Worum es hier geht:
Präsentiert wird ein Gedicht Heines, das im Unterschied zu anderen Gedichten dieses Dichters keinen überraschenden Schluss enthält. Darüber kann man gut nachdenken – und gerade vor dem Hintergrund dieses Eindrucks versteht man das Gedicht noch besser.
Gefunden haben wir das Gedicht hier.
Mit deinen blauen Augen
Siehst du mich lieblich an,
- Das Gedicht beginnt mit der Feststellung des Lyrischen Ichs, dass sein Gegenüber – und bei Heine dürfen wir hier wohl von einer Frau ausgehen – es „lieblich“ anschaut. Im Hinterkopf sollte man behalten, dass das ein Signal ist, das auf typische Geschlechterverhältnisse in früherer Zeit hindeutet.
- Die „blauen Augen“ stehen wir wohl für eine bestimmte Art von schlichter, ehrlicher Schönheit, wie man sich das im 19. Jahrhundert eben so vorstellte. Man kann natürlich auch von Klischees sprechen.
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Da ward mir so träumend zu Sinne,
Dass ich nicht sprechen kann.
- Die zweite Hälfte der ersten Strophe beschreibt dann die Reaktion des Lyrischen Ichs. Es wendet sich nicht dem Gegenüber zu, sondern bezieht sich auf sich selbst und sein Inneres, das zu träumen beginnt und wohl eher die Sinne für die Außenwelt verliert.
- Man wundert sich als Leser dann auch nicht, dass ausdrücklich vom Verstummen die Rede ist – Kommunikation findet nicht statt.
- Zwischenfazit: Hier geht etwas ab zwischen zwei Menschen, das tief auf der Gefühlsebene verankert wird.
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An deinen blauen Augen
Gedenk’ ich allerwärts:
- Die zweite Strophe setzt zwar wieder bei den „blauen Augen“ des Gegenübers an,
- aber landet dann schon beim „Gedenk“(en), was eher etwas Distanziertes ist, dem Gegenüber jedenfalls nicht näher kommt.
- Und „allerwärts“ ist sicher auch nicht das, was das weibliche Gegenüber sich vorgestellt hat, wenn es wirkliches Interesse am Lyrischen Ich haben sollte.
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Ein Meer von blauen Gedanken
Ergießt sich über mein Herz.
- Im zweiten Teil ist dann auch nicht mehr vom Gegenüber die Rede,
- stattdessen wird aus den „blauen Augen“ so in einer Art Anregung ein „Meer von blauen Gedanken“ – doch wohl im Lyrischen Ich, ohne jeden sonstigen Bezug zum Gegenüber.
- Das Meer dieser wohl subjektiven Gedanken überschwemmt dann geradezu das Herz des Lyrischen Ichs, also sein Inneres.
Fazit – Intentionalität
Das Gedicht zeigt
- die Stärke eines Außen-Impulses zwischen zwei Menschen,
- der dann aber anscheinend nur bei dem Getroffenen Wirkung zeigt,
- zumindest wird nur darüber noch berichtet.
- Das Gegenüber wird weitgehend ausgeblendet
- und das Lyrische Ich wendet sich dem Irgendwo zu.
- Auch Kommunikation findet nicht statt.
- Am Ende steht ein wahrscheinlich positives Gefühl,
- aber eben auch der völlige Bezug auf sich selbst.
Insgesamt ein Gedicht, das Liebe oder zumindest eine ihrer Vorstufen eher als auf sich selbst bezogenes Gefühl versteht, das sich mehr der Weite zuwendet und damit einer unbestimmten Sehnsucht (man denke an die Bedeutung der Farbe Blau in der Romantik) als dem (möglichen) Partner.
Als Leser kann einem die Frau mit den blauen Augen nur leid tun, es sei denn, man denkt sich selbst eine Strophe hinzu.
Die könnte zum Beispiel beginnen mit:
„Doch dann, o welch ein Wunder“.
Die Frage des fehlenden Schlusses
Wie oben angesprochen könnte man sich und anderen die Frage stellen:
Fehlt dem Gedicht nicht am Ende irgendetwas Überraschendes, wie das bei anderen Texten Heines der Fall ist?
https://textaussage.de/schnell-durchblicken-bei-heinrich-heine-ich-wollte-bei-dir-weilen
- Mit deinen blauen Augen
- Siehst du mich lieblich an,
- Da wird mir so träumend zu Sinne,
- Dass ich nicht sprechen kann.
- Hier beschreibt das lyrische Ich die Wirkung der „blauen Augen“ eines wahrscheinlich weiblichen Gegenübers.
- Das führt zu einer Art Traum, verbunden mit Sprachlosigkeit.
- Witzig wäre es, wenn das Gedicht an dieser Stelle abbrechen würde.
- An deine blauen Augen
- Gedenk ich allerwärts; –
- Ein Meer von blauen Gedanken
- Ergießt sich über mein Herz.
- Stattdessen spricht das lyrische Ich weiter – und beschreibt eine Art Fernwirkung der Augen, verbunden mit noch mehr Überwältigung.
Irgendwie hat man hier wirklich das Gefühl, dass da noch etwas fehlt. Dabei hat das Ende der ersten Strophe ja schon eine Möglichkeit eines „geistreichen“ Schlusses angedeutet. Man gerät ins Träumen – und vergisst dann, dass man sich gerade erklärt hat – vollkommen aufgegangen in Gedanken und Gefühlen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Heine, die wichtigsten Gedichte – Themenseite
https://textaussage.de/heine-die-wichtigsten-gedichte
— - Liebesgedichte: Sammlung mit Infos und Verweisen zu Tipps:
https://textaussage.de/sammlung-von-liebesgedichten
—
- Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos