute Korrektur, dann sogar noch eine nachträgliche:
      „wobei Anfang und Ende nicht einmal sicher sind“
    • Offenes Ende
  • Literarisch
    • Ganz allgemein eine Parabel:
      • Es wird etwas erzählt
      • und dabei wird deutlich,
      • dass damit etwas erklärt werden soll.

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