Lühe-Tower, Jutta von der, „Die Botschaft“ – oder wie man ohne Worte kommunizieren kann (Mat2048)

Worum es hier geht:

Im Folgenden zeigen wir, wie man eine Kurzgeschichte ganz einfach analysieren und interpretieren kann.
Zum Teil heißt es in der Aufgabenstellung auch, man solle den Text „beschreiben“. Vielleicht will man damit den Schülern die Angst vor den beiden zuerst genannten Begriffen nehmen, aber letztlich läuft es auf das Gleiche hinaus.
Zu finden ist die Geschichte zum Beispiel hier:
Jutta von der Lühe-Tower, „Die Botschaft“, Training Deutsch, 10. Schuljahr, Stuttgart: Klett-Verlag 2006
Was meint man mit „Beschreibung“?
„Beschreibungen“ kennt man aus den frühesten Schuljahren. Gemeint ist damit, dass man auf möglichst geordnete Weise das vorstellt, was man sieht. Eigentlich bezieht sich das nur auf das, was jeder sieht. Aber im Umgang mit Texten gehört dann doch auch noch Fachwissen dazu. Man hat dann zum Beispiel erkannt, dass es eine Kurzgeschichte ist, spricht vom Erzähler usw.
Vom Beschreiben zum Analysieren und Interpretieren
Was eindeutig nicht mehr zum Beschreiben gehört, ist das Interpretieren – und das beginnt schon bei der Entscheidung, welche Themen man in dem Text sieht.
Von daher gehen wir im Folgenden von „analysieren“ und „interpretieren“ aus und zeigen jeweils auf, was davon noch zur Beschreibung gehört und was nicht.
Die Einleitung der Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine Kurzgeschichte von Jutta von der Lühe-Tower mit dem Titel „Die Botschaft“. In ihr geht es um die Frage, wie ein Junge mit seiner Vernachlässigung durch die zerstrittenen Eltern umgeht.

Hauptteil, Teil 1: Inhalt und Aufbau

Hier gliedern wir zunächst den Text, um dann den Inhalt entsprechend zusammenfassen zu können:

Da wir nicht wissen, welche Textausgabe vorliegt, nennen wir zusätzlich zu den uns vorliegenden Zeilennummern jeweils ein Textelement vom Anfang des Abschnitts und eins vom Ende.

Außerdem versuchen wir, fortlaufend das zusammenzufassen, was der Leser bis zu diesem Zeitpunkt erkennt. Denn Geschichten haben natürlich einen vom Autor beabsichtigten Erkenntnisverkauf beim Leser. Das unterscheidet die Inhalts-Aufbau-Beschreibung von einer Inhaltsangabe.

Ein besonders deutliches Beispiel für den Nutzen einer solchen Vorgehensweise ist die Kurzgeschichte „Streuselschnecke“, wo der Leser lange im Unklaren darüber gelassen wird, um was für einen Mann es da geht, mit dem die Ich-Erzählerin zu tun hat.
https://textaussage.de/julia-franck-streuselschnecke

  • 00-11: („Als er“ bis „an den Tisch“)
    Ein „er“ schafft Ordnung in der Küchen und ekelt sich dabei vor einigen Dingen wie „zerdrückten Kippen“ und „Aschekrümeln“, die vom Abend vorher übrig geblieben sind.
  • 12-17: („Er war müde“ bis „geschlossen hatte“)
    Dieser „er“ erinnert sich an den Abend, an dem es laut hergegangen ist und er sich nur hat unter seine Bettdecke verkriechen können, bis die, die den Lärm verursacht haben, wohl seine Eltern, in getrennten Zimmern schlafen gegangen sind.
  • 18-20: („Auch jetzt“ bis „zog er sich an“):
    In diesem Abschnitt geht es darum, wie der Junge alles in Ruhe für sich regelt.
  • 21-33 („Bevor er das Haus verließ“ bis „noch ganz gut fahren“)
    Der Junge geht dann noch einmal in sein Zimmer zurück, holt eine alte Holzlokomotive  mit Kohlewagen und einem Güterwaggon hervor, was Erinnerungen an schöne gemeinsame Spielzeiten mit seinen Eltern hervorruft. Er stellt daraus den Zug zusammen und stellt ihn auf den Küchentisch und stellt dann fest, dass man ihn noch ganz gut fahren lassen kann.
  • 34-35: „Er schnürte seine Stiefel“ bis „ins Schloss fallen“
    Der Junge zieht sich dann an und verlässt das Haus.
Hauptteil, Teil 2:
Die Ermittung der Textaussage(n) bzw. der Intention

