Im Folgenden interpretieren wir ein Gedicht von Hermann Hesse, das 1911 entstanden sein soll.
Wir haben es hier gefunden.
Der Titel
Hermann Hesse
Gegenüber von Afrika
- Der Titel klingt erst mal recht ungewöhnlich.
- Er soll wohl einen Ort und eine Situation beschreiben, wo man zumindest mit dem inneren Auge einen Sehnsuchtsort sieht
- Afrika steht also für ein Ziel, das möglicherweise nie vollkommen erreicht wird, aber einen immer wieder zumindest kurzzeitig glücklich macht und weiter vorantreibt – so wird es im Gedicht zumindest deutlich.
Zeile 1-3
- In den Zeilen 1-3 ein Lob des Zuhause-Seins mit seinen entsprechenden Vorteilen.
- Dann mitten in Zeile 3 der Stoßseufzler: „Aber ach,“ als Einstieg in ganz andere Situationen und Gefühle.
Zeilen 4-8
- In den darauffolgenden Zeilen 4-8 wird die Situation geschildert, wenn man vom Wandern wieder nach Hause zurückgekehrt ist und einen die Ferne bald wieder lockt.
- Dann wird ein Vergleich gezogen, der das „Heimweh“ in Kauf nimmt, wenn man dafür „unter den hohen Sternen“ mit seiner „Sehnsucht“ allein sein kann. Erstaunlich ist hier, dass das lyrische Ich gar nicht glaubt, in der Ferne ein Ziel erreicht zu haben – aber es scheint ihm auf jeden Fall besser, wenigstens unterwegs zu sein.
Zeilen 9-15
- In den Zeilen 9 bis 16 wird dann noch einmal verglichen, wobei die beiden Situationen des Zuhause-Seins und des Unterwegs-Seins noch einmal präziser beschrieben werden.
- Dem Zuhausebleiben werden „Haben und rasten“ zugeordnet. Das erscheint nicht ganz konsequent, weil das „rasten“ ja eigentlich ein Luftholen beim Unterwegssein darstellt. Notwendig dafür ist für das lyrische Ich ein „Herz“, das „gelassen schlägt“, also eine ganz bestimmte innere Einstellung.
- Das Wandern wird durchaus mit „Mühsal und Reisebeschwer“ verbunden, sogar mit „immer getäuschter Hoffnung“, was der bleibenden Sehnsucht in Zeile 8 entspricht.
- Aber „alle Wanderqual“ erscheint dem lyrischen Ich leichter als „Friede finden im Heimattal“.
- Noch einmal wird deutlich gemacht, dass man „in heimischen Freuden und Sorgen“ nur sein „Glück zu bauen weiß“, wenn man ein Weiser ist. Das entspricht dem weiter oben erwähnten gelassenen Herzen.
Zeilen 17-18
Das Gedicht schließt (17-18) mit einem persönlichen Bekenntnis des lyrischen Ichs, lieber „suchen und nie zu finden“, als „mich eng und warm an das Nahe zu binden.“
Das ist einfach eine Wertentscheidung, die jeder für sich treffen muss.
- Es folgt in 19-20 eine Begründung, die darauf hinausläuft, dass man „auch im Glücke“ nur „ein Gast und niemals ein Bürger werden“ kann.
- Die Frage des Reisens oder Nicht-Reisens wird hier also ganz allgemein auf die Frage des Glücks übertragen. So wie man in ihm nie endgültig bleiben kann, so soll man wohl zumindest das kurzzeitige Glück, das das Reisen bietet, für sich nutzen.
Das Gedicht zeigt
- Dass die Heimat und damit das Zuhause-Bleiben durchaus seinen Reiz haben kann,
- Dass dazu aber eine bestimmte innere Voraussetzung nötig ist, nämlich dass das „Herz gelassen schlägt“.
- Offensichtlich ordnet sich das lyrische Ich den Menschen zu, die von einer inneren Ruhe- und Rastlosigkeit getrieben werden, die – wohl im romantischen Sinne – als „Sehnsucht“ bezeichnet wird.
- Dabei wird durchaus anerkannt, dass das Unterwegssein mit vielen negativen Begleiterscheinungen verbunden ist, aber dem lyrischen Ich reicht es, wenn es „unter den hohen Sternen“ mit „seiner Sehnsucht allein“ ist.
- Letztlich geht es um eine innere Befindlichkeit, die am Ende aber im Hinblick auf das „Glück“ legitimiert wird, denn auch dort gebe es keine Genuss-Dauer, sondern nur ein kurzzeitiges Genießen als „Gast“.
