Lessing, „Nathan der Weise“: Übersicht: Szenen einordnen, Voraussetzungen ermitteln (Mat6289)

Worum es hier geht:

  • Wenn man eine Dramenszene analysieren soll, muss man erst mal klären, wie die Ausgangssituation ist.
  • Dabei greift man auf die Ereignisse und Entwicklungen zurück,
    • die in den Szenen vorher geschehen sind und
    • die in die aktuelle Szene hineinwirken.
  • Wir zeigen mal, wie eine entsprechende Übersicht bei Lessings Drama „Nathan der Weise“ einem dabei helfen kann.

Die Verszeilenangaben am Anfang sind nicht exakt, sondern helfen einem nur, die entsprechende Stelle in seiner eigenen Ausgabe zu finden. Wir nutzen eine E-Book-Ausgabe, bei der die exakte Angabe unnötig viel Mühe macht. Schließlich wollen wir hier ja mal fertig werden – sonst hat keiner was davon 😉

  • Szene 1-1: Daja und Nathan
    • 002: Nathan kehrt von Geschäftsreise zurück.
    • 012: Erfährt von Daja vom Brand des Hauses
    • 018: Und der Rettung Rechas durch Tempelherrn (085)
    • 035: Daja wird von Nathan gebremst, auf sein Geheimnis einzugehen
    • 134: Daja berichtet von Rechans Engel-„Wahn“
    • 165: Nathan will die „Engelschwärmerin“ heilen.
      [Später wird klar: Recha ist nur seine Pflegetochter]
  • Szene 1-2: Recha kommt zu Daja und Nathan hinzu
    • 170: Recha beklagt, dass Nathan so lange weg war.
    • 190: Recha betont Engel-Charakter des Retters
    • 200: Nathan versucht vorsichtig, auf das Menschliche des Retters hinzuweisen.
    • 215: Nathan: Distanzierung von Rechas Wunderglauben
    • 230: Gespräch über die verwunderliche Begnadigung des Tempelherrn auf Grund seiner Ähnlichkeit mit Saladins Bruder
    • 295: Nathan wird heftig: Topf von Eisen -> Topf von Silber
    • 315: Nathans Argument: Bei einem Menschen kann man sich besser bedanken.
    • 330 Krankheitshypothese, die von Nathan breit ausgemalt wird.
    • 345: Daja bittet vergeblich darum, Recha zu schonen
    • 360: Nathans Vorwurf: „andächtig schwärmen“ = leichter als „gut handeln“
    • 370: Nathan sieht den Derwisch Al-Hafi = Überleitung zur nächsten Szene
  • 1-3: Nathan und der Derwisch Al-Hafi: Der braucht für den Sultan Geld
    • 370: Gespräch über das neue Muss-Amt als Schatzmeister des Sultans
    • 405: Klage über die Freigebigkeit des Sultans als Kassenproblem
    • 420: Klage des Derwischs über einen Fürsten, der „Äser“ unter „Geiern“ ist.
    • 425: Diskussion über Kredit, den Nathan dem Sultan geben könnte.
    • 450: Der Derwisch hat Fluchtpläne zurück in die Einsamkeit am Ganges
    • 460: Al-Hafi berichtet, wie er sich vom Sultan im Netz hat fangen lassen.
    • 495: Nathan beneidet Al-Hafis Fluchtmöglichkeite; der verschwindet, bevor Nathan ihn nach dem Tempelherrn ausfragen kann.
  • 1-4: Daja zu Nathan:
    Über: Rechas Hoffnungen -> Tempelherr; Dajas Hinweis auf dessen Ressentiments gegen Juden

    • Daja macht deutlich, sehr Recha mit gierigen (ca. 514) Augen den Tempelherrn verfolgt
    • und Nathan flehentlich gebeten wird, ungesäumt(ca. 517) , also schnell, den Tempelherrn anzugehen(ca. 517).
    • Größere Hoffnungen soll er sich aber nicht machen, denn Daja erklärt ganz deutlich: Der Tempelherr kommt zu keinem Juden(ca. 528).
  • 1-5: Klosterbruder offenbart Nathan das Schurkenstück gegen Sultan Saladin
    • Klosterbruder gibt den Auftrag des Patriarchen an den Tempelherrn ungeschminkt weiter: ein regelrechtes Bubenstück (ca. 685)
    • Er soll Saladin, der ihm das Leben gerettet hat, als Feind der Christenheit (ca. 691) betrachten und ihn ausspionieren und wenn möglich sogar überfallen und umbringen.
    • Die Haltung des Tempelherren ist dem gegenüber ganz klar: Er will nicht zum undankbaren Schurken (ca. 694) werden.
  • 1-6: Gegenüber Daja:
    Tempelherr zwischen antijüdischem Ressentiment und Verwunderung über seine eigene Rettungstat

