Goethe, „Warum gabst du uns die tiefen Blicke“ – Inhaltsbeschreibung (Mat7328-inhalt)

Worum es hier geht:

  • Man bekommt ein Gedicht und soll den „Inhalt beschreiben“.
  • Wir zeigen, wie das aussieht
  • und zwar am Beispiel des Liebesgedichtes von Goethe
    „Warum gabst du uns die tiefen Blicke?“
    Finden kann man das Gedicht z.B. hier.

Zur Einstimmung verwenden wir dieses Bild von mododeolhar.
Es scheint uns gut zu Goethe und Charlotte von Stein zu passen,
weil die auch eine sehr intensive und zugleich komplizierte Beziehung zueinander hatten.

Der besondere persönliche Hintergrund dieses Gedichtes
  • Normalerweise verzichten wir immer auf diese biografischen Infos,
  • weil wir meinen, dass die Gedichte uns in der Schule wegen ihrer Aussage interessieren sollten.
  • Aber in diesem Falle merkt man schon an der Überschrift
    „An Charlotte von Stein“,
    dass es hier um einen ganz bestimmten Menschen geht, der in Goethes Leben eine besondere Rolle gespielt hat.
Hierzu die wichtigsten Infos
  1. Das Gedicht von Goethe ist berühmt, weil er in darin seine Beziehung zu seiner langjährigen Herzensfreundin Charlotte von Stein poetisch beschreibt.
  2. Das Gedicht wurde am 14.4.1776 verfasst – von Goethe aber zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht. Es war Teil seines Briefaustausches mit seiner Freundin. Es wurde erst 1848 veröffentlicht – 16 Jahre nach Goethes Tod (1827).
  3. Entwicklung der Beziehung:
    • 1775: Goethe wird vom Herzog von Weimar an seinen Hof gerufen und trifft dort auf die verheiratete Hofdame Charlotte von Stein. Sie nähern sich immer mehr an – und daraus wird eine besondere Art von Liebe mit intensivem Briefaustausch.
    • Das Gedicht vom April 1776 spiegelt also Goethes Verständnis ihrer Beziehung.
    • Ausblick: 1786 Goethe bricht – für Charlotte ohne Vorwarnung – nach Italien auf. Seine Freundin ist verletzt und es ergibt sich nicht mehr die alte Harmonie – zumal Goethe in Italien ein neues Leben kennengelernt hat – vor allem auch in sexueller Beziehung.
    • 1788 Goethe kehrt aus Italien zurück und verliebt sich bald in Christiane Vulpius, ein einfaches Mädchen, dessen natürliche Art ihn aber bezaubert. Später bekommt er von ihr sogar einen Sohn.
    • Die Beziehung ist anfangs ein Skandal, wird vom Landesherrn, Goethes Freund, aber unterstützt und geschützt. Er akzeptiert 1806 sogar die Heirat, nachdem Christianes Mut Goethe möglicherweise das Leben gerettet hat, als Soldaten Napoleons Weimar besetzten.

      Charlottes Reaktion auf Goethes Beziehung: Sie verbrannte alle seine Briefe – erst in den letzten Jahren ihres Lebens normalisierte sich die Beziehung wieder etwas.
  4. Fazit:
    Das Gedicht stammt also aus der Anfangszeit der Beziehung – noch ohne die späteren Schwierigkeiten.
  5. Für uns heute ist dieses Gedicht interessant, weil jeder seine eigene reale oder vorgestellte/erträumte Beziehung daran mal messen kann. Vielleicht geht es ja dem einen oder anderen noch besser als Goethe.
KI/MIA: Beschreibung des Inhalts der Strophen

Wir machen das hier so, dass wir

  • zunächst die Strophe zitieren,
  • dann den Vorschlag der KI perplexity.ai präsentieren (in Kursivschrift)
  • und durch unsere MIA
    „Menschliche Intelligenz in Aktion“
    überprüfen und bewerten lassen.

