Georg Herwegh, O Freiheit, Freiheit! (Mat5166-off)

1. Einleitung: Verfasser, Titel, Art und Thema

  • Der Verfasser des Gedichts ist Georg Herwegh (1817–1875), ein deutscher Lyriker und Publizist, der der Epoche des Vormärz zugeordnet wird.
  • Herwegh war bekannt für seine politisch aufgeladenen Gedichte, die sich gegen Unterdrückung und für Freiheit und Menschenrechte aussprachen.
  • Thema des Gedichts ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Freiheit:
  • Es thematisiert den wahren Ort und das Wesen der Freiheit, indem es pompöse Äußerlichkeiten ablehnt und stattdessen eine stille, leidvolle, aber echte Freiheit in der Abgeschiedenheit feiert.

2. Äußere Form: Reim und Rhythmus

Das Gedicht ist ein klassisches Sonett, bestehend aus zwei Quartetten (je 4 Verse) und zwei Terzetten (je 3 Verse).

Reimschema:

  • Quartette: abba abba

  • Terzette: cdd cee

Diese Form folgt dem traditionellen italienischen Sonett-Schema.

Metrum:

  1. Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen schallen,
    XxXxXxXxXx
  2. In reichgeschmückten fürstlichen Arkaden –
    xXxXxXxXxXx
    Hier Wechsel vom Trochäus zum Jambus
  3. Freiheit! Du wohnst an einsamen Gestaden
    XxxXxXxXxXx
    Hier vorn eine Rhythmus-Störung, passt zu Freiheit, die sich nicht anpasst.
  4. Und liebst die Stille, wie die Nachtigallen.
    xXxXxXxXxXx
    Wieder der normale Jambus

Der Rest sind dann auch Jamben.

3. Inhaltliche Analyse – Das lyrische Ich und seine Aussagen

Strophe 1 (Z. 1–4)

„Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen schallen,
In reichgeschmückten fürstlichen Arkaden –
Freiheit! Du wohnst an einsamen Gestaden
Und liebst die Stille, wie die Nachtigallen.“

Das lyrische Ich richtet sich direkt an die Freiheit und verneint zunächst, dass diese in prunkvollen, herrschaftlichen Umgebungen existiert. Stattdessen verortet es die Freiheit an einsamen Gestaden (abgelegene Ufer), in der Stille und in der Natur, wie bei den singenden Nachtigallen.

Zwischenfazit: Der Leser wird sofort in einen Kontrast geführt: Freiheit ist nicht dort, wo Macht und Glanz herrschen, sondern in der Zurückgezogenheit und Schlichtheit.


Strophe 2 (Z. 5–8)

„Du fliehest das Geräusch der Marmorhallen,
Wo trunkne Schlemmer sich im Weine baden,
Du läßt in Hütten dich zu Gaste laden,
Wo Tränen in die leeren Becher fallen.“

Die Ablehnung der prunkvollen Welt wird fortgeführt: Die Freiheit meidet die Paläste der Reichen und Mächtigen. Stattdessen wird sie dort willkommen geheißen, wo Menschen in Armut leben – Hütten, in denen Tränen anstelle von Wein fließen.

Zwischenfazit: Freiheit wird als solidarisch mit den Leidenden und Unterdrückten dargestellt. Sie sucht nicht das laute, selbstgefällige Fest, sondern echte Menschlichkeit und Mitgefühl.


Strophe 3 (Z. 9–11)

„Ein Engel nahst du bei verschlossnen Türen,
Stellst lächelnd dich an deiner Treuen Bette
Und horchst der himmlischen Musik der Kette.“

Hier wird Freiheit mit einem Engel verglichen, der sich an das Bett eines „Treuen“ (vermutlich ein politischer Gefangener) stellt und selbst in der Kette noch eine „himmlische Musik“ vernimmt. Die Kette – ein Symbol der Gefangenschaft – wird paradox zur Musik, weil sie für Überzeugung und Treue steht.

