Mascha Kaléko, „Die Leistung der Frau in der Kultur“ (Mat4305-lfk)

Worum es hier geht:

  • Im Gedicht „Die Leistung der Frau in der Kultur“ von Mascha Kaléko wird auf ironische Weise die Rolle der Frau in der Gesellschaft und ihre unerkannte kulturelle Leistung thematisiert.
  • Gefunden haben wir das Gedicht z.B. hier.
  • Der Titel selbst ist bereits ironisch gemeint und deutet an, dass die kulturellen Beiträge von Frauen kaum anerkannt oder übersehen werden.

Inhalt der Strophen

Strophe 1 (Verse 1-8):

  • Die erste Strophe führt den ironischen Unterton des Titels fort und stellt fest, dass berühmte „Herren vom Fach“ wie Wagner und Heine stets eine „weibliche Schatz“ wie Cosima oder Mathilde hatten.
  • Die Zeile 2 zeigt dann eine zurückweisende Haltung, die deutlich macht, dass man nicht weniger weiß als die Männer. Damit begegnet man einem landläufigen Vorurteil.
  • Die Sprecherin beklagt, dass Frauen selbst „Des Künstlers Frau“ oder einen gleichwertigen Ersatz vermissen.
    Diese Zeile ist nicht so ganz klar: Eigentlich müsste es heißen „Der Künstlerin Mann“.
  • Deutlich wird aber auf jeden Fall, dass Frauen nicht die unterstützende Rolle innehaben, die es ihnen ermöglichen würde, sich selbst künstlerisch zu entfalten.

Strophe 2 (Verse 9-16):

  • Diese Strophe beschreibt die typischen Aufgaben dieser „Künstlers Frau“.
  • Sie mag keine schöngeistige „Venus“ sein, aber
    • sie tippt Manuskripte,
    • kocht,
    • reinigt die Zimmer
    • und kassiert das Honorar im Hintergrund.
  • Dies hebt die praktische, oft unsichtbare Arbeit hervor, die es Männern ermöglicht, ihre kreativen Leistungen zu erbringen.

Strophe 3 (Verse 17-24):

  • Hier werden weitere berühmte männliche Persönlichkeiten wie William Shakespeare, Siegfried und Don Carlos genannt.
  • Die Sprecherin betont, dass diese Männer während ihrer großen Taten oder beim Verfassen ihrer Werke nicht mit alltäglichen Pflichten wie dem „Säugling trockenzulegen“ belästigt wurden.
  • Dies unterstreicht die geschlechterbezogene Arbeitsteilung.

Strophe 4 (Verse 25-32):

  • Ein weiteres Beispiel ist Petrarca, dessen „Seele, weltentzückt“, sich ungehindert von Pflichten wie „Gemüseputzen“ dem „Sonette-Stutzen“ widmen konnte.
  • Dennoch stand ihm zur Mittagszeit sein Essen bereit, sei es „Kohl“ oder „römische Delikatessen“.
  • Dies verdeutlicht, dass die häuslichen Pflichten von Frauen die Grundlage für die männliche kreative Freiheit bildeten.

Strophe 5 (Verse 33-39):

  • Die letzte Strophe bringt die Kritik auf eine persönliche Ebene zurück.
  • Die Dichterin selbst würde gerne weiterschreiben, muss aber „wie stets, unterbrechen“, da ihr Gemahl sie ruft, um sein „nächstes Konzert“ zu besprechen.
  • Dies zeigt die direkte Erfahrung der Künstlerin mit den Barrieren, die sie gerade beschreibt.

Intentionalität/Aussagen des Gedichtes

Das Gedicht zeigt:

  1. dass Frauen sehr wohl kulturelle Leistungen erbringen, diese jedoch oft im privaten, alltäglichen Bereich liegen (Erziehung, Fürsorge, emotionale Arbeit) und daher in der traditionellen Kultur als „unbedeutend“ oder „nicht wertvoll“ gelten.
  2. dass die großen Werke der „Hochkultur“ von Männern sind nur durch die unsichtbare und unbezahlte „Fron ihrer Zeitgenossen“ – meist Frauen – möglich gewesen. Ohne diese Unterstützung hätten Männer nicht die Freiheit gehabt, sich ausschließlich ihren künstlerischen oder intellektuellen Arbeiten zu widmen.
  3. die Doppelmoral, die von Frauen erwartet, dass sie sich um den Haushalt und die Familie kümmern, während ihnen gleichzeitig die Anerkennung für eigene schöpferische Arbeit verwehrt bleibt, da ihnen die notwendige „Des Künstlers Frau“ fehlt. Es fordert implizit eine Neubewertung und Anerkennung weiblicher Leistungen.

Sprachliche, rhetorische und andere Mittel

  • Ironie und Sarkasmus: Dies ist das wichtigste Stilmittel.
    • Der Titel ist das erste Beispiel einer beißenden Ironie.
    • Die gesamte Aufzählung, was Frauen nicht getan haben, dient dazu, die Erwartungen der Gesellschaft zu entlarven.
    • Die Schlussstrophe, in der die Dichterin selbst durch die Anforderungen ihres Ehemannes unterbrochen wird, ist der Höhepunkt dieser Ironie.
  • Wiederholungen und Aufzählungen:
    • Durch die wiederholte Aufzählung von Dingen, die Frauen nicht erreicht haben („Sie schuf nicht das, sie schuf nicht dies…“), wird die gesellschaftliche Geringschätzung und die Unmöglichkeit, unter den gegebenen Umständen „Großes“ zu leisten, betont.
  • Kontraste:
    • Das Gedicht stellt die „großen Leistungen“ der Männer (Philosophen, Dichter, Krieger) den „alltäglichen Leistungen“ der Frauen (Kochen, Erziehen, Trösten) gegenüber, um die Doppelmoral und die Unsichtbarkeit weiblicher Arbeit hervorzuheben.
    • Hyperbel (Übertreibung):
      • Kaléko übertreibt bewusst die Erwartungen an Frauen (z.B. „Sie hat nicht Rom erbaut“), um die Absurdität der gesellschaftlichen Maßstäbe aufzuzeigen.
  • Einfache, zugängliche Sprache (Alltagssprache):
    • Die Sprache des Gedichts ist klar, verständlich und nah an der Alltagssprache.
    • Dies passt zu Kalékos Stil der „Gebrauchslyrik“, die bewusst auf akademische oder „verstiegenes Hochlyrik“ verzichtet und stattdessen Themen des täglichen Lebens aufgreift, oft mit einem humoristischen, melancholischen oder bissigen Unterton.
  • Direkte Ansprache:
    • Die Anrede „Meine Herren“ zu Beginn des Gedichts zieht das Publikum direkt in die Argumentation hinein.

Insgesamt nutzt Kaléko diese Mittel, um eine tiefgreifende Gesellschaftskritik an der Geschlechterrollenverteilung und der Bewertung von Arbeit und Kunst in der Weimarer Republik zu formulieren, die auch heute noch aktuell ist.

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