Klausur: Pattie Wigand, „Ein Montagmorgen im Bus“ oder ein etwas fragwürdiges Wunder (Mat2049-kla)

Worum es hier geht:

Wir präsentieren hier zu einer Kurzgeschichte, die wir auf der folgenden Seite näher vorgestellt haben:
https://textaussage.de/pattie-wigand-ein-montagmorgen-im-bus
eine mögliche Klausuraufgabe.
Die Geschichte ist u.a. hier zu finden.

Wir präsentieren sie hier in einer Form, die das Urheberrecht nicht verletzt, aber die Möglichkeit gibt, auch unsere Lösung mit der eigenen Textausgabe zu vergleichen.

Hier schon mal die Aufgaben:

  1. Analysiere die vorliegende Geschichte, in dem du
    1. In einem Einleitungssatz den Text vorstellst, mit Angabe des Themas.
    2. Beschreibe dann den Inhalt der Geschichte, ausgehend von der Erzählerin Gestaltung
    3. Formuliere die Aussagen der Geschichte, indem du den Satz fortsetzt:
      Die Geschichte zeigt oder macht deutlich …
    4. Zeige an Beispielen auf, wie die Aussagen mit sprachlichen und anderen Mitteln unterstützt werden.
  2. Nimm Stellung zu der Art und Weise, wie in dieser Geschichte versucht wird, die Welt ein bisschen besser zu machen.

Aufgabenvariante 1:
Untersuche, inwiefern und inwieweit diese Geschichte die Kennzeichen einer Kurzgeschichte aufweist.

Aufgabenvariante 2:
Untersuche die Kurzgeschichte unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation

Beispiel für eine Lösung

1. Einleitungssatz

Die Kurzgeschichte „Ein Montagmorgen im Bus“ von Pattie Wigand behandelt das Thema, wie Menschen im Alltag aus ihrer Gleichgültigkeit und Distanz herausgerissen werden – hier durch eine überraschende, autoritäre Aktion eines Busfahrers.

2. Inhaltsbeschreibung

Die Ich-Erzählerin schildert ihren gewohnten, eintönigen Start in den Tag: Sie steigt wie jeden Montagmorgen in den Bus ein und erwartet „das normale Verhalten im Berufsverkehr“ (Z. 6 f.), also wortloses Nebeneinandersitzen.
Plötzlich ändert sich die Routine: Der Busfahrer gibt lautstark Anweisungen, „alle sollen die Zeitungen weglegen, ihren Nachbarn ansehen und ihn begrüßen“ (Z. 12 f.).
Zunächst reagieren die Fahrgäste befremdet und „zurückhaltend“ (Z. 16), doch allmählich beginnt eine ungewohnte Lebendigkeit – die Leute unterhalten sich und lachen.
Als die Erzählerin aussteigt, beobachtet sie in anderen Bussen wieder das alte, distanzierte Verhalten (Z. 23–27), während ihr eigener Bus fröhlich weiterfährt.
Sie spricht schließlich von einem „Wunder“, das die Aktion des Busfahrers ausgelöst habe (Z. 31).

3. Zentrale Aussage

Die Geschichte zeigt, dass Gemeinschaft und Freundlichkeit auch in anonymen Alltagssituationen entstehen können – allerdings nur, wenn jemand den Anstoß gibt.
Zugleich macht sie deutlich, wie leicht ein scheinbar positives Erlebnis auf Zwang und Autorität beruhen kann.
Das vermeintliche „Wunder“ hat also eine doppelte Bedeutung: Es schafft Nähe, aber um den Preis von Freiheit.