Zwischenfazit: Die Freiheit zeigt sich im Widerstand, in der Standhaftigkeit selbst unter schlimmsten Bedingungen. Sie ist eng mit moralischer Größe verbunden.


Strophe 4 (Z. 12–14)

„Nicht stolze Tempel wollen dir gebühren,
Drin wir als Opfer unsern Stolz dir bieten –
Wärst du die Freiheit, wenn wir vor dir knieten?“

Hier wird eine rhetorische Frage gestellt: Kann Freiheit wirklich Freiheit sein, wenn man sich ihr unterwirft? Sie wird nicht in Tempeln verehrt und nicht durch Unterordnung gefeiert.

Zwischenfazit: Wahre Freiheit duldet keinen Kult, keine Verehrung, die in Wahrheit Unterwerfung ist. Sie fordert Selbstachtung statt Demut.


4. Gesamtaussage des Gedichts

Das Gedicht macht deutlich, dass wahre Freiheit nicht in äußeren Symbolen, Reichtum oder Macht zu finden ist. Sie lebt im Stillen, im Leiden, in der Treue zu Überzeugungen, in der Abwesenheit von Pomp und Unterwerfung.
(Z. 1–2, 5–6, 9–11, 12–14)

Man kann hier kritisch fragen, wie realistisch dieses Gedicht ist – es ist wohl mehr Ermunterung und Zuspruch als Hilfe bei der Durchsetzung von mehr Freiheit.

Dazu passt die Kritik von Heine an Herwegh.
Dazu gibt es hier Tipps:
https://textaussage.de/heines-literarische-kritik-an-seinem-dichterkollegen-herwegh


5. Sprachliche und rhetorische Mittel

  • Anapher: „Freiheit, Freiheit!“ (Z. 1) – Verstärkung des Anrufcharakters und Thematisierung der zentralen Idee.

  • Antithese: Prachtvolle Hallen vs. arme Hütten (Z. 1–8) – Kontrast zwischen Schein und Sein.

  • Personifikation: Die Freiheit wird als fühlendes Wesen dargestellt, das „wohnt“, „liebt“, „flieht“, „horcht“ usw.

  • Metapher: „Musik der Kette“ (Z. 11) – Ausdruck der paradoxen Schönheit von Überzeugung trotz Gefangenschaft.

  • Vergleich: „wie die Nachtigallen“ (Z. 4) – romantische Aufwertung der Stille und Einsamkeit.

  • Rhetorische Frage: „Wärst du die Freiheit, wenn wir vor dir knieten?“ (Z. 14) – kritische Hinterfragung von falscher Freiheitsverehrung.

Diese Mittel unterstreichen die Aussagen des Gedichts, indem sie Freiheit emotional aufladen, von Herrschaft abgrenzen und sie ins Menschliche rücken.


6 . Persönliche Erst-Reaktion von Mia, fiktive Schülerin

Dies soll helfen, selbst zu ersten Reaktionen zu kommen, die dann das Gespräch über das Gedicht bereichern können.

  • Mir gefällt, dass das Gedicht ganz anders über Freiheit spricht als sonst – nicht patriotisch, sondern kritisch.

  • Die Bilder von den leeren Bechern und Tränen fand ich sehr eindrucksvoll.

  • Es hat mich traurig gemacht, dass Freiheit anscheinend oft nur bei leidenden Menschen vorkommt.

  • Ich fand es schön, dass die Nachtigall vorkommt – das ist so ein ruhiges, positives Bild.

  • Die letzte Frage hat mich zum Nachdenken gebracht: Ist es wirklich Freiheit, wenn man sich ihr unterwirft?

  • Ich finde es stark, dass das Gedicht auch heute noch eine Bedeutung hat.

  • Manche Wörter waren altmodisch, aber man konnte den Sinn gut verstehen.

  • Ich würde gerne wissen, was Herwegh für ein Mensch war – er klingt rebellisch.

  • Vielleicht könnte man das Gedicht in der Schule mit einem modernen Song über Freiheit vergleichen.

  • Ich würde es nicht freiwillig lesen, aber mit Erklärung fand ich es interessant.