    • Tempelherr macht gegenüber Daja seine ganze Ablehnung gegenüber einem Juden deutlich macht.
    • Typisches Vorurteil: reich und weise (V742)
    • Unterstellung: Klugheit wird genutzt, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen.
    • Aus heutiger Sicht typisch antisemitisches Vorurteil.
    • An anderer Stelle sagt der Tempelherr sogar: Jud‘ ist Jud‘ (ca. 777) und schließt damit aus, dass ein Jude sich überhaupt verändern kann.
      Damit bewegt er sich im Bereich des Rassismus.
      [Anmerkung: Das erinnert an Frischs Schauspiel „Andorra]]
    • Deutlich wird allerdings auch, dass dem Tempelherrn sein Verhalten bei der Rettung Rechas selbst ein Rätsel (ca. 769) ist.
  • 2-1: Saladin und Sittah beim Schachspiel
    • Saladin verliert beim Schachspiel -> seine Geldprobleme werden deutlich
    • Zusätzlich: Waffenstillstand geht zu Ende, ehrgeizige Heiratspläne sind gescheitert
    • Sittah äußert deutliche Kritik an den Christen:
      865: „Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen.
    • Saladin differenziert:
      Die Tempelherren,
      Die Christen nicht, sind schuld:
    • Beide warten sehnlichst auf den Derwisch als neuen Schatzmeister.
  • 2-2: Derwisch kommt zu Saladin und Sittah hinzu
    • Angesichts der Finanzprobleme kommt man auf den reichen Juden Nathan zu sprechen.
    • Der Derwisch versucht, seinen Freund zu schützen – mit dem schönen Spruch:
      1080: Nur darum eben leiht er keinem,
      Damit er stets zu geben habe.
    • Er verschwindet dann schnell, um andere Quellen anzuzapfen.
  • 2-3: Sittah und Saladin
    • Beide ahnen, dass der Derwisch es nicht ganz ehrlich mit ihnen meint, sondern nur Nathan schützen wollen.
    • Sittah will das im Auge behalten.
    • Ihrem Bruder verspricht sie, dass sie nicht an Gewalt denkt, sondern nur eine Schwäche Nathans nutzen will
    • [Später weiß man, dass es dessen Weisheit ist, die es ermöglicht, ihm mit der Religionsfrage eine Art Falle zu stellen],
  • 2-4: Recha und Nathan – zu ihnen kommt Daja
    • Deutlich werden Rechas Gefühlsstürme.
    • Nathan zeigt sich sehr verständnisvoll.
    • Deutlich wird Rechas Sorge, bei einer Beziehung ihren Vater oder das vermeintliche Elternhaus zu verlieren.
    • Insgesamt präsentiert sie sich wenig autonom, sehr abhängig von Nathan.
  • 2-5: Nathan und der Tempelherr: Musterbeispiel für erfolgreiche Verständigung
    • Nathan mag den Tempelherrn trotz seiner rauen Schale.
    • Er redet sich dessen Ressentiments sogar schön:
    • Nathan betont dann die Gemeinsamkeit: „Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß, / Dass alle Länder gute Menschen tragen.
    • Wir müssen, müssen Freunde sein! – Verachtet / Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide / Uns unser Volk nicht auserlesen.“
    • „Ah! wenn ich einen mehr in Euch / Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch / Zu heißen!
    • Das ist die Basis, auf der auch der Tempelherr auf sein Gegenüber eingehen kann.
  • 2-6: Daja kommt zu Nathan und dem Tempelherrn hinzu
    • Sie informiert Nathan, dass er zum Sultan soll.
    • Vor dem Hintergrund der Infos über dessen Finanznot kann Nathan sich denken,. worum es geht.
    • Vor allem Daja zeigt sich „bekümmert“, also besorgt.

Wir setzen das noch fort.

Weitere Infos, Tipps und Materialien

Themenseite: „Nathan “
https://textaussage.de/nathan-der-weise-infos-materialien