Schmerzliche Trennung in der Perspektive der Barock-Zeit
- Das folgende Gedicht haben wir hier gefunden.#
- Wir denken, dass es zeigt, wie „menschlich“ es auch in dieser Epoche zugehen konnte.
- Es könnte reizvoll sein, die Haltung in unsere heutige Zeit zu übersetzen
- und dann natürlich gerne auch kritisch zu diskutieren.
— - Bei dem Gedicht handelt sich um ein lyrisches Liebesgedicht, das den Schmerz und die Enttäuschung des lyrischen Ichs über die Untreue seiner Geliebten thematisiert.
Johann Christian Günther
Abschied von seiner ungetreuen Liebsten
- Wie gedacht,
- Vor geliebt, jetzt ausgelacht. [Erst geliebt …]]
- Gestern in den Schoß gerissen, [Gemeint ist hier wohl: an sich gerissen]
- Heute von der Brust geschmissen,
- Morgen in die Gruft gebracht.
- Wie gedacht,
- Vor geliebt, jetzt ausgelacht.
- Strophe 1: Das lyrische Ich zeigt die Vergänglichkeit der Liebe auf – gestern noch geliebt, heute verachtet, morgen vielleicht vergessen oder tot (Z. 1–5).
- Dieses ist
- Aller Jungfern Hinterlist:
- Viel versprechen, wenig halten;
- Sie entzünden und erkalten
- Öfters, eh ein Tag verfließt.
- Dieses ist
- Aller Jungfern Hinterlist. [die Hinterlist aller jungen Frauen]
- Strophe 2: Frauen seien unzuverlässig und hielten ihre Versprechen nicht (Z. 8–14).
- Dein Betrug,
- Falsche Seele, macht mich klug;
- Keine soll mich mehr umfassen,
- Keine soll mich mehr verlassen,
- Einmal ist fürwahr genug. [Einmal ist auf jeden Fall genug]
- Dein Betrug,
- Falsche Seele, macht mich klug.
- Strophe 3: Die Untreue der Geliebten hat das lyrische Ich klüger gemacht – er will sich nicht mehr verlieben (Z. 15–21).
- Denke nur,
- Ungetreue Kreatur,
- Denke, sag ich, nur zurücke
- Und betrachte deine Tücke [Tücke, vgl. Heimtücke, Hinterlist, Betrug]
- Und erwäge deinen Schwur. [und denke an deinen Schwur, dein Versprechen]
- Denke nur,
- Ungetreue Kreatur!
- Hast du nicht
- Ein Gewissen, das dich sticht,
- Wenn die Treue meines Herzens,
- Wenn die Größe meines Schmerzens
- Deinem Wechsel widerspricht? [im Gegensatz zu deiner schnellen Gefühlsänderung]
- Hast du nicht
- Ein Gewissen, das dich sticht?
- Strophe 4–5: Die Geliebte soll über ihre eigene Falschheit nachdenken und sich fragen, ob sie kein schlechtes Gewissen hat (Z. 22–35).
- Bringt mein Kuss
- Dir so eilends Überdruss, [kein Genuss mehr, weil man zu viel davon hatte]
- Ei so geh und küsse diesen,
- Welcher dir sein Geld gewiesen, [wer dir mehr Geld, Wohlstand versprochen]]
- Das dich wahrlich blenden muss,
- Bringt mein Kuss
- Dir so eilends Überdruss.
- Strophe 6: Das lyrische Ich vermutet, dass die Frau ihn aus finanziellen Gründen verlassen hat – sie solle doch den anderen Mann küssen, der sie mit Geld beeindruckt (Z. 36–42).
- Bin ich arm,
- Dieses macht mir wenig Harm; [Schmerz]
- Tugend steckt nicht in dem Beutel,
- Gold und Schmuck macht nur die Scheitel, [das Äußerliche]
- Aber nicht die Liebe warm.
- Bin ich arm,
- Dieses macht mir wenig Harm.
- Strophe 7: Hier zeigt das lyrische Ich Selbstbewusstsein.
- Und wie bald
- Misst die Schönheit die Gestalt! [wohl im Sinne von „vermisst“]
- Rühmst du gleich von deiner Farbe, [Bist du auch stolz auf …]
- Dass sie ihres gleichen darbe, [dass sie nichts Vergleichbares hat]
- Auch die Rosen werden alt.