4. Sprachliche und erzählerische Mittel

  • Erzählperspektive:
    Durch die Ich-Form wirkt der Text subjektiv und emotional – man erlebt die Wirkung der Aktion unmittelbar mit.
    Zugleich bleibt die Erzählerin unkritisch, wenn sie den Ton des Fahrers als „etwas Gehorsam Forderndes“ beschreibt (Z. 41 f.), ohne dies zu hinterfragen.
  • Befehlsstil:
    Die Rede des Busfahrers ist geprägt von militärischen Kommandos – „Achtung! Achtung! […] Legen Sie alle die Zeitungen weg!“ (Z. 44 f.).
    Diese Sprache erinnert eher an Disziplinierung als an Motivation und unterstreicht die Ambivalenz des „Wunders“.
  • Symbolik und Kontraste:
    Das Zeitung-Weglegen steht symbolisch für das Ablegen der Distanz.
    Gleichzeitig kontrastieren die stillen anderen Busse (Z. 27 ff.) mit der lebendig gewordenen Szene – ein optisches Bild für den Unterschied zwischen Anpassung und Aufbruch.
  • Tonfall und Wortwahl:
    Die Erzählerin bewertet am Ende euphorisch, spricht von einer „unterdrückten allgemeinen Höflichkeit“ (Z. 52) und von einem „Wunder“ (Z. 59).
    Diese übersteigerten Begriffe verdecken jedoch, dass der Anstoß fremdbestimmt war.
  • Schlussstruktur:
    Der Text endet offen, aber affirmativ – das positive Gefühl bleibt, die kritische Reflexion fehlt.

Eigene Stellungnahme

Die Geschichte will zeigen, dass ein einzelner Mensch durch Mut und Initiative andere zum Umdenken bringen kann.
Das Ziel – mehr Freundlichkeit im Alltag – ist zweifellos sympathisch.
Problematisch bleibt jedoch, wie es erreicht wird: durch eine von oben verordnete, „gehorsam fordernde“ Autorität (Z. 42).
Damit erinnert die Episode eher an eine Dressur zum Mitgefühl als an echte Selbstveränderung.
Ein nachhaltiges „Wunder“ wäre nur dann glaubwürdig, wenn es aus Einsicht und nicht aus Befehl entsteht.

Insgesamt regt die Geschichte zum Nachdenken darüber an, wie leicht man Zwang mit Hilfe verwechseln kann – und wie wichtig es ist, Menschlichkeit ohne Kommando zu leben.

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Aufgabenvariante 1: Kennzeichen einer Kurzgeschichte

Die Kurzgeschichte „Ein Montagmorgen im Bus“ von Pattie Wigand erfüllt in weiten Teilen die typischen Merkmale einer Kurzgeschichte, weist aber auch leichte Abweichungen auf.

1. Offener Anfang:
Die Geschichte beginnt unmittelbar im Geschehen – ohne Einleitung oder Hintergrundinformationen.
Die Erzählerin berichtet schlicht, dass sie „wie immer morgens in den Bus steigt“ (Z. 6 f.). Damit wird der Leser direkt in eine alltägliche Situation geführt.

2. Begrenzter Handlungsraum und Zeitraum:
Alles spielt sich in einem einzigen Bus und während einer kurzen Fahrt am Montagmorgen ab.
Diese Beschränkung auf einen engen Rahmen ist charakteristisch für die Gattung.

3. Alltägliches Geschehen:
Das Thema – die Routine einer Busfahrt – ist unspektakulär und alltäglich.
Gerade diese Alltäglichkeit bildet den Kontrast zur überraschenden Wendung durch das Eingreifen des Busfahrers (Z. 12 ff.).

4. Wendepunkt:
Das Kommando des Busfahrers („Legen Sie alle die Zeitungen weg“, Z. 44 f.) markiert den klaren Umschlagpunkt.
Hier kippt die Routine in eine unerwartete, fast groteske Dynamik – das zentrale Spannungsmoment.

5. Offenes oder gedämpftes Ende:
Das Ende bleibt offen, aber versöhnlich: Die Erzählerin spricht von einem „Wunder“ (Z. 59), doch es wird nicht erklärt, was aus diesem Erlebnis folgt.
Damit bleibt Raum für Nachdenken – typisch für Kurzgeschichten.