Goethe

An Charlotte von Stein

  1.     Warum gabst du uns die tiefen Blicke,
  2.     Unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun,
  3.     Unsrer Liebe, unserm Erdenglücke
  4.     Wähnend selig nimmer hinzutraun?
  5.     Warum gabst uns, Schicksal, die Gefühle,
  6.     Uns einander in das Herz zu sehn,
  7.     Um durch all die seltenen Gewühle
  8.     Unser wahr Verhältnis auszuspähn?
  • KI: Erste Strophe (Zeilen 1-8):
    Das lyrische Ich hinterfragt die Gabe der tiefen Einsicht und des Ahnungsvermögens. Es stellt die Frage, warum wir die Fähigkeit erhalten haben, in die Zukunft zu blicken und die wahre Natur unserer Beziehungen zu ergründen.
  • MIA:
    • Insgesamt recht gut gemacht. Für eine vertiefte Betrachtung müsste noch geklärt werden.
    • Es müsste geklärt werden, wer das „Du“ ist. Ist es die angeredete Frau oder das Schicksal.
    • Vom Gesamttenor her favorisieren wir die zweite Variante – dieses Gedicht richtet sich an höhere Gewalten.
    • Nicht aufgenommen wird auch der Unterschied zwischen „ahndungsvoll“ und „wähnend“, was den möglichen Irrtum hervorhebt.
    • Am Ende dann noch „Gefühle“, die trotz der „Gewühlte“ ins Herz sehen zu lassen.
  1. Ach, so viele tausend Menschen kennen,
  2. Dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz,
  3. Schweben zwecklos hin und her und rennen
  4. Hoffungslos in unversehnem Schmerz;
  5. Jauchzen wieder, wenn der schnellen Freuden
  6. Unerwart’te Morgenröte tagt.
  7. Nur uns armen liebevollen beiden
  8. Ist das wechselseit’ge Glück versagt,
  9. Uns zu lieben, ohn uns zu verstehen,
  10. In dem andern sehn, was er nie war,
  11. Immer frisch auf Traumglück auszugehen
  12. Und zu schwanken auch in Traumgefahr.
  • KI: zweite Strophe (Zeilen 9-20):
    Hier reflektiert das lyrische Ich über den Kontrast zwischen der Masse der Menschen, die unbewusst durchs Leben gehen, und dem eigenen Schicksal. Es beklagt, dass ihm und seinem Gegenüber das Glück versagt bleibt, sich zu lieben, ohne sich wirklich zu verstehen.
  • MIA:
    • Auch hier wieder eine sehr gute Zusammenfassung, die all die Schwierigkeiten, die sich im Detail ergeben, geschickt glattbügelt.
    • Hier könnte man noch aufnehmen, dass es bei den anderen Menschen einen Wechsel gibt zwischen Schmerz und Freuden.
    • Dann die erstaunliche Feststellung, dass den beiden dem gegenüber „das wechselseit’ge Glück versagt“ ist. Vom Kontext her geht es in die Richtung, dass es diesen Glückswechsel bei ihnen nicht gibt.
    • Es folgen aber noch einige Erklärungen, die das vertiefen, zugleich nicht einfach zu verstehen sind.
      • „Uns zu lieben, ohn uns zu verstehen,“
        Hier wird zwischen Lieben und Verstehen unterschieden, ohne dass das näher erklärt wird, was auch schwierig ist.
        Dagegen sprechen die Zeilen
        Zeile 8: Hier allerdings möglicherweise auf ein Gefühls-Verständnis beschränkt.
        Zeile 31: Diese Zeile geht allerdings über ein Gefühls-Verstehen hinaus.
      • „In dem andern sehn, was er nie war,“
        Hier geht es anscheinend um Missverständnisse bei der gegenseitigen Einschätzung.
        Am meisten Sinn ergibt sich, wenn man das auf das vorher erwähnte „verstehen“ bezieht.
      • „Immer frisch auf Traumglück auszugehen“
        Man wünscht sich ein Glück, das nur im Traum Realität werden kann.
      • „Und zu schwanken auch in Traumgefahr.“
        Auf jeden Fall sind diese Glücksträume potenziell gefährlich und führen zum Schwanken.
  • Man merkt hier, wie das lyrische Ich mit den Gefühlen und den Gedanken ringt und am Ende nur deutlich wird, dass die beiden anscheinend hin und her gerissen sind zwischen Wünschen nach Vollkommenheit des Miteinanders und der begrenzten Realität.
  • Wenn man den biografischen Kontext berücksichtigt, ist das vielleicht der einfachen Tatsachen geschuldet, dass Goethe mit einer verheirateten Frau keinen normalen Sex haben durfte/konnte – so dass er erst bei Christiane später eine Art sexuelle Ermattungsvollkommenheit erlebte.
  1. Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt!
  2. Glücklich, dem die Ahndung eitel wär!
  3. Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt
  4. Traum und Ahndung leider uns noch mehr.
  5. Sag, was will das Schicksal uns bereiten?
