Gellert – „Der Schatz“ – ein Lehrgedicht der Aufklärung mit einem wichtigen Ratschlag
Gefunden haben wir das Gedicht hier:
Christian Fürchtegott Gellert
Der Schatz
- Ein kranker Vater rief den Sohn.
- »Sohn!« sprach er, »um dich zu versorgen,
- Hab‘ ich vor langer Zeit einst einen Schatz verborgen;
- Er liegt -« Hier starb der Vater schon.
- Wer war bestürzter als der Sohn?
- Ein Schatz! So waren seine Worte.
- Ein Schatz! Allein an welchem Orte?
- Wo find‘ ich ihn? Er schickt nach Leuten aus,
- Die Schätze sollen graben können,
- Durchbricht der Scheuern harte Tennen,
- Durchgräbt den Garten und das Haus,
- Und gräbt doch keinen Schatz heraus.
- Nach viel vergeblichem Bemühen
- Heißt er die Fremden wieder ziehen,
- Sucht selber in dem Hause nach,
- Durchsucht des Vaters Schlafgemach,
- Und find’t mit leichter Müh‘ (wie groß war sein Vergnügen!)
- Ihn unter einer Diele liegen.
- Vielleicht, daß mancher eh‘ die Wahrheit finden sollte,
- Wenn er mit mindrer Müh‘ die Wahrheit suchen wollte.
- Und mancher hätte sie wohl zeitiger entdeckt,
- Wofern er nicht geglaubt, sie wäre tief versteckt.
- Verborgen ist sie wohl; allein nicht so verborgen,
- Daß du der finstern Schriften Wust,
- Um sie zu sehn, mit tausend Sorgen
- Bis auf den Grund durchwühlen mußt.
- Verlaß dich nicht auf fremde Müh‘,
- Such‘ selbst, such‘ aufmerksam, such‘ oft; du findest sie.
- Die Wahrheit, lieber Freund! die alle nötig haben,
- Die uns als Menschen glücklich macht,
- Ward von der weisen Hand, die sie uns zugedacht,
- Nur leicht verdeckt, nicht tief vergraben.
- –
Einleitungssatz:
Das Gedicht „Der Schatz“ von Christian Fürchtegott Gellert ist ein Lehrgedicht der Aufklärung und behandelt die Frage, wie und wo die Wahrheit gefunden werden kann.
Formale Analyse:
- Das Gedicht besteht aus vier Strophen.
- Jede Strophe folgt keiner festen metrischen Struktur und variiert in der Länge der Verse, was dem Inhalt etwas Natürliches und Erzählendes verleiht.+
- Der Reim ist überwiegend paarweise (Paarreim) und trägt zur Fließkraft des Gedichts bei, unterstützt durch eine schlichte, leicht zugängliche Sprache und einen meist regelmäßigen Rhythmus.
Inhaltsangabe:
- In dem Gedicht „Der Schatz“ erzählt ein kranker Vater seinem Sohn von einem versteckten Schatz.
- Noch bevor er ihm den genauen Ort verraten kann, stirbt er.
- Der Sohn beginnt mit großer Anstrengung, das Haus und den Garten zu durchgraben, um den Schatz zu finden, jedoch erfolglos.
- Schließlich findet er den Schatz an einem unerwarteten, leicht zugänglichen Ort.
- In den letzten Versen wird die moralische Botschaft des Gedichts vermittelt:
Die Wahrheit ist verborgen, aber relativ leicht zu finden, wenn man geduldig und mit Augenmaß sucht.
Aussagen des Gedichts:
Das Gedicht zeigt,
- dass die Wahrheit oft einfacher zu finden ist, als man denkt,
- und dass geduldiges, selbstständiges Suchen der Schlüssel zur Erkenntnis ist.
- Es warnt davor, zu viel Aufwand zu betreiben und sich auf andere zu verlassen, um etwas zu finden, das letztlich direkt vor einem liegen könnte.
Sprachliche und rhetorische Mittel:
Gellert nutzt eine erzählende, fast fabelartige Sprache, die die Morallehre verdeutlicht:
- Die Wiederholung von „Ein Schatz!“ in Zeile 6 betont die Sehnsucht des Sohnes und steigert die Spannung.
- Die Metapher „fremde Müh’“ (Z. 27) verdeutlicht, dass man sich bei der Suche nach der Wahrheit auf seine eigene Arbeit verlassen sollte.
- Das „Wühlen“ durch den „Wust“ (Z. 24) symbolisiert die oft übermäßigen Bemühungen der Menschen, die Wahrheit durch komplexe Umwege zu suchen.
- Der Imperativ „Such‘ selbst, such‘ aufmerksam, such‘ oft“ (Z. 28) stellt eine direkte Aufforderung dar und verdeutlicht die Wichtigkeit der Eigenverantwortung.
Typische Merkmale der Aufklärung:
Das Gedicht ist typisch für die Epoche der Aufklärung,
- da es die Vernunft und die Selbstständigkeit des Einzelnen in den Vordergrund stellt.
- In der Aufklärung stand das Streben nach Wissen und Wahrheit, die jedem Menschen zugänglich sind, im Mittelpunkt.
- Die Metapher der leicht verdeckten, aber nicht tief vergrabenen Wahrheit ist ein klassisches Motiv der Aufklärung, das den Wert des Wissens als zugänglich und erlangbar darstellt.
Bedeutung für die heutige Zeit:
- Auch heute hat das Gedicht eine wichtige Aussage:
- In einer Zeit, in der Menschen oft nach schnellen Lösungen und komplexen Erklärungen suchen, erinnert Gellerts Gedicht daran, dass viele Antworten in einfacheren Zusammenhängen liegen.
- Die Aufforderung, geduldig und eigenständig nach der Wahrheit zu suchen, ist nach wie vor wichtig, insbesondere in Zeiten von Informationsüberfluss und zunehmender Abhängigkeit von fremden Meinungen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Gedichte der Aufklärung – kurz vorgestellt
https://textaussage.de/gedichte-der-aufklaerung-ueberblick-und-beispiele - Infos, Tipps und Materialien zur deutschen Literaturgeschichte
https://textaussage.de/deutsche-literaturgeschichte-themenseite
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- Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos