Karl Krolow, Drei Orangen, zwei Zitronen – Gedicht mit Triggerwarnung ( Mat2323)

Schwer verständliches Gedicht – warum nicht mal kreativ kontern?

Hierzu gibt es inzwischen auch ein Video, das hier zu finden ist.

Videolink

Hier die Sprungstellen zu den einzelnen Teilen des Videos
0:00 Thema 0:50 gelöschte Stellen 1:18 Triggerwarnung 2:00 Empfindungen 2:52 Strophe 4 3.32 Schluss 4:52 Fazit Warnung 5:18 Kreative Lösung 5:35 ChatGPT-Bilder 7:25 Zusammenfassung 8:12 Doku

ebenso wie die Dokumentation. Die stellen wir hier schon mal zur Verfügung.

Mat2323 pcf Karl Krolow, Drei Orangen, zwei Zitronen – Gedicht mit Triggerwarnung

Aus urheberrechtlichen Gründen präsentieren wir hier nur die Textstellen, die Kopfschmerzen bei Schülis bereiten können – und zwar mehr als sonst schon bei Gedichten üblich 🙁

Komplett zu finden ist das Gedicht hier.

Wir selbst haben schon Hunderte von Gedichten interpretiert, nicht immer gleich optimal, aber doch insgesamt recht erfolgreich.

Mit diesem Dichter aber haben wir Schwierigkeiten – schon der Name löst bei uns ungute Gefühle aus.

Dafür kann der Dichter natürlich nichts – aber er steht für eine Schreibweise, die wir nicht mögen.

Man nennt sie „hermetisch“, d.h. abgeschlossen – und wir sind der Meinung: Gedichte dürfen verschlossen sein – aber dann sollen sie das auch bleiben – oder man geht spielerisch mit ihnen um.

Aber das ist normalerweise nicht das Besondere am Deutschunterricht – der ist auf Verständigung aus zwischen Gedicht und Mensch.

Wir lösen das Problem auf zweierlei Weise:

  1. Mit einer Triggerwarnung
    Nach dem Motto: „Wenn du schon unter Gedichten leidest, dann mach um dieses Gedicht einen Bogen.“
  2. Oder alternativ mit „Gegenhermetik“ – nach dem Motto: „Lieber Herr Krolow. Danke für das Gedicht – wir haben zwar den Inhalt nicht verstanden, wohl aber die Sache mit der „Hermetik“ – und deshalb probieren wir auch mal so etwas.

Nach dieser langen Einleitung nun aber zur Sache.

Da Herr Krolow noch nicht 70 Jahre tot ist, halten wir uns mit einer kompletten Präsentation des Gedichtes zurück.

Man kann es erfreulicherweise hier finden:
https://www.planetlyrik.de/karl-krolow-gedichte-und-poetologische-texte/2012/10/

Also am besten schnell ausdrucken – und entsprechend mitlesen.

Die erste Strophe zitieren wir komplett – dann merkt man, was Hermetik ist und warum sie im Deutschunterricht eine „Triggerwarnung“ braucht – oder Lust auf Kreativität.

Hier nun die vier Zeilen – und dazwischen die Leserlenkung, die wir in uns spüren:

  1. Drei Orangen, zwei Zitronen: −
    • Okay, das ist das, was das lyrische Ich sieht oder sich vorstellt.
    • Erinnert ein bisschen an eine bestimmte Form der Malerei, die man „Stillleben“ nennt.
    • Nicht sehr spannend, aber okay.
  2. Bald nicht mehr verborgne Gleichung,
    • Gleichung?
    • Verborgen?
    • Aber es wird ja Hoffnung angedeutet. Das Geheimnis steht anscheinend vor seiner Lüftung.
    • Hoffentlich noch im Gedicht.
  3. Formeln, die die Luft bewohnen,
    • Gleichungen haben etwas mit Formeln zu tun.
    • Aber wieso bewohnen sie die Luft?
    • Die Früchte lagen doch eben noch auf dem Tisch?
  4. Algebra der reifen Früchte!
    • Algebra – passt zu Formeln bzw. Gleichungen.
    • Aber was haben die „reifen Früchte“ damit zu tun?
    • Wenn diese Strophe morgens am Frühstückstisch – oder nach dem Deutschunterricht zu Hause vorgetragen wird – macht wahrscheinlich Mitleid sich breit.

Bei den weiteren Strophen präsentieren wir nur die Beschreibung des Inhalts, so wie ChatGPT sie für uns erstellt hat.

Dazwischen der übliche MIA-Kommentar.

