Ludwig Tieck, „Wonne der Einsamkeit“ – poetische Version des Programms der Romantik (Mat674)

Ludwig Tieck, „Wonne der Einsamkeit“ …

… poetische Version des Programms der Romantik

Kurzfassung der Erklärung

  • Der Audio-Auszug analysiert Ludwig Tiecks Gedicht „Wonne der Einsamkeit“,
    • das zunächst durch seine chaotische Form
    • unregelmäßiger Reim,
    • unkonventioneller Rhythmus,
    • unterschiedlich lange Strophen – abschreckt.
  • Der Sprecher betont jedoch,
    • dass diese formale Unordnung die innere Freiheit und Unberechenbarkeit der Natur widerspiegelt,
    • die im Gedicht zentral steht.
  • Tieck preist
    • die positive Erfahrung von Einsamkeit inmitten der Natur,
    • personifiziert Vögel und Schmetterlinge als Freunde
    • und kontrastiert die erlösende Natur mit der negativ dargestellten Enge und Qual der Stadt.
  • Die Analyse verdeutlicht somit die romantische Gegenüberstellung von Natur und Zivilisation, wobei die Natur als Ort der Freiheit und seelischen Erlösung hervorgehoben wird.

Reizvoll an diesem Gedicht ist,

  • dass es zunächst einmal wegen seiner chaotischen, wie hingeworfen wirkenden Form und auch einiger sprachlicher Eigenheiten abschreckt,
  • dass man aber sehr schön aus ihm das Programm der Romantik „Natur gegen Stadt/Zivisilisation“ herausarbeiten kann und
  • am Ende feststellt, dass Form und Inhalt sich sehr schön entsprechen.

Hier zunächst unsere Bearbeitung.

Weiter unten dann eine mp3-Datei, die die Anmerkungen erklärt.
Darunter dann noch die Details, die dort angesprochen werden – mit Timeline und Strophenzuordnung.

Audio-Erklärung

Der Text des Gedichtes mit den Anmerkungen aus der mp3-Vorstellung

Die Zahlen geben jeweils Minuten und Sekunden in der Timeline der mp3-Datei an.

Ludwig Tieck

Wonne der Einsamkeit

  • 0:00 Auf den ersten Blick
    nicht sehr attraktiv, Inhalt und Form auch nicht
  • 0:43 Äußere Form, Strophen, Reim
  • 1:18 Rhythmus nicht einheitlich

01  O holde Einsamkeit,

02 O süßer Waldschatten,

03 Ihr grüne Wiesen, stille Matten,

04 Bei euch nur wohnt die Herzensfreudigkeit.

  • 1:58 Überleitung vom Äußeren zum Inhalt, der etwas befremdlich klingt.
  • 3:00 Zusammenfassung der Ausgangssituation: Natur wird positiv gesehen

05 Ihr kleinen Vögelein

06 Sollt immer meine Gespielen sein,

07 Ziehende Schmetterlinge,

08 Sind meiner Freundschaft nicht zu geringe.

  • 3:26 Zweite Strophe:
    Kleine Vögel und Schmetterlinge werden wie Menschen gesehen und als Freunde, aufgewertet

09 Unbefangen

10 Zieht ihr des Himmels blaue Luft,

11 Der Blumen Duft

12 In euch mit sehnendem Verlangen.

13 Ihr baut euch euer kleines Haus,

14 Haucht in den Zweigen Gesänge aus

15 Von Himmels-Ruhe rings umfangen.

  • 4:24 Dritte Strophe:
    Das lyrische Ich geht genauer auf die genannten Tiere ein; sie sind nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich frei, Bedeutung der blauen Farbe als Signal der Romantik („blaue Blume“; genauere Beschreibung des Lebens der Tiere, Betonung des Gesangs

16 Weit! weit!

17 Liegst du Welt hinab,

18 Ein fernes Grab.

19 O holde Einsamkeit!

20 O süße Herzensfreudigkeit!

  • 5:51 Vierte Strophe:
    Gegenstück zur Welt der Natur und der Ruhe;

21 Kommt ihr Beengten

22 Herzbedrängten,

23 Entfliehet, entreißt euch der Quaal,

24 Es beut die gute Natur,

25 Der freundliche Himmel,

26 Den hohen gewölbten Saal,

27 Mit Wolken gedeckt, die grüne Flur:

28 Entflieht dem Getümmel!

  • 6:34 Fünfte Strophe
    Appell an die „Beengten“ und „Herzbedrängten“: Aufruf zur Flucht in die Natur, die als großer Saal gesehen wird;
    Getümmel hätte man noch auf nehmen können

29 O holde Einsamkeit!

30 O süße Freudigkeit!

  • Abschließende Zusammenfassung mit der Hervorhebung von „Einsamkeit“ und „Freudigkeit“, also einer absolut positiven Sicht einer Situation, in der der Mensch dem „Getümmel“ der normalen Welt in die Natur entflohen ist und mit ihr Frieden findet.

Zu den Aussagen, der Intentionalität des Gedichtes

  • 8:00 Was zeigt das Gedicht
  • Die Freude an der Natur
  • Das schöne Leben der Naturwesen im Zentrum der Romantik
  • Negativ gesehen wird die Welt der Städte, beengt, wirkt wie ein Grab, bedrängt das Herz
  • Aufforderung zum Entfliehen und zum Entreißen
  • Natur als Ziel- und Zufluchtsort

Einschätzung des Gedichtes

  • 9:25 Einschätzung: auf den ersten Blick etwas abschreckend, Sprache um 1800, auch die äußere Form wirkt verstörend; die chaotische äußere Form entspricht allerdings dem Inhalt, der in Richtung innere Freiheit geht.

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