Zuordnung der sprachlichen und rhetorischen Mittel
- Das Gedicht zeigt die innere Zerrissenheit und Sehnsucht nach Ferne, die den Menschen antreibt, trotz der Sicherheit und Geborgenheit der Heimat immer wieder nach neuen Horizonten zu streben.
- Es thematisiert den Gegensatz zwischen der Verlockung des Wanderns und der vermeintlichen Ruhe des Sesshaften, wobei es eine klare Präferenz für die Suche und das Unvollendete ausdrückt.
1. Die Spannung zwischen Heimat und Ferne
- „Heimathaben ist gut, / Süß der Schlummer unter eigenem Dach“
Rhetorisches Mittel: Alliteration („Heimathaben“), Symbolik („eigenes Dach“)
Funktion: Diese Verse beschreiben die vermeintliche Geborgenheit und Ruhe, die das sesshafte Leben bieten kann. Das Symbol „eigenes Dach“ steht für Schutz und Heimat. Die Alliteration verstärkt die harmonische Wirkung. - „Aber ach, / Kaum hast du vom letzten Wandern geruht, / Geht dir die Ferne mit neuer Verlockung nach.“
Rhetorisches Mittel: Antithese (Ruhe vs. Verlockung der Ferne), Personifikation („die Ferne mit neuer Verlockung nachgeht“)
Funktion: Der Bruch („Aber ach“) verdeutlicht die Unruhe des lyrischen Ichs. Die Ferne wird personifiziert, was die Dringlichkeit und Unentrinnbarkeit dieser Sehnsucht verstärkt.
2. Die Wertschätzung des Wanderns
- „Besser ist Heimweh leiden / Und unter den hohen Sternen allein / Mit seiner Sehnsucht sein.“
Rhetorisches Mittel: Vergleich („Besser ist … als“), Metapher („unter den hohen Sternen allein“)
Funktion: Das Wandern wird dem Verweilen in der Heimat vorgezogen. Die Sterne symbolisieren die Weite und Unendlichkeit der Welt, unter denen das lyrische Ich seinen Platz sucht. - „Denn auch im Glücke kann ich auf Erden / Doch nur ein Gast und niemals ein Bürger werden.“
Rhetorisches Mittel: Metapher („Gast“ vs. „Bürger“), Gegensatz („im Glücke“ und „auf Erden“)
Funktion: Das lyrische Ich beschreibt seine Entfremdung. Selbst im Glück fühlt es sich auf Erden als Fremder, was den transzendenten Charakter der Sehnsucht unterstreicht.
3. Kritik an der Sesshaftigkeit
- „Leichter wahrlich ist alle Wanderqual, / Leichter als Friede finden im Heimattal.“
Rhetorisches Mittel: Hyperbel (übertriebene Darstellung der Wanderqual), Wiederholung („Leichter“)
Funktion: Die Rastlosigkeit des Wanderns wird trotz ihrer Mühsal positiv bewertet, da das Finden von Frieden in der Heimat als schwieriger dargestellt wird. - „Wo in heimischen Freuden und Sorgen Kreis / Nur der Weise sein Glück zu bauen weiß.“
Rhetorisches Mittel: Metonymie („Freuden und Sorgen Kreis“), Kontrast (Weiser vs. Unruhe)
Funktion: Nur der Weise, ein idealisierter Mensch, kann in der Heimat Glück finden. Das lyrische Ich grenzt sich hier ab, um seine eigene Lebensweise als bewusste Wahl zu rechtfertigen.
4. Die philosophische Botschaft
- „Mir ist besser, zu suchen und nie zu finden, / Statt mich eng und warm an das Nahe zu binden.“
Rhetorisches Mittel: Parallelismus („zu suchen und nie zu finden“), Antithese („zu suchen“ vs. „zu binden“)
Funktion: Die Zeilen verdeutlichen die Kernbotschaft des Gedichts: Das Streben nach Ferne und der offene Weg sind wertvoller als das Finden von Sicherheit und Geborgenheit. - „Doch nur ein Gast und niemals ein Bürger werden.“
Rhetorisches Mittel: Antithese (Gast vs. Bürger), Symbolik („Gast“ als Fremdheit)
Funktion: Diese Aussage verleiht dem Gedicht eine existenzielle Tiefe und zeigt die Unmöglichkeit, auf Erden vollkommen heimisch zu sein.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Reisegedichte – unterwegs sein
https://textaussage.de/reisegedichte-themenseite
— - Reisegedichte: Heimat und Fremde
https://textaussage.de/thema-reisegedichte-teilthema-heimat-und-fremde
— - Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos
—