Keine Angst mehr vor Kurzgeschichten (Mat127)

Worum es hier geht.

  • Kurzgeschichten sind, wie der Name schon sagt zunächst einmal
    • Geschichten
    • und zwar ausgedachte Geschichten.
      Der Verfasser der Geschichte unten ist einer der Lehrer, die unter Pseudonym Geschichten schreiben – und diese hat er schon mit Blick auf den Einsatz im Unterricht verfasst. Er wollte mit dieser Geschichte sensibilisieren.
    • Und sie sind kurz.
  • Und mit der Kürze hängt dann noch zusammen, dass nur ein Ausschnitt aus dem Leben einer oder mehrerer Person erzählt wird.
    • Auch das wird an der Geschichte unten deutlich: Es geht hier zunächst um wenige Sekunden, vielleicht Minuten – und winzige Momente, in denen man sich falsch entschieden hat.
  • Das kann man schön an dieser Skizze des Lichtkegels einer Taschenlampe sehen:
    • Beleuchtet ist nur ein bestimmter Zeitabschnitt.
    • Links in die Vergangenheit müsste auch noch ein bisschen Licht scheinen – denn die Zeit vor diesem Lebensausschnitt spielt natürlich in die Geschichte rein.
      • In diesem Falle erfahren wir über die Vergangenheit nichts, weil sie für das kurze Kerngeschehen ohne Bedeutung ist.
      • Es geht eben um einen kurzen Moment, den man natürlich in einer Fortsetzung der Geschichte in Richtung Vergangenheit ausdehnen könnte – etwa in der Weise, dass die Familie, die im Auto sitzt, später schuldbewusst diskutiert.
      • Oder aber die Leidtragenden erfahren von dem Fehlverhalten und erinnern dann an frühere Rücksichtslosigkeit – mit dem Ergebnis: Es reicht jetzt – für diese Freundschaft.
    • Das kann man vielleicht besser an einem Wolkenbild sehen.
    • Auf jeden Fall ist die Zukunft natürlich stärker ungewiss als die Vergangenheit – aber auch hier wirkt natürlich das hinein, was in der Geschichte präsentiert wird.

Hier nun ein Wolkenbild – mit „Blick“ in die Vergangenheit.

  • Dieses Wolkenbild besteht aus einem Hauptteil rechts, der allerdings noch schwach verbunden ist mit dem Teil links – das wäre dann die Vergangenheit, die in den aktuellen Zeitraum der Handlung hineinreicht.

Weitere Kennzeichen der Kurzgeschichte

  • Typisch für eine Kurzgeschichte ist also der direkte Einstieg.
  • Allerdings wird dann meistens in einem zweiten Schritt einiges aus der Vergangenheit erzählt, das für die Handlung wichtig ist.
  • Diese läuft meistens auf einen Wendepunkt hinaus. Der wird aber nicht mehr erzählt.
    • Dieser Wendepunkt könnte entweder eine Änderung des egoistischen Verhaltens bedeuten.
    • Oder aber auch das Ende der Freundschaft.
  • Das ist das typische offene Ende einer Kurzgeschichte.
  • Deshalb gibt es auch viele Aufgaben, in denen dann eine Kurzgeschichte weiter erzählt werden soll.
    • Oben ist schon einiges deutlich gemacht worden, von dem aus man weitererzählen kann.

Beispielgeschichte

Wir haben diese Geschichte mal in ihre Bestandteile zerlegt. Dann kann man besser zeigen, was wir oben erklärt haben.

Hajo Frerichs,

Zu schnell – zu langsam

  1. Sie waren schon stundenlang gefahren und nun froh, bald zu Hause zu sein. Aber dann kam eben doch, was an solchen Tagen einfach kommen musste. Wenige Kilometer vor dem Ziel ein Stau. Die Rettungsgasse sah vorbildlich aus.
    • Hier haben wir einen typischen direkten Einstieg. Meistens ist er erkennbar, dass nicht näher auf die Personen eingegangen wird – sie werden nur genannt, häufig ohne Namen.
  2. Sie wollten schon anhalten, als der Wagen vor ihnen einfach weiterfuhr. Weit und breit kein Rettungswagen und auch kein Martinshorn. Also hängten sie sich einfach dran.
    • Beginn der eigentlichen Handlung: Man lässt sich zu Fehlverhalten animieren, denkt nur an sich.
  3. Es war eine Entscheidung von Sekunden.
    • Eine nähere Erklärung – wohl aus der Perspektive des Erzählers. Er kommentiert nicht, sondern weist nur auf einen bestimmten Aspekt des Geschehens hin.
      Wichtig für die Schuldfrage hinterher. Es ist wirklich tragisch, wenn etwas mehr oder weniger unüberlegt passiert.
  4. Hinter der Kurve dann war die Rettungsgasse plötzlich nicht mehr frei. Jemand war anscheinend dabei, noch seinen Wagen irgendwie an den Rand zu bekommen. Das musste doch schneller gehen, also einfach mal auf die Hupe gedrückt. Aber das machte den Fahrer wohl nur noch mehr nervös und es dauerte noch länger.
    • Hier wird es jetzt noch übler – denn man nutzt nicht nur einfach freien Raum, sondern stört auch noch die, die sich besser verhalten.
  5. Und dann hatte man es plötzlich im Rücken, das Blaulicht  und auch das zugehörige Tatütata.
  6. Inzwischen war die Gasse wieder frei. Jetzt noch selbst eine Lücke suchen, in die man sich hätte stellen können, das hätte zu lange gedauert, also einfach weiterfahren.
    • Das kann man erst mal scheinbar nachvollziehen – aber man verstopft dafür möglicherweise später die Gasse.
  7. Links und rechts böse Gesichter, sogar Stinkefinger. Dann hatte man die Unfallstelle erreicht. Glücklicherweise waren dort alle so beschäftigt, dass sie sich nur für das Feuerwehrfahrzeug hinten ihnen interessierten und nicht für sie.
    • Hier wird Kritik der anderen deutlich, die das Verhalten der Durchfahrenden nicht richtig finden.
  8. Das war noch einmal gut gegangen.
    • Hier nimmt der Erzähler die Perspektive der Personen ein, die in dem durchfahrenden Auto sitzen.
  9. Abends dann der Anruf von Anja, Peter sei verunglückt. Die Feuerwehr hätte zu lange gebraucht, um ihn aus dem Auto zu schneiden. Die Polizei suche noch nach den Fahrern der Autos, die die Rettungsgasse missbraucht hätten, um schneller voran zu kommen.
    • Jetzt wird es erst mal persönlich – das passt dazu, dass jetzt das wirklich Wichtige kommt.
    • Dann der kurze Bericht über etwas, an dem man selbst mehr oder weniger beteiligt war. Auf jeden Fall hat man sich egoistisch verhalten.
    • Am Ende dann zwei Blicke in die Zukunft:
      • einen direkten: Die Polizei könnte ihre Autonummer bekommen haben.
      • Und das würde zugleich bedeuten, dass sie gegenüber ihren Freunden ihre tragische Mitschuld nicht verschweigen können.
      • Wenn die Polizei sie nicht findet, bleiben sie zumindest mit einem gewissen Schuldgefühl allein.

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