- Und wie bald
- Misst die Schönheit die Gestalt!
- Strophe 8: Typisch für die Barockzeit: Hinweis auf den Verfall aller frühen Schönheit.
- Weg mit dir,
- Falsches Herze, weg von mir!
- Ich zerreiße deine Kette,
- Denn die kluge Henriette
- Stellet mir was Bessers für. [hat mir mehr zu bieten]
- Weg mit dir,
- Falsches Herze, weg von mir!
- Strophe 9: Schönheit vergeht, Geld allein macht keine Liebe – das lyrische Ich entscheidet sich, seine Ex zu vergessen und wendet sich einer neuen Frau, Henriette, zu (Z. 43–63
Zentrale Aussagen des Gedichts
Das Gedicht macht deutlich, dass:
- Liebe vergänglich ist und Enttäuschung dazugehört.
- Frauen unzuverlässig und berechnend sein können (aus der Sicht des lyrischen Ichs).
- Wahre Liebe nichts mit Geld oder Schönheit zu tun hat.
- Der Schmerz über den Betrug das lyrische Ich klüger macht – es entscheidet sich bewusst gegen weitere Liebesbeziehungen.
- Am Ende dennoch ein Neuanfang möglich ist.
Sprachliche und rhetorische Mittel
- Reihungen („Wie gedacht“, „Dieses ist“, „Dein Betrug“ in den Strophenanfängen) → verstärken die Klage und die Wiederholung der Enttäuschung.
- Gegensätze („Vor geliebt, jetzt ausgelacht“, Z. 2) → zeigen die abrupte Veränderung der Gefühle.
- Metaphern („Ungetreue Kreatur“, Z. 23) → dramatisieren die Untreue der Geliebten.
- Rhetorische Fragen („Hast du nicht ein Gewissen, das dich sticht?“, Z. 30) → appellieren an die Moral der Ex-Geliebten.
- Ironie („Denn die kluge Henriette stellet mir was Bessers für“, Z. 60–61) → der abschließende Triumph über die verlorene Liebe.
6. Bedeutung und Relevanz
- Das Gedicht ist ein typisches Beispiel für barocke Liebeslyrik:
- Es zeigt sowohl die Vergänglichkeit der Liebe als auch eine Mischung aus Klage und moralischer Belehrung.
- Die Perspektive des betrogenen Liebhabers könnte auch heute noch relevant sein, da Themen wie Treue, Enttäuschung und finanzielle Interessen in Beziehungen zeitlos sind.
- Das Gedicht überzeugt durch seine klare Struktur, die eindringlichen Wiederholungen und den emotionalen Ausdruck.
- Die Sprache ist zwar barocktypisch etwas übertrieben, aber das macht den Charme des Gedichts aus. Der Wechsel von Schmerz zu Ironie am Ende gibt dem Text eine interessante Wendung.
Mias persönliche Reaktion
Hier zeigen wir, wie eine junge Frau von heute auf das Gedicht reagieren könnte.
- Interessant, aber auch sehr klagend – fast ein wenig übertrieben dramatisch.
- Das Motiv der „ungetreuen Frau“ wirkt sehr einseitig – warum ist er nicht selbstkritischer?
- Die Wiederholungen geben dem Gedicht einen starken Rhythmus, das gefällt mir.
- Die Metapher mit dem „Gewissen, das sticht“ ist schön – man kann sich das richtig vorstellen.
- Die Wende am Ende mit Henriette ist lustig – als würde er sich doch noch trösten können.
- Der Wechsel zwischen echter Trauer und sarkastischer Ironie macht das Gedicht spannend.
- Die Kritik an Frauen ist nicht mehr zeitgemäß, aber typisch für die Zeit.
- Mich würde interessieren, wie seine „Henriette“ wirklich ist – oder ist das nur Trotz?
- Der Klang der Verse ist schön, es lässt sich gut vorlesen.
- Insgesamt ein gelungenes Gedicht, aber es wirkt fast wie ein theatralischer Monolog.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Barock, bsd. Lyrik
https://textaussage.de/lyrik-der-epoche-des-barock-themenseite
— - Barock – die wichtigsten Gedichte
https://textaussage.de/barock-die-wichtigsten-gedichte
— - Infos, Tipps und Materialien zur deutschen Literaturgeschichte
https://textaussage.de/deutsche-literaturgeschichte-themenseite
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