Lessing, „Nathan der Weise“ – Akt 1, Szene 3 –  leicht verständlich erklärt (Mat6305-1-3)

Zitat Nr. 1

Derwisch
Könnt‘ ich nicht
Ein Kerl im Staat geworden sein, des Freundschaft
Euch ungelegen wäre?Nathan
Wenn dein Herz
Noch Derwisch ist, so wag ich’s drauf. Der Kerl
Im Staat, ist nur dein Kleid.

  • In der dritten Szene wird der Bereich gewechselt und ein neues Fass aufgemacht. Jetzt kommt erstmals der Sultan ins Spiel, wenn auch nur indirekt. Der Derwisch, ein Bettelmönch und Freund Nathans ist zum Schatzmeister des Herrschers geworden – was vor allem an seiner neuen Kleidung sichtbar wird.
  • Nun taucht automatisch die Frage auf, ob dieser „Freund“ mit seinem neuen Gewand und Amt auch seine Haltung zu dem reichen jüdischen Handelsherrn verändert hat. Er selbst spricht das in dieser Textstelle an.
  • Nathan dagegen macht deutlich, es kommt auf das Herz an, also die innere Gesinnung – und später wird man sehen, dass dieser Derwisch lieber gleich wieder aus dem Amt stürzt und nach Indien verschwindet, als sich korrumpieren zu lassen.

Zitat Nr. 2

Derwisch
Es taugt nun freilich nichts,
Wenn Fürsten Geier unter Äsern sind.
Doch sind sie Äser unter Geiern, taugt’s
Noch zehnmal weniger.Nathan
O nicht doch, Derwisch!
Nicht doch!Derwisch
Ihr habt gut reden, Ihr! – Kommt an:
Was gebt Ihr mir? so tret ich meine Stell‘
Euch ab.

    • Bei dieser Stelle muss man wissen, dass der Sultan gerne ein gutes Image hätte und deshalb immer wieder auch die Bettler beschenken möchte. Der frühere Schatzmeister hat dabei sehr auf das richtige Verhältnis von Not und Gabe geachtet – jetzt soll der Derwisch netter und großzügiger sein.
    • Das Zitat zeigt nun, dass man einen guten Mittelweg als Herrscher finden muss: Weder soll man ein Geier unter „Äsern“ – also friedlich weidenden Tieren sein noch „Äser“ unter Geiern – also friedlich unter Menschen, die Raubtiere sind.
    • Am Ende merkt man schon, dass der Derwisch es bereut, dieses Amt angenommen zu haben (aus Eitelkeit) und es am liebsten an Nathan übergeben würde.

Zitat Nr. 3

Der Derwisch versucht dann, Nathan zu überreden, dem Sultan Geld zu leihen, und lockt ihn mit hohen Zinsen. Nathan ist aber zu klug, als sich auf so etwas einzulassen, weil er vielleicht am Ende nur Zinsansprüche, aber kein Kapital mehr hätte.
Deshalb seine klare Botschaft:

Nathan:
Nun, verstehn wir uns nur recht!
Hier gibt’s zu unterscheiden. – Du? warum
Nicht du? Al-Hafi Derwisch ist zu allem,
Was ich vermag, mir stets willkommen. – Aber
Al-Hafi Defterdar des Saladin,
Der – dem –Derwisch
Erriet ich’s nicht? Dass Ihr doch immer
So gut als klug, so klug als weise seid! –
Geduld! Was Ihr am Hafi unterscheidet,
Soll bald geschieden wieder sein. – Seht da
Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab.
Eh‘ es verschossen ist, eh‘ es zu Lumpen
Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden,
Hängt’s in Jerusalem am Nagel, und
Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß
Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete.

  • Hier wird deutlich, wie gedanklich klar und klug Nathan an das unmoralische Angebot herangeht, indem er zwischen dem Derwisch und dem Finanzbeamten des Sultans unterscheidet.
  • Der Derwisch wiederum ist ehrlich genug, die Richtigkeit dieser Unterscheidung anzuerkennen und nimmt einen früheren Ratschlag Nathans auf, möglichst rasch ziemlich weit zu verschwinden.
Ausblick:

Später wird sich zeigen, dass Nathan die direkte Finanzattacke aus dem Bereich des Herrschers los ist, dafür vom Herrscher und seiner Schwester selbst in die Mangel genommen wird – was schließlich zur berühmten Ringparabel führt. Mit ihr kann Nathan gut kontern.

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