6. Figurenzeichnung:
Nur die Ich-Erzählerin und der Busfahrer werden deutlich erkennbar.
Beide sind Typen, keine individuellen Charaktere – ein weiteres Gattungsmerkmal.

7. Sprachliche Verdichtung:
Die Handlung wird knapp erzählt, ohne Nebenstränge.
Direkte Rede, Befehle und Beobachtungen schaffen Tempo und Unmittelbarkeit.

8. Pointe oder Nachdenkpunkt:
Die Pointe liegt nicht in einem Witz, sondern in der Ambivalenz:
Was als „Wunder“ erscheint, beruht auf Zwang – also eine scheinbar heitere, bei genauerem Hinsehen fragwürdige Erneuerung.

Fazit:
Wigands Geschichte nutzt alle wesentlichen Kennzeichen der Kurzgeschichte, kombiniert sie jedoch mit einem moralischen Unterton, der fast parabelhaft wirkt.


Aufgabenvariante 2: Analyse der Kommunikation

Die Kurzgeschichte „Ein Montagmorgen im Bus“ kann als Beispiel für gestörte und erzwungene Kommunikation gelesen werden.
Im Zentrum steht die Frage, wie Menschen im Alltag überhaupt miteinander in Kontakt treten.

1. Ausgangspunkt: Kommunikationslosigkeit
Zu Beginn herrscht völlige Sprachlosigkeit:
Die Erzählerin beschreibt, dass im Bus „jeder seine Zeitung liest“ (sinngemäß Z. 6–10) – ein Sinnbild für Isolation und Desinteresse.
Die Kommunikation ist nicht nur abgebrochen, sie wird gar nicht erwartet.

2. Der Busfahrer als Initiator
Der Busfahrer unterbricht dieses Schweigen mit Kommandos: „Achtung! Achtung!“ – „Sehen Sie Ihrem Sitznachbarn ins Gesicht“ (Z. 44–48).
Er zwingt die Fahrgäste zum Kontakt.
Damit wird Kommunikation nicht freiwillig, sondern von außen verordnet.

3. Reaktionen der Fahrgäste
Zunächst reagieren sie „schwach und ängstlich“ (Z. 49 f.), dann aber beginnen sie zu reden und zu lachen.
Dieser Verlauf zeigt, wie stark soziale Impulse durch Autorität erzeugt werden können – Kommunikation entsteht, aber nicht aus innerem Bedürfnis.

4. Haltung der Erzählerin
Die Ich-Erzählerin erlebt das Ganze als „Wunder“ (Z. 59) und interpretiert das Geschehen positiv.
Sie übersieht dabei, dass das Verhalten eher Anpassung als echte Begegnung ist.
Damit steht sie selbst im Spannungsfeld zwischen Wunsch nach Nähe und unreflektiertem Gehorsam.

5. Sprachliche Ebene als Spiegel der Kommunikation
Die Sprache des Busfahrers ist befehlend und laut, während die Erzählerin in bewertenden, gefühlsbetonten Sätzen erzählt („freut sich über einen Tag, der mal anders angefangen hat“, Z. 30 ff.).
Die Gegensätze in Stil und Ton zeigen, dass auch im Text selbst keine wirkliche Verständigung stattfindet – nur Wirkung, keine Begegnung.

6. Symbolik und Bedeutung
Das Zeitung-Weglegen (Z. 44) steht für die Möglichkeit, Distanz abzulegen.
Aber der Zwangscharakter macht daraus ein Lehrstück über kommunikative Manipulation: Nähe, die nicht freiwillig entsteht, bleibt äußerlich.

Fazit:
Die Kurzgeschichte thematisiert Kommunikation als fragiles, leicht steuerbares Geschehen.
Sie macht deutlich, dass menschliche Verbindung nicht durch Befehle, sondern nur durch gegenseitiges Interesse entstehen kann.

Weitere Infos, Tipps und Materialien