Klausur Goethe, „Werther“, Brief vom 15. November (Mat8680)

Worum es hier geht:

Präsentiert wird eine Klausuraufgabe zu einem Brief aus Goethes „Die Leiden des jungen Werther“.

Hier Text und Aufgabenstellung – weiter unten eine gegliederte Vorstellung des Briefes:

Vorschau

Druckvorlage

Mat8680 Klausur Goethe Werther Brief vom 15. November

Gegliederte Vorstellung des Briefes

Klausur

  1. Analysieren Sie Werthers Brief „Am 15. September“ (siehe unten), indem Sie
    • die inhaltlichen Voraussetzungen klären,
    • dann den Inhalt beschreiben,
    • das Aussagepotenzial des Briefes herausarbeiten
    • und zeigen, mit welchen Mitteln es unterstützt wird.
  2. Nehmen Sie Stellung zu der These, dass dieser Brief in besonderer Weise die Kennzeichen der Epoche des Sturm und Drang deutlich werden lässt.

Quelle: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 6, Hamburg 1948 ff, S. 60-124.  Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004853393

Der Text

Am 15. November

  1. Ich danke dir, Wilhelm, für deinen herzlichen Anteil, für deinen wohlmeinenden Rat und bitte dich, ruhig zu sein.
    • Kommunikationssituation: Wilhelm hat offensichtlich Anteil genommen und ihm einen Rat gegeben, den man nur erraten bzw. aus anderen Stellen des Romans erschließen kann.
    • Wahrscheinlich ging es darum, dass er sich sammeln und einer nützlichen Tätigkeit zuwenden soll.
    • Spätere Hinweise zur Religion können auch sich auf einen Vorschlag in dieser Richtung beziehen.
  2. Laß mich ausdulden, ich habe bei aller meiner Müdseligkeit noch Kraft genug durchzusetzen.
    • Werther versteht sich als Duldender,
    • der zwar gleichzeitig müde
    • und selig ist,
    • aber glaubt, noch Kraft genug zu haben, um das durchzustehen.
    • Kritische Anmerkung: Was für ein Ende stellt sich Werther vor, das wirklich ein Durchkommen bedeutet.
  3. Ich ehre die Religion, das weißt du, ich fühle, daß sie manchem Ermatteten Stab, manchem Verschmachtenden Erquickung ist.
    • Hier wird deutlich, dass Wilhelms Vorschlag wohl auf die Kraft des Religiösen setzte.
    • Werther behauptet, er „ehre“ die Religion, sagt aber nicht, was das genau bedeutet.
    • Er erkennt auch gewisse Heilungskräfte an.
  4. Nur – kann sie denn, muß sie denn das einem jeden sein? Wenn du die große Welt ansiehst, so siehst du Tausende, denen sie es nicht war, Tausende, denen sie es nicht sein wird, gepredigt oder ungepredigt, und muß sie mir es denn sein?
    • Werther verweist auf viele, bei denen die Religion nicht geholfen hat.
    • Er geht nicht näher darauf ein.
  5. Sagt nicht selbst der Sohn Gottes, daß die um ihn sein würden, die ihm der Vater gegeben hat? Wenn ich ihm nun nicht gegeben bin?
    • Werther prüft den Fall, dass er nicht zu denen gehört, denen Religion hilft.
  6. Wenn mich nun der Vater für sich behalten will, wie mir mein Herz sagt?
    • Nun der ungeheuer anmaßende, aber durchaus für die Sturm-und-Drang-Zeit typische Anspruch, gewissermaßen Gott zum speziellen Partner zu haben.
    • Basis dafür ist sein Herz, also letztlich ein Gefühl.
  7. – Ich bitte dich, lege das nicht falsch aus; sieh nicht etwa Spott in diesen unschuldigen Worten; es ist meine ganze Seele, die ich dir vorlege; sonst wollte ich lieber, ich hätte geschwiegen: wie ich denn über alles das, wovon jedermann so wenig weiß als ich, nicht gern ein Wort verliere.
    • Hier weicht Werther jeder sachlichen Auseinandersetzung aus.
  8. Was ist es anders als Menschenschicksal, sein Maß auszuleiden, seinen Becher auszutrinken? – Und ward der Kelch dem Gott vom Himmel auf seiner Menschenlippe zu bitter, warum soll ich großtun und mich stellen, als schmeckte er mir süß? Und warum sollte ich mich schämen, in dem schrecklichen Augenblick, da mein ganzes Wesen zwischen Sein und Nichtsein zittert, da die Vergangenheit wie ein Blitz über dem finstern Abgrunde der Zukunft leuchtet und alles um mich her versinkt und mit mir die Welt untergeht?
    • Hier macht Werther seine Situation zum Musterfall menschlichen Leidens.
  9. Ist es da nicht die Stimme der ganz in sich gedrängten, sich selbst ermangelnden und unaufhaltsam hinabstürzenden Kreatur, in den innern Tiefen ihrer vergebens aufarbeitenden Kräfte zu knirschen: »Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen?« Und sollt‘ ich mich des Ausdruckes schämen, sollte mir es vor dem Augenblicke bange sein, da ihm der nicht entging, der die Himmel zusammenrollt wie ein Tuch?
    • Hier der zweite Ansatz, den sicher manche für blasphemisch (gotteslästerlich) halten. Jetzt sieht er sich nicht nur als speziellen Partner Gottes, sondern stellt sich auch noch mit Jesus auf eine Stufe.

Zur Aufgabe 2

  • Deutlich wird vor allem die Alter-deus-Auffassung, dass der künstlerische Mensch sich in göttlichem Umfeld bewegt.
  • Deutlich wird dabei, dass es keine feste dogmatische Grundlage gibt. Es handelt sich mehr um eine sehr persönliche, subjektive Religion.
  • Dazu kommt die Betonung der Gefühle, die Basis für Wahrheiten sind.
  • Was hier fehlt, ist der Aspekt der Auflehnung, der Kritik, der Infragestellung und potenziellen Bekämpfung all dessen, was den Menschen einschränkt, ihn seiner Freiheit beraut.

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