Martin Suter, „Decision Making“ – oder die Frage, was verborgene Ängste mit einem machen können (Mat4084-decision)

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird eine Kurzgeschichte, die die verborgenen bzw. verdrängten Angestellten im oberen Management sichtbar macht.

Gefunden haben wir die Geschichte hier:
https://www.schule.sachsen.de/pa2.php?id=23811
Dort wird als Quelle angegeben:
Aus: Suter, Martin: Unter Freunden. Zürich 2007, S. 176 ff.

Thema und Überschrift:
  • Thema: die geheimen Ängste eines Angestellten
    Die Überschrift „Decision Making“ macht zum einen durch den Anglizismus deutlich, dass es hier um die Business-Ebene geht.
  • Zum anderen weckt es das Interesse, wie es in der Geschichte zu einer Entscheidung kommt.
Übersicht über die Erzählschritte
  • Direkter Einstieg, Ausgangssituation, Begegnung des Protagonisten Steffen, mit einem Arbeitslosen, der auf der Straße Zeitschriften verkauft
  • Reaktion des Protagonisten: Bedürfnis auszuweichen, nicht vor dem Mann, sondern vor dem Phänomen
  • Probleme mit dem Ausweichen
    Sorge, dass er dabei beobachtet werden könnte und damit sein Problem, offensichtlich Arbeitslosigkeit, mit ihm verbunden würde.
  • Deutlich wird, dass das Problem der möglichen Arbeitslosigkeit für Steffen ein Thema ist, nicht aktuell, aber als potenzielle Gefahr.
  • Es folgt das Bemühen, sich zu beruhigen mit der Selbsteinschätzung, dass er sich im oberen Management in gefestigter Position befindet, was natürlich grundsätzlich eine Kündigung nicht ausschließt.
  • Steffen versucht sich dann die Möglichkeit ganz normalen Verhaltens einzureden: kaufen und wieder gehen.
  • Als Nächstes fällt Steffen ein, dass er das Geld schon bereithalten sollte, um nicht in ein Gespräch mit dem Arbeitslosen verwickelt zu werden. Seine Sorge ist, dass jemand da eine Verbindung herstellt.
  • Steffen, macht sich das dann noch klarer, indem er sich eine Situation ausmacht, bei der die Suche nach Geld sogar noch Nervosität sichtbar machen könnte.
  • Als Nächstes diskutiert er die ihm am einfachsten erscheinende Möglichkeit, den Arbeitslosen einfach zu übersehen.
  • Dann kommen ihm auch dazu Bedenken, das könnte als Verdrängen interpretiert werden. Und das weist er als falschen Eindruck weit von sich.
  • Als Nächstes kehrt er zu der Möglichkeit zurück, einfach eins der angebotenen Magazine zu kaufen und zu gehen. Dann aber fällt ihm ein, eine solche Zeitschrift in seinen Händen auch einen falschen Eindruck erwecken könnte
  • Die nächste Variante ist dann, das Produkt zu kaufen, aber nicht mitzunehmen.
  • Er wird dann in seinen Überlegungen und Bedenken erlöst, als eine Frau einfach dem Arbeitslosen eine Zeitschrift abkauft und dann ganz normal weitergeht.
  • Steffen nutzt die Gelegenheit, um zu verschwinden, und macht sich noch einmal klar, wie gut er diese Situation doch bewältigt hat.
Auswertung der Geschichte
  • Das ist dann auch eine Erklärung des Titels, der natürlich ironisch gemeint ist. Denn dieser Mann macht ja alles, nur trifft er keine Entscheidung, sondern wird durch eine andere Person und deren normales Verhalten von seinen Problemen erlöst.
  • Insgesamt macht die Geschichte sehr gut deutlich, wie ein Mensch von Ängsten gequält und in seinen Entscheidungen behindert werden kann, die er mühsam versucht, zu verdrängen.
Vergleichsmöglichkeit:
  • Man kann die Geschichte sehr gut mit Kafka, „Der Nachbar“ vergleichen.
    https://textaussage.de/kafka-der-nachbar-klausur-inhaltsbeschreibung
    Denn auch dort redet sich jemand allerlei ein, nur weil er insgeheim Ängste um seine geschäftliche Existenz hat. Die will er sich aber nicht eingestehen. Er verdrängt sie.
  • Der besondere literarische Einfall dieser Geschichte liegt darin, eine relativ normale Situation von situationsbedingter Besorgnis regelrecht zu einem großen Problem aufzutürmen. Dabei werden auf fast schon krankhafte Art und Weise alle Möglichkeiten durchgespielt, ohne dass man am Ende selbst zu einer Lösung kommt.
  • Insgesamt kann man diese Kurzgeschichte gut im Bereich Kommunikation unterbringen. Dabei ist aber deutlich zumachen, dass diese Kommunikation hier mit sich selbst stattfindet.
  • Daraus ergibt sich die reizvolle Aufgabe, diese Kurzgeschichte zu einer kleinen Szene auszuarbeiten.
Kennzeichen der Kurzgeschichte
  • Typisch für eine Kurzgeschichte gibt es hier einen direkten Einstieg, der durch nachträgliche Hinweise und Erklärungen erst ganz verständlich wird. Über die Vorgeschichte oder gar das frühere Leben des Mannes erfährt man nur, dass er verheiratet ist, seiner Frau etwas mitbringen soll/möchte und insgesamt in einer Position ist, die eigentlich Selbstbewusstsein verleihen könnte. Dem ist aber nicht so, woraus eine Abfolge selbstquälerischer Überlegungen entsteht, aus der ihn nur das normale, unbefangene Verhalten eines anderen Menschen befreien kann – und sei es nur, dass er ihm unbewusst Deckung verschafft.
  • Was das offene Ende angeht, ist es hier auf eine besondere Art und Weise offen. Denn es liegt ja in Wirklichkeit keine Entscheidung vor, sondern die Gefahr besteht, dass diese und ähnliche Situationen sich endlos aneinanderreihen.
Überlegungen zum Weiterschreiben der Geschichte
  • Man könnte überlegen, wie das Leben dieses Mannes weitergehen könnte. Zum Beispiel könnte er von einem guten Freund aus alten Tagen gesehen worden sein, mit dem er in ein vertrauliches Gespräch kommt. Dabei erfährt Steffen, wie ein anderer mit seiner Arbeitslosigkeit umgeht.
  • Am Ende stellt Steffen dann zwei Dinge fest: Er ist glücklicherweise noch nicht soweit und zweitens weiß er, dass man auch damit überleben kann.
  • Die andere Möglichkeit wäre, dass er am nächsten Tag ins Büro kommt, zu seinem Chef gerufen wird, der ihn wegen guter Leistungen befördert.
  • Oder aber er kommt mit den Bachblüten nach Hause, sieht sehr verstört aus. Und es kommt zu einem Gespräch mit seiner Frau, die ihm zum Beispiel rät, mit seinen Ängsten professionell umzugehen, d.h. sich Hilfe zu holen. Nach dem Motto: Jetzt reicht es, willst du wirklich erst krank werden?!

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