Grillparzer, „An den Mond“ (Mat2159)

Worum es hier geht:

Franz Grillparzer gehört nicht zu den Dichtern, die einem bei der Romantik als erstes einfallen. Umso interessanter ist es sicherlich, mal zu schauen, wie er mit den entsprechenden Motiven umgeht.

Äußere Form des Gedichtes
  • 6 Strophen mit jeweils 4 Verszeilen
  • durchgehender Kreuzreim
  • dementsprechend regelmäßige Abfolge von weiblichen und männlichen Versschlüssen
  • 4 hebiger Trochäus
Der Titel

Grillparzer

An den Mond

  • Im Titel taucht schon ein Schlüsselmotiv der Romantik auf, der Mond mit seiner Beziehung zur Nacht und seinen besonderen Lichteffekten.
  • Dazu kommt die Sprechhaltung der Anrede.
1. Strophe

Wandle, wandle, holder Schimmer!

Wandle über Flur und Au,

Gleitend, wie ein kühner Schwimmer,

In des stillen Meeres Blau.

  • Schon in der ersten Zeile spielen in einer besonderen Anrede an den Mond Lichteffekte eine Rolle, die mit schönen Gefühlen verbunden werden („holder Schimmer“).
  • Ansonsten wird das Wandermotiv der Romantik in gehobener Sprache („wandeln“) aufgenommen und auf den Mond bzw. sein Licht bezogen.
  • In der zweiten Hälfte wird der wahrscheinlich noch vorhandene Blau-Schimmer des Himmels herangezogen, um den Mond als einen Schwimmer zu betrachten, wobei aus dem „wandeln“ ein „schwimmen“ wird und mit dem „kühner“ dem Mond ein eher ungewöhnliches Attribut zugeordnet wird.
2. Strophe

Sanft im Silberglanze schwebest

Du so still durchs Wolkenmeer,

Und durch deinen Blick belebest

Du die Gegend rings umher.

  • Das Motiv des Schwimmens wird in der 2. Strophe beibehalten, aber eindeutiger wieder dem Himmel zugeordnet („Wolkenmeer“).
  • Wieder spielen Lichteffekte eine Rolle, diesmal das Silberne, das häufig auf den Mond und seinen Glanz bezogen wird.
  • In der zweiten Hälfte wird dem Mond und seinem Licht eine belebende Wirkung zugeschrieben, wobei der Blick des Betrachters erstaunlicherweise dem Mond zugeordnet wird, der damit in besonderer Weise vermenschlicht wird.

3. Strophe

Manchen drücket schwerer Kummer,

Manchen lastet Qual und Pein;

Doch du wiegst in sanften Schlummer

Tröstend ihn, voll Mitleid, ein.

  • Die dritte Strophe wendet sich dann den Menschen zu, die „schwerer Kummer“ drückt oder auch eine andere – erste mal unbestimmte – „Last und Pein“.
  • Die zweite Hälfte spricht dem Mond dann eine beruhigende, tröstende, fast heilende Wirkung zu (vgl. Heilschlaf), verbunden mit „Mitleid“. Man hat hier fast den Eindruck, dass der Mond hier eine mütterliche oder auch väterliche Haltung einnimmt.

4. Strophe

Sanfter, als die heiße Sonne,

Winkt dein Schimmer Ruh und Freud,

Und erfüllt mit süßer Wonne,

Tröstung und Vergessenheit.

  • Die vierte Strophe bringt den für die Romantik typischen Vergleich zwischen Tag und Nacht.
  • Hier geht es allerdings weniger um die Betriebsamkeit, die unter der Sonne stattfindet, sondern diese selbst wird als eher unangenehm empfunden, weil sie zu viel Wärme bis hin zur Hitze ausstrahlt.
  • Danach gibt es eine Aufzählung positiver Effekte, von „Ruh und Freud“ bis hin zu „Tröstung und Vergessenheit“.
  • Das mag eine Anspielung sein auf das, was das menschliche Gehirn besonders mit Träumen, die hier allerdings nicht explizit erwähnt werden, an Aufräumleistung erbringt, wozu eben auch das Vergessen gehört.
5. Strophe

Hüllst in dichtbewachsnen Lauben

Mit der sanften Fantasie

Ganz den Dichter; machst ihn glauben,

Seine Muse weiche nie.

  • Die fünfte Strophe wendet sich dann einer speziellen Berufsgruppe, nämlich dem Dichter zu.
  • Hier darf man wohl annehmen, dass das lyrische Ich etwas ausdrückt, was Grillparzer auch als Dichter empfindet oder sich wünscht.
  • Es fantasiert sich hier in einen typische romantischen Raum hinein, der der „sanften Fantasie“ Platz und Gelegenheit schafft.
  • In der zweiten Hälfte der Strophe taucht dann das Motiv des Belebenden aus der 2. Strophe wieder auf und wird hier auf die künstlerische Kreativität bezogen.
  • Es bleibt offen, was das „machst ihn glauben“ bedeutet. Ob es sich um Realität oder nur einen Glauben handelt.
6. Strophe

Und auch mich hast du begeistert,

Der ich dir dies Liedchen sang,

Meiner Seele dich bemeistert,

Da mein Lied sich aufwärts schwang!

  • Die letzte Strophe macht dann die ganze Sache rund, indem das Gedicht in den poetischen Raum zurückverwandelt wird und als Ergebnis eines besonderen Moments präsentiert wird, wenn auch nur als „Liedchen“.
  • Entscheidend ist dem lyrischen Ich und indirekt wohl dem Dichter, dass der Mond sich seiner Seele „bemeistert“ hat, also einen positiven, erhebenden Einfluss ausgeübt hat.
  • Die Abwärtsbewegung des Mondblicks und seines Schimmers wird am Ende in eine Aufwärtsbewegung verwandelt. Das passt gut zum „Meister“ und soll wohl andeuten, dass hier etwas Besonderes geschehen und entstanden ist, das ganz im Sinne der Zeit eine Annäherung an das Höhere, an Ideale darstellt.

Den 14ten August 1804

  • Die Datumsangabe am Ende macht den Erlebnischarakter des Gedichtes deutlich.
Aussage(n), Intentionalität des Gedichtes:

Das Gedicht zeigt

  • die Bedeutung des Mondes in der Romantik,
  • seine belebende
  • beruhigende, tröstende Kraft, bis hin zum Vergessen.
  • Im zweiten Teil geht es dann um die Poesie, zu der der Mond anregt.
  • Vielleicht soll sogar angedeutet werden, dass im Gesang auch Sorgen verlorengehen, was die eigene Schaffenskraft angeht.
Unterstützung der Aussagen durch sprachlich/künstlerische Mittel

 

  • Die Wiederholung des Imperativs am Anfang: „Wandle, wandle“ bis hin zur Anapher
  • Später auch die Wiederholung von „Manchen“ und „Manchen“ – hier ganz eindeutig Anapher und vor allem Parallelismus
  • Der Vergleich der Lichtwirkung mit einem Schwimmer im Wolkenmeer
  • Die Personifikation bei „beleben“
  • Gegensatz von „Kummer“ und „Mitleid“
  • Vergleich mit der Sonne
  • Die Verbindung von Abwärtsbewegung am Anfang beim Mondlicht mit der Aufwärtsbewegung der poetischen Wirkung im Menschen

Weitere Infos, Tipps und Materialien