Die Familienproblematik in Lessings „Nathan der Weise“ (Mat6257)

Lessings Idee der Menschheitsfamilie
  • Besonders am Schluss des Dramas wird deutlich, wie sehr es Lessing darauf ankam, die wichtigsten Figuren in einen familiären und damit hier friedlichen, freundlichen Zusammenhang zu bringen.
  • I,1: Dabei beginnt es eher unschön im Drama:
    • Gleich am Anfang deutet Daja an, dass Nathan mit Recha ein problematisches Familiengeheimnis hütet. Später erfährt der Zuschauer/Leser, dass Recha eine Pflegetochter ist, die von ihrer christlichen Herkunft nichts weiß.
    • Es wird von Nathan einiges getan, um die Hausfreundin zum Schweigen zu veranlassen: „O wie teuer lasst / Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen! / Wenn Güt‘, in solcher Absicht ausgeübt, / Noch Güte heißen kann!“
    • Aber Daja macht deutlich: „Was hilfts? Denn mein Gewissen, muss ich Euch / Nur sagen, lässt sich länger nicht betäuben.“
    • Außerdem zeigt der Tempelherr deutlich, welche Vorurteile er gegenüber Juden hat.
  • In II,7 erfährt Nathan dann,
    • dass der Tempelherr sich „Curd von Stauffen“ nennt. Später erfährt man, dass das auch nur der Name ist, den der Pflegevater dem Sohn gegeben hat.
    • In der Szene wird das übrigens bereits angedeutet, wenn Nathan zu sich selbst sagt:
      „Nicht allein
      Wolfs Wuchs, Wolfs Gang: auch seine Stimme. So,
      Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf;
      Trug Wolf sogar das Schwert im Arm‘; strich Wolf
      Sogar die Augenbraunen mit der Hand,
      Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen.
      Wie solche tiefgeprägte Bilder doch
      Zu Zeiten in uns schlafen können, bis
      Ein Wort, ein Laut sie weckt. – Von Stauffen! –
      Ganz recht, ganz recht; Filneck und Stauffen. –
      Ich will das bald genauer wissen; bald.—
  • Also bei den später Liebenden zwei ähnliche Schicksale, die natürlich eine dramatische Spannung erzeugen und das Drama zu einem großen Teil tragen.
  • In III,1 dann das Streitgespräch zwischen Daja, die Recha gerne mit in ihre christliche Heimat nehmen möchte, und ihrer Freundin, die die Hintergründe nicht kennt und jede Entfernung aus ihrer Heimat strikt ablehnt.
  • In III,9 dann macht Nathan deutlich, dass er Conrad von Stauffen, den der Tempelherr für seinen Vater halten muss, persönlich kennt.
  • In III,10 dann eine erste Offenlegung: Daja kann nicht mehr an sich halten und macht das wahr, was sie gleich am Anfang angekündigt hat. Sie verrät dem Tempelherrn, dass Nathan Recha nur groß gezogen hat – und das auch noch in einem anderen Glauben. Das löst dann erst mal Irritationen aus, aus denen schließlich ansatzweise sogar Hass wird.
  • In IV,4 dann eröffnet Saladin dem Tempelherrn das, was zu dessen Begnadigung geführt hat, nämlich seine Ähnlichkeit mit Assad, dem verschollenen Bruder des Sultanspaares. In IV,5 ist es dann so weit, dass Saladin und seine Schwester ganz offen über die Möglichkeit sprechen, der Tempelherr könnte ihr Neffe sein.
  • In IV,7 kommen weitere Annäherungen an die schlussendliche Wahrheit: Der Klosterbruder entpuppt sich als der Reitknecht, der vor 18 Jahren im Auftrag seines Herrn Wolf von Filneck, der seine neu geborene Tochter seinem Freund Nathan übergeben muss, weil die Mutter gestorben ist und er in den Krieg ziehen muss. Dort findet er einige Zeit darauf den Tod.
  • Wichtig für die Handlung ist, dass der Klosterbruder das Gebetbuch seines gefallenen Herrn an sich genommen hat und jetzt Nathan übergibt. Der erkennt darauf die Zusammenhänge: Der Tempelherr ist der Sohn des toten Tempelherrn und heißt Leu von Filnek.
  • Nathan nimmt das zum Anlass, bei nächster Gelegenheit jetzt die ganze Wahrheit über Recha und Leu öffentlich zu machen.
  • Allerdings lässt er sich dafür ziemlich viel Zeit – auch noch in der Schluss-Szene. Recha weint, weil sie meint, den Vater zu verlieren – der Tempelherr wartet verzweifelt auf die Klärung seiner Beziehung zu Recha. Aber Nathan lässt sich Zeit – nur auf die Gestaltung der Dramatik aus. Man merkt hier, in welchem Ausmaß Lessing die Figuren in den Dienst des Schauspiels stellt. Dabei müssten die Figuren erst mal im Vordergrund stehen. Jedenfalls ist gerade diese Szene keine Sympathiewerbung für Nathan und damit den Hauptvertreter der Aufklärung in diesem Stück.

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