  • „Die zweite Strophe beschreibt die Umgebung: ein „wespengelber Mittag“ (Z. 5), in dem alle Wesen lautlos existieren.“
    • Das kann man als Gefühl am Mittag auf der Terrasse vor einem Tisch mit Obst nachvollziehen.
  • In der dritten Strophe erscheint die Stille als eine Art grüne, schwebende Präsenz („Die Stille kommt mit Flügeln“, Z. 10), was eine poetische Personifikation ist.
    • Das ist auch eine Empfindung, die ein fantasievoller Mensch haben kann – aber in der Regel für sich behalten muss, wenn er kein Stirnrunzeln auslösen will bei weniger poetischen Wesen.
  • In der vierten Strophe wird der Himmel als „blaues Auge“ (Z. 13) dargestellt, das wach über den Herzen bleibt – ein symbolisches Bild für eine allsehende Natur oder eine göttliche Instanz.
    • Hier hebt das lyrische Ich endgültig ab – aber ChatGPT zeigt uns, wie man damit umgehen kann.
  • Die letzte Strophe kehrt zum Ausgangspunkt zurück („Drei Orangen, zwei Zitronen“, Z. 17) und beschreibt eine stille, schnelle sakrale Atmosphäre, in der die Zeit stillzustehen scheint.
    • Hier müssen wir die ganze Strophe noch mal zitieren, sonst versteht man das hier nicht:
      • Drei Orangen, zwei Zitronen: −
        • Rückkehr zum Ausgangspunkt – okay.
      • Mathematisches Entzücken,
        • Entzücken im Hinblick auf Mathematik – in der Schule eher selten – aber ein Dichter darf auch solche Gefühle haben.
      • Mittagsschrift aus leichten Zonen!
        • Bei der Mittagsschrift kann man an eine Geschichte aus der Bibel denken, wo einem König aus alten Zeiten der Untergang vorausgesagt wird – und wozu Heine ein Gedicht geschrieben hat („Belsazar“) – aber wir schweifen ab. Die Zeile selbst müssen wir tolerant akzeptieren – und das kommt ja von lateinisch „leiden“.
      • Zunge schweigt bei Zunge. doch
      • Alter Sinn gurrt wie ein Tauber.
        • Hier spätestens schweigen wir doch ziemlich verstört – die Zeile mit der Doppelzunge würde wohl in der Schreibwerkstatt nicht so einfach akzeptiert werden – und einige Mitschülis würden dabei an andere Dinge denken.
        • Und auch die letzte Zeile – irgendwie muss hier jemand zeigen, dass er sich weit vom normalen Sprachgebrauch entfernt.

Viel wichtiger:

  • Wir stellen fest.
  • Alle Anfangshoffnungen waren vergebens.
  • Ein paar Beobachtungen und Gefühle konnte man nachvollziehen.
  • Aber bei der letzten Zeile denken wir an das Kommunikationsquadrat und die interessante Seite „Selbstkundgabe“ und stellen fest:
    Hier hat ein Dichter am Ende anscheinend beschrieben, wie er seinen ganzen Text charakterisiert: als „Gurren“ eines „Taubers“, womit in diesem Zusammenhang wohl eine männliche Taube gemeint ist.

Zur Abrundung: ChatGPT-Interpretation

Wir zitieren hier, was ChatGPT uns angeboten hat und kommentieren das auch wieder.

Für den Deutschunterricht hat das aber kaum Bedeutung, denn kein normaler Schüli kommt auf das hier – dafür ist der Anfangsschrecken viel zu groß.

  • Das Gedicht betont eine verborgene Ordnung in der Natur, die sich in Zahlen und mathematischen Prinzipien äußert (Z. 2–4, Z. 18).
    • MIA: Das wird nicht jeder nachvollziehen können und wollen.
  • Die Natur erscheint als stiller, harmonischer Organismus, in dem Farben und Elemente sanft miteinander verschmelzen (Z. 5–12).
    • MIA: Spätestens wenn ein Erdbeben ausbricht oder ein Tsunami Urlauber überschwemmt, wird man dem nicht folgen wollen.
  • Stille und Zeitlosigkeit prägen die Wahrnehmung dieser Szenerie (Z. 10, Z. 20).
    • MIA: Tja, leider wird das Anfangsversprechen nicht eingelöst – und solch eine „Zeitlosigkeit“ mögen wir eher nicht.
  • Es gibt eine tiefe Verbindung zwischen der äußeren Natur und einer übergeordneten, schnellen metaphysischen Ordnung („Wunder, schwankend unter Blättern“, Z. 16).
    • MIA: So kann man das sehen – muss es aber nicht.
    • MIA: Fazit:
      Jeder darf sich gerne was zurechtdenken, aber das sollte auf der Angebotsebene bleiben – und hat in den Interpretationszwängen des Deutschunterrichts eher eine abschreckende Wirkung – siehe die Triggerwarnung am Anfang.

Rettung in Kreativität:

Nachdem wir gezeigt haben, dass man sich bei diesem Gedicht nicht allzu viel Mühe als Schüli geben sollte, um irgendetwas an sinnvoll nachvollziehbarem Verständnis herauszuarbeiten, zeigen wir doch einfach, wie man selbst auf der gleichen Poesie-Ebene mitspielen kann.

Man blickt sich im Klassen- oder Kursraum um und „gurrt“ fröhlich vor sich in:

  • Ein Kartenständer und ein nasser Schwamm
  • Sinnbild einer unerfüllten Liebe?
  • Oder nur eine Ahnung von den Grenzen des Raums.
  • Oder vielleicht eine verhinderte Ellipse?

Wir hoffen, damit einen schönen Ausweg aus dem Hermetik-Dilemma geboten zu haben. Wer Lust hat, mag das fortsetzen oder sich was eigenes ausdenken – viel Erfolg.

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