  6. Sag, wie band es uns so rein genau?
  7. Ach, du warst in abgelebten Zeiten
  8. Meine Schwester oder meine Frau.
  • KI: Dritte Strophe (Zeilen 21-28):
    Das lyrische Ich betrachtet die Illusion des Glücks und die Realität der Vorahnung. Es stellt fest, dass jede Gegenwart und jeder Blick die Träume und Ahnungen bestätigt. Schließlich wirft es die Frage auf, ob eine tiefere Verbindung aus vergangenen Leben besteht.
  • MIA:
    • Auch hier eine gute Lösung.
    • Allerdings ist das „beschäftigt“ wohl wichtig, weil es einen einfach von den tieferen Gedanken abhält, mit denen sich das lyrische Ich herumquält.
    • In 22 dann wieder das Glück der anderen, zwischen „glücklich“ und „eitel“ = Enttäuschung zumindest wechseln zu dürfen.
    • Bei den hier Liebenden verstärkt sich aber das Spannungsgefühl, das durch die tiefen Blicke ausgelöst wird.
    • Man merkt, dass das anscheinend ein Zentrum des Unterschiedes zwischen den beiden und den anderen ist.
    • Dann wieder die Wendung ans Schicksal, das hier zwei Menschen zusammengebunden hat, die nur in „abgelebten Zeiten“ (in früheren Phasen der ständigen Wiedergeburt?) direkt familiär oder durch Eheschließung natürlich verbunden waren.
  1. Kanntest jeden Zug in meinem Wesen,
  2. Spähtest, wie die reinste Nerve klingt,
  3. Konntest mich mit einem Blicke lesen,
  4. Den so schwer ein sterblich Aug durchdringt;
  5. Tropftest Mäßigung dem heißen Blute,
  6. Richtetest den wilden irren Lauf,
  7. Und in deinen Engelsarmen ruhte
  8. Die zerstörte Brust sich wieder auf;
  9. Hieltest zauberleicht ihn angebunden
  10. Und vergaukeltest ihm manchen Tag.
  11. Welche Seligkeit glich jenen Wonnestunden,
  12. Da er dankbar dir zu Füßen lag,
  13. Fühlt‘ sein Herz an deinem Herzen schwellen,
  14. Fühlte sich in deinem Auge gut,
  15. Alle seine Sinnen sich erhellen
  16. Und beruhigen sein brausend Blut!
  • KI: Vierte Strophe (Zeilen 29-44):
    In dieser Strophe erinnert sich das lyrische Ich an eine vergangene, tiefe Verbindung. Es beschreibt, wie das Gegenüber es vollkommen verstand, beruhigte und aufrichtete. Die Erinnerung an diese Wonnestunden und das Gefühl der Geborgenheit wird lebendig.
  • MIA:
    • Hier geht es um die positiven Einflüsse, die vom Gegenüber auf das lyrische Ich übergehen:
      • Jetzt doch anscheinend Verständnis, was vorher ausgeschlossen worden ist (Zeile 8 und Zeile 17)
        Möglicherweise muss man zwischen Gefühls-Verständnis und Verstandes-Verständnis unterscheiden.
      • Dann die Beruhigung, die eine große Rolle spielte in der Sturm-und-Drang-Zeit Goethes in Weimar.
      • Das wird dann genauer ausgeführt in durchaus angedeuteter zumindest Umarmungs-Körperlichkeit.
  1. Und von allem dem schwebt ein Erinnern
  2. Nur noch um das ungewisse Herz,
  3. Fühlt die alte Wahrheit ewig gleich im Innern,
  4. Und der neue Zustand wird ihm Schmerz.
  5. Und wir scheinen uns nur halb beseelet,
  6. Dämmernd ist um uns der hellste Tag.
  7. Glücklich, daß das Schicksal, das uns quälet,
  8. Uns doch nicht verändern mag!
  • KI: Fünfte Strophe (Zeilen 45-52):
    Zum Schluss reflektiert das lyrische Ich über die gegenwärtige Situation. Es spürt nur noch einen Hauch der Erinnerung an die frühere Verbindung, während die neue Realität schmerzhaft ist. Trotz des Leids findet es Trost in der Unveränderlichkeit des Schicksals.
  • MIA
    • Hier ist plötzlich nur noch von einem „Erinnern“ die Rede, so dass man ohne Kenntnis der Entstehungszeit auf eine spätere Konfliktbewältigung schließen könnte.
    • Auf jeden Fall endet das Gedicht in Ungewissheit, Schmerz und halber Beseelung, so dass der hellste Tag abgedunkelt wird.
    • Erst am Ende eine Art Aufbäumen, bei dem man dem Schicksal sowohl die Qual als auch eine gewisse innere Stabilität zutraut – eben doch die tiefen Blicke als Geschenk annimmt.
      • vgl. Tasso V,5: „Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, / Gab mir ein Gott, zu sagen wie ich leide
        https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Goethe,_Elegie,_Motto.jpg
      • Vielleicht auch eine Vorwegnahme der Schiller-Idee von der „schönen Seele“, die sich ihrem Schicksal stellt und sich innerlich bewahrt.

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