Thema:
Das Gedicht gehört zur Gattung der Lyrik und thematisiert den Gegensatz zwischen Gelehrsamkeit und Lebensgenuss.
Martin Opitz
Ich empfinde fast ein Grauen
- Ich empfinde fast ein Grauen
- Dass ich, Plato, für und für
- Bin gesessen über dir;
- Es ist Zeit hinaus zu schauen
- Und sich bei den frischen Quellen
- In dem Grünen zu ergehn,
- Wo die schönen Blumen stehn
- Und die Fischer Netze stellen.
- Strophe 1 (V. 1–8): Der Sprecher fühlt sich von zu viel Studium abgestoßen und sehnt sich nach der Natur. Er möchte die frische Luft genießen und sich dem Leben außerhalb der Gelehrsamkeit zuwenden.
- Wozu dienet das Studieren
- Als zu lauter Ungemach?
- Unter dessen läuft der Bach
- Unsers Lebens, das wir führen,
- Ehe wir es inne werden,
- Auf ihr letztes Ende hin,
- Dann kommt ohne Geist und Sinn
- Dieses alles in die Erden.
- Strophe 2 (V. 9–16): Das Studieren wird als sinnloses Leid beschrieben, weil das Leben ohnehin vergeht, ohne dass man es bemerkt. Am Ende steht der Tod, der das gesamte Streben hinfällig macht.
- Holla, Junge, geh‘ und frage
- Wo der beste Trunk mag sein,
- Nimm den Krug und fülle Wein.
- Alles Trauern, Leid und Klage
- Wie wir Menschen täglich haben,
- Eh‘ uns Clotho fortgerafft,
- Will ich in den süßen Saft,
- Den die Traube gibt, vergraben.
- Strophe 3 (V. 17–24): Der Sprecher fordert einen Diener auf, Wein zu holen. Trauer und Sorgen sollen im Alkohol ertränkt werden, da der Tod (verkörpert durch die Schicksalsgöttin Clotho) unvermeidlich ist.
- Kaufe gleichfalls auch Melonen.
- Und vergiss den Zucker nicht;
- Schaue nur, dass nichts gebricht. [fehlt]
- Jener mag der Heller schonen, [mit seinem Geld sparsam umgehen]
- Der bei seinem Gold‘ und Schätzen
- Tolle sich zu kränken pflegt
- Und nicht satt zu Bette legt;
- Ich will, weil ich kann, mich letzen. [mich an Schönem erfreuen]
- Strophe 4 (V. 25–32): Der Sprecher verachtet Geiz und Maßhalten. Stattdessen will er sich an Speisen und Getränken erfreuen, solange er kann.
- Bitte meine gute Brüder
- Auf die Musik und ein Glas;
- Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass, [kommt mir besser vor]
- Als ein Trunk und gute Lieder.
- Lass‘ ich schon nicht viel zu erben,
- Ei, so hab ich edlen Wein;
- Will mit Andern lustig sein,
- Wenn ich gleich allein muss sterben.
- Strophe 5 (V