Andreas Gryphius, „Einsamkeit“ (Mat2724)

Worum es hier geht:

Anmerkungen zum Gedicht „Einsamkeit“ von Andreas Gryphius (Barockgedicht)

Gefunden haben wir das Gedicht z.B. hier.

In der äußeren Form und in der Rechtschreibung haben wir das Gedicht angepasst.


Titel und 1. Strophe (Quartett)

Andreas Gryphius

Einsamkeit

  • Die Überschrift ist sehr allgemein gehalten. Deutlich wird nur, dass es um eine Situation geht, in der jemand allein ist und das auch fühlt.

  • In dieser Einsamkeit, der mehr denn öden Wüsten,
  • Gestreckt auf wildes Kraut, an die bemooste See:
  • Beschau ich jenes Tal und dieser Felsen Höh‘,
  • Auf welchem Eulen nur und stille Vögel nisten.
    • Zu Beginn des Gedichtes beschreibt das lyrische Ich kurz seine reale oder gefühlte Umgebung.
    • Es handelt sich um eine Kombination von Einsamkeit, Wüste und Öde.
    • Das Ausmaß des Wüstencharakters wird dann sogar noch durch das „mehr denn“ hervorgehoben.
    • Nach der Beschreibung der weiteren Umgebung geht es in der nächsten Zeile um die unmittelbare Situation des lyrischen Ichss. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man sich das im Einzelnen konkret vorstellen kann. Vielmehr sollen wohl nur Akzente gesetzt werden, die den unangenehmen Eindruck verstärken.
    • „Wildes Kraut“ bedeutet, dass hier nichts wächst, was man nutzen kann. Und „Kraut“ geht wohl noch in die Richtung Unkraut, also ein Stück Land, das man hier erst mal etwas urbar machen müsste, um überhaupt etwas anbauen zu können.
    • Noch seltsamer ist die Verbindung von Moos und See. Beides gehört normalerweise nicht zusammen. Aber es ergibt sich hier ein ähnlicher Effekt: Wenn ein See oder die See Moos enthält, so kann das die Fortbewegung hindern. Das wiederholt den Eindruck der Nicht-Nutzbarkeit.
    • Die letzten beiden Zeilen wenden sich dann wieder der weiteren Umgebung zu. Auch hier bleibt es bei allgemeinen Eindrücken. Wichtig ist dem lyrischen Ich Wohl wohl, dass es hier zwar Lebewesen gibt, die aber jedes auf seine Art und Weise stumm sind. Das verstärkt natürlich den Eindruck der Einsamkeit.

2. Strophe (Quartett)
  • Hier, fern von dem Palast; weit von des Pöbels Lüsten,
  • Betracht‘ ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh‘,
  • Wie, auf nicht festem Grund all unser Hoffen steh‘,
  • Wie die vor Abend schmähn, die vor dem Tag uns grüßten.
    • In dieser Strophe wird die äußerliche Einsamkeit erstaunlicherweise plötzlich positiv gesehen. Das lyrische Ich fühlt sich nämlich fern von den Orten der Macht und des Glanzes. Aber es fühlt sich auch fern von dem, woran die breite Masse Spaß hat.
    • Wenn in der nächsten Zeile von Betrachtung die Rede ist, hat das nichts zu tun mit sehen. Vielmehr ist nachdenken gemeint. Und das bezieht sich auf ein Kernelement der Barockzeit, nämlich das Vergehen des Menschen und zwar in Eitelkeit, d.h. in einem falschen Verhalten sich selbst gegenüber und der Welt gegenüber.
    • In der nächsten Zeile bezieht das lyrische Ich sich dann allerdings mit ein und verweist auf eine allgemeine Hoffnungslosigkeit beziehungsweise zumindest das Verschwinden der Hoffnung.
    • In der letzten Zeile wird das dann ebenso überraschend verbunden mit den problematischem Verhalten von Menschen. Es geht um eine Veränderung im Verhalten und zwar im Kontakt mit anderen Menschen. Hervorgehoben wird, dass man am Abend von jemandem „verschmäht“, also nicht mehr geachtet oder beachtet wird.
    • Das tut natürlich weh, dass man nicht mehr geachtet wird, während das morgens noch ganz anders aussah.
    • Wichtig ist, dass dieses Grüßen eben in der damaligen Zeit ein Ausdruck von bewusste Wahrnehmung und Achtung war. Dementsprechend gab es immer wieder Zeiten, in denen des Grüßen verbunden wurde mit dem Abnehmen der Kopfbedeckung. Diese galt als Zeichen der Würde des Mannes. Wenn man die Kopfbedeckung also abnimmt, macht man sich gegenüber dem anderen gewissermaßen kleiner.

3. Strophe (Terzett)
  • Die Höll‘, der rauhe Wald, der Totenkopf, der Stein,
  • Den auch die Zeit auffrisst, die abgezehrten Bein‘
  • Entwerfen in dem Mut unzählige Gedanken.
    • Die dritte Strophe präsentiert eine Fülle zum Teil negativer Bilder, denen eines gemein ist, nämlich die Vergänglichkeit.
    • Das lyrische Ich fügt nur noch hinzu, dass all das bei ihm unzählige Gedanken hervorruft.
    • Ganz offensichtlich ist die Einsamkeit ein Ort der Besinnung – dementsprechend auch die Distanz zu dem, was Menschen normalerweise umtreibt.

4. Strophe (Terzett)
  • Der Mauern alter Graus, dies unbebaute Land
  • Ist schön und fruchtbar mir, der eigentlich erkannt,
  • dass alles, ohn‘ ein‘ Geist, den Gott selbst hält, muss wanken.
    • Das lyrische Ich geht noch mal auf die wüstenhafte Umgebung ein. Das wird jetzt etwas konkreter. Es geht offensichtlich um eine Ruinenlandschaft, verbunden mit dem, was es in der damaligen Zeit viel gab, nämlich unbebautes Land. Das könnte zum Beispiel ein Ergebnis eines Kriegszug sein, bei dem die Bevölkerung ausgerottet worden ist oder zumindest das Land sich selbst überlassen hat.
    • Das lyrische Ich betont aber, dass diese Gegend ihm selbst schön und fruchtbar vorkommt. Letzteres bezieht sich natürlich auf das Aufkommen entsprechender Gedanken.
    • Das Ende des Gedichtes betont dann die entscheidende Erkenntnis oder auch Grundhaltung des lyrischen Ichs: Wertvoll ist nur das, das von dem göttlichen Geist bestimmt sein muss, den der Mensch von seinem Schöpfer bekommen hat.
Das Gedicht zeigt.
  • Präsentiert wird die Sicht auf einsame Natur.
  • Die ermöglicht den typisch barocken Blick auf die menschliche Existenz.
  • Letztlich läuft alles auf den Impuls hinaus, sich um die Beziehung zu Gott zu kümmern.

Zur Form des Gedichtes siehe:
https://www.einfach-gezeigt.de/barock-gedichtform-sonett-alexandriner

Weitere Infos, Tipps und Materialien