Lars Krüsand, „Manchmal passt es einfach“ – Tipps, wie man dem „Kurzzeit-Elend“ des Alltags entkommt (Mat7310 )

Lars Krüsand

Manchmal passt es einfach

  • Als Sven morgens aufstand, wusste er noch nicht, was ihn erwartete. Er hatte gestern Abend zufällig im Internet eine Seite gefunden mit wirklich sehr originellen Tipps. Es ging darum, wie man sich in eine bessere Stimmung versetzen kann, wenn es einem schlecht geht. Das war bei ihm aber nicht der Fall. Er hatte sich die Tipps aber sicherheitshalber rausgeschrieben. Man konnte nie wissen, wann man so was brauchte.
  • Das kam dann früher, als er gedacht hatte. In der zweiten Stunde bekamen sie die Deutscharbeit zurück. GedichtInterpretation – Thema verfehlt – mangelhaft – fertig. Nicht die Arbeit, sondern er. Vom Rest der Stunde bekam er kaum etwas mit.
  • War es eine feuchte Stelle am Auge? Jedenfalls holte er sein Taschentuch aus der Hosentasche. Beim Rausziehen fiel der Zettel raus, auf dem er sich gestern die Tipps notiert hatte. Jetzt konnte er sie brauchen.
  • Aber er wartete, bis es zur großen Pause klingelte. Er wollte nicht beim Lesen dieses Zettels erwischt werden. Das hätte ihm noch gefehlt. Erst eine Fünf, und dann noch komische Fragen.
  • Auf dem Weg zum Pausenhof las Sven sich die Punkte durch und dann bog er plötzlich ab. Kurze Zeit später fand er in der Schulbücherei etwas, was er gebrauchen konnte. Er hatte zielsicher den Abenteuerbereich angesteuert, ein paar Bücher in die Hand genommen, und schon hatte er eins, das allein schon vom Titel her in das richtige Thema ansprach: Es war ein Buch, mit dem Titel „Überleben im Outback“ -. und es ging um zwei Piloten, die vor fast 100 Jahren im Norden Australiens mit ihrer Maschine notlanden mussten – und dann hießt es: sich durchschlagen: Glühende Sonne, kaum Wasser und die nächste Siedlung an der Küste, wohl 100 km entfernt.
  • Kaum hatte Sven das Buch ausgeliehen, merkte er dass er damit ungewollt zwei der Ratschläge bereits genutzt hatte. Er hatte sich eine Ecke gesucht, weit weg von jeder Deutscharbeit. Bei den Tipps war das die „Oase“, in die man sich zurückzog. Außerdem hatte er eine spannende Geschichte gefunden von Menschen, denen es eindeutig schlechter ging, als ihm selbst in seiner jetzigen Situation. Der Tipps hieß: „Glücksverdacht abbauen“. Man sollte sich klar machen, dass Probleme und Notfälle im Leben ganz normal waren und jeden treffen konnten.
  • Am meisten hatte ihn dann die Seite beeindruckt, zu der er schnell vorgeblättert hatte. Als die Leute endlich eine bewohnte Siedlung erreicht hatten, wurde ausführlich beschrieben, wie feierlich sie die erste Flasche Wasser getrunken hatte, die man ihnen reichte. Das war ein guter Anlass für den dritten Tipp: „Genieß etwas mit geschlossenen Augen.“ Also ein kleiner Umweg in die Cafeteria, eine Flasche Wasser gekauft und ganz langsam daraus getrunken.. Er schloss dabei wirklich die Augen und stellte sich vor, dass das das Begrüßungsgeschenk der Zivilisation war. Keine mühsame Suche mehr nach ein bisschen Feuchtigkeit, sondern alles stand wieder zur Verfügung, was man zum Leben brauchte.
  • Nach Schulschluss auf dem Weg nach Hause ging es Sven schon wieder so gut, dass er fast den nächsten Tipp vergessen hätte. Es ging darum, auf die Menschen zu achten, die um einen herum waren. Dabei sollte man überlegen, mit wie vielen von ihnen man eventuell gerne getauscht hätte. Im Bus waren einige so alt, dass sie schon deswegen nicht infrage kam. Ein Mädchen, wahrscheinlich eine Studentin, versuchte verzweifelt auf ihren Knien einen schwankenden Laptop auszubalancieren, während sie gleichzeitig mit den Händen zwei verschiedene Bücher in Leseposition hielt. Ein junger Mann sah ganz passabel aus – und dann noch dieses Smartphone der neuesten Generation gut sichtbar, also demonstrativ ans Ohr gepresst. Als er aber in den nächsten 10 Minuten anscheinend sechs Gespräche gleichzeitig geführt oder zwischen ihnen gewechselt hatte, wurde Sven allein schon beim Zusehen schlecht.
  • Zu Hause angekommen, machte er sich schnell was zu essen. Dann setzte er sich an die Berichtigung seiner Arbeit. Bisher hatte er das immer verschoben, aber jetzt wollte er es einfach wissen.
  • Die Belohnung war dann der abschließende Höhepunkt seiner Siegestour durch die Tipps vom vorherigen Abend. Sein Vater schaute abends noch kurz rein schaute und wunderte sich dann, dass sein Sohn anscheinend intensiv arbeitete. Er bekam dann zu hören: „Ich hab eine schlechte Nachricht für dich und eine gute. Die Deutscharbeit war voll daneben, aber ich weiß jetzt, warum Und der Lehrer hat mir angeboten, dass er eine gute Berichtigung bei der Gesamtbewertung berücksichtigen werde. Sven war dann ganz erstaunt, als sein Vater sich einen zweiten Stuhl heranzog, sich zu ihm setzte und nur sagte: Erzähl mal. Sie verstanden sich halt gut – da waren nicht viele Worte nötig.
  • Als er fertig war, sagte sein Vater längere Zeit nichts, Als Sven ihn schließlich fragte, was los sei, hörte er nur: Wo sind denn die anderen Tipps – Ich habe überlegt, wie ich das in der nächsten Zeit mal selbst ausprobiere – du weißt doch, der neue Abteilungsleiter macht fast jeden Tat Stress.

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