Die Geschichte zeigt

  1. zunächst einmal die äußere Verwüstung eines Familienlebens, sichtbar gemacht an der unaufgeräumten Küche mit den Resten des Streits der Eltern.
  2. Dann die Veränderung in der Reaktion des Jungen: Am Abend zuvor hat er sich noch verkrochen, um den Streit nicht hören zu müssen, jetzt bringt er alles in Ordnung, übernimmt also eigentlich Aufgaben, die normalerweise von den Eltern übernommen oder in ihrem Auftrag durchgeführt werden.
  3. Im Zentrum seines Handelns steht dann aber der Hervorholen der alten Holzeisenbahn, mit der viele Erinnerungen an schönere Kindertage verknüpft sind, und die er jetzt ganz deutlich sichtbar in einem fahrfähigen Zustand auf den Küchenstand stellt. Das ist die im Titel angesprochene „Botschaft“ an seine Eltern, ganz ohne Worte, aber mit deutlichen Hinweisen auf das, was einmal gewesen ist und was eigentlich auch wieder so sein sollte.
  4. Am Ende steht dann sein Entschluss, nicht nur die Küche aufzuräumen und seinen Eltern eine Botschaft zu senden, sondern sein Leben auch weiterhin in die eigene Hand zu nehmen. Dabei gibt es nur einen kleinen Hinweis (die „Schultasche“), dass er nicht einfach verschwindet, sondern auch weiterhin verantwortlich handeln will. Er erfüllt seine tägliche Schulpflicht, kann aber dann erwarten, dass es zu Hause zumindest zu einem Gespräch über die aktuelle Familiensituation kommt.
Hauptteil, Teil 3:
Die Unterstützung der Aussagen durch „künstlerische“ Mittel

Hier erst mal nur in Stichworten:

  1. der schon im Titel enthaltene Schlüsselbegriff der „Botschaft“,
  2. dann viele Begriffe, die zu einem gemeinsamen Wortfeld gehören: „sorgfältig“ (3, 30), „gesäubert“ (9), „bedächtig“ (19), „schnürte … fest zu“ (34), „leise“ (35). All das könnte man unter „verantwortlich“ oder „überlegt“ zusammenfassen. Dann würde sogar „umständlich“ in Zeile 20 dazugehören.
  3. Damit hätte man auch das Mittel des Kontrastes zwischen „leise“ und „laut“, „sorgfältig“ und „nicht geleert“ (4).
  4. Auch der Hinweis auf die „zersplitterten Holzstäbchen“, verbunden mit „sinnlos“ unterstützt die Beschreibung der Familiensituation.
  5. Inhaltlich ganz wichtig ist natürlich die Holzeisenbahn, die nicht mehr ganz in Ordnung ist, aber noch „gut fahren“ kann, als Vergleich und vielleicht Brücke zwischen damals und heute.
Hauptteil, Teil 5:
Inwiefern und inwieweit handelt es sich um eine Kurzgeschichte?
  1. Es handelt sich um einen kurzen, aber bedeutungsvollen Ausschnitt aus einem Leben – mit dem Potenzial einer Wende.
  2. Es wird direkt eingestiegen
  3. und der Schluss bleibt offen, was die Reaktion der Eltern und die weitere Entwicklung angeht.
Schluss, Teil 1: Übergang zur Interpretation:
Welche Bedeutung hat die Kurzgeschichte ganz allgemein?

Die Geschichte zeigt etwas, was leider in vielen Fällen stattfindet, nämlich das Ende oder zumindest eine tiefgreifende Infragestellung der Liebe von zwei Menschen, die sich auch auf den gemeinsamen Nachwuchs auswirken sollte.

Neben diesem allgemeinen Phänomen geht es in der Geschichte aber auch – und das macht sie interessant, diskussionswürdig, hilfreich – um die Autonomie des betroffenen Sohnes, der nicht im Versteck seines Bettes bleibt, sondern Verantwortung für sich behält und für die Familie übernimmt.

Geradezu genial ist die Idee dieser besonderen „Botschaft“.

Schluss, Teil 2: Übergang zur Interpretation:
Welche Bedeutung hat die Kurzgeschichte für mich?

Worauf man hier hinweisen könnte, dass man sich mehr Geschichten wünscht, die reale Probleme aufzeigen und originelle Lösungen anbieten. Der Rest ist hier eigentlich schon gesagt.

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