Bemerkenswert: Der Roman „Der Untertan“ von Heinrich Mann und die Frage, ob man Beziehungen wie Kochtöpfe behandeln kann (Mat5488)

Worum es hier geht:

  • In der Reihe „Bemerkenswert“ sammeln wir interessante Textstellen aus der Literatur, bei denen man erst mal
  • ins Staunen gerät und
  • dann vielleicht auch Lust hat, sich darüber mal auszutauschen.

In diesem Falle geht es um die Seite 207 in der EBook-Ausgabe von Heinrich Manns Roman „Der Untertan“, die wir bei Amazon im Kindle-Format kostenlos erwerben konnten.

Zu der von uns verwendeten Werkausgabe

Auf der folgenden Seite gibt es eine Übersicht, mit der man unsere Ebook-Seiten umrechnen kann in die Fischer-Taschenbuchausgabe.

https://textaussage.de/heinrich-mann-untertan-umrechnung-der-seiten

Wenn eine andere Ausgabe verwendet wird, einfach einen entsprechenden Kommentar abgeben – wir schauen dann, was wir machen könnten.
https://textaussage.de/schnelle-hilfe-bei-aufgaben-im-deutschunterricht

Das Video, das man sich auch ansehen kann

Wir haben die Textstelle auch in einem Video vorgestellt.

Wer sich das ansehen möchte, findet es hier:

Videolink

Hier auch die Dokumentation:

Mat5488vf Bemerkenswert Untertan Beziehungen Kochtöpfe

Hier wird das Video automatisch gestartet, hoffen wir mal 😉

https://humix.com/0shdIWZRBc2

Die Textstelle auf S. 207 mit unseren Kommentaren

»Sehen Sie«, begann Buck unvermutet, »meine Braut: die gehört auch zu meinen Fragen an das Schicksal.«

  • Interessant, wie hier die Frage der Braut mit dem Schicksal verbunden wird – aber nicht als Antwort, sondern als Frage.

Und da Diederich »Wieso?« fragte:
»Wenn ich nämlich wirklich ein Netziger Rechtsanwalt bin, dann ist Guste Dairchen bei mir vollkommen an ihrem Platz. Aber weiß ich das? Für – andere Fälle, die in meiner Existenz eintreten könnten, habe ich nun drüben in Berlin noch eine zweite Verbindung …«

  • Hier wird das genauer erklärt – und zwar im Sinne des größtmöglichen Egoismus.  Man möchte sich die Option freihalten, die für die jeweilige Situation am meisten zu bieten hat.

»Ich habe gehört: eine Schauspielerin.« Diederich errötete für Buck, der das so zynisch eingestand. »Das heißt«, stammelte er, »ich will nichts gesagt haben.«

  • Hier geht jetzt das eigene Interesse in eine andere Richtung: Buck möchte zwar jemanden haben, der ihm vor Ort die Braut gewissermaßen frei hält, aber er ist aber nicht glücklich darüber, dass jemand mehr über sein Liebesleben weiß, als unbedingt notwendig ist.

»Also Sie wissen«, schloß Buck. »Jetzt ist die Sache die, daß ich vorläufig dort hänge und mich um Guste nicht so viel bekümmern kann, wie ich müßte. Möchten Sie sich da nicht des guten Mädchens ein wenig annehmen?« fragte er harmlos und gelassen.
»Ich soll -«
»Sozusagen den Kochtopf hier und da ein bißchen umrühren, worin ich Wurst und Kohl am Feuer zu stehen habe – indes ich selbst noch draußen beschäftigt bin. Wir haben doch Sympathie füreinander.«

  • Aktuell geht der Akzent in Richtung in Richtung Berlin – die Verlobte in Netzig ist nur 2. Wahl und soll nur ausreichend warm gehalten werden.
  • Wie das konkret aussehen soll und wohin das führen kann, bleibt unklar.

»Danke«, sagte Diederich kühl. »So weit reicht meine Sympathie allerdings nicht. Beauftragen Sie sonst jemand. Ich denke denn doch etwas ernster über das Leben.« Und er ließ Buck stehen.

  • Diederich reagiert hier ganz normal und hat keine Lust, sich auf eine solche Angelegenheit einzulassen.
  • Wenn man den Roman an der Stelle weiterliest und überhaupt den Charakter dieser Figur durchschaut hat, weiß man allerdings, dass es sich um eine sehr vordergründige Moral handelt. Es geht um bestimmte Normen des Ehe- und Familienlebens, die einfach nicht hinterfragt werden dürfen und zumindest nach außen hin ausgelebt bzw. demonstriert werden müssen.

Die Frage der Aktualität der Textstelle

  • Natürlich spielen heute die moralischen Vorstellungen der Kaiserzeit nicht mehr in gleicher Weise eine Rolle wie damals.
  • Allerdings lohnt es sich sicher, über Beziehungsfragen auch unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit nachzudenken. Ganz nebenbei kann man durchaus lesen oder auch sonst erfahren, dass zum Beispiel bei höheren Positionen in Unternehmen darauf geachtet wird, ob die Gattin – und heute sicher auch der Gatte – ausreichend „bella figura“ machen bei Geschäftskontakten.
  • Außerdem gibt es sicher auch Karrierebestrebungen, die zu Konflikten führen können, was das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit oder auch die Frage der Familiengründung angeht.
  • Die Frage allerdings, ob man sich ganz gezielt Beziehungen warm halten kann und sollte, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Darüber wird in der Regel wohl nicht so offen gesprochen wie in diesem satirischen, also zum Teil auch „überzeichnenden“ Roman.
  • Letztlich sind das sehr „in Liebesdingen“ sehr persönliche Fragen, die jeder und auch jedes Paar für sich selbst klären und entscheiden muss.
  • Interessant ist es aber auf jeden Fall, wenn die Literatur einem gewissermaßen überdeutlich den Spiegel vorhält – und man sich dann fragt, wie weit das Bild dort dem entspricht, das man von sich selbst hält.

Zum Schluss sei noch auf das Zitat aus Schillers Gedicht „Die Glocke“ verwiesen, das zur sprichwörtlichen Wendung geworden ist.

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet, / ob er nicht auch was Besseres findet.“

Näheres dazu kann man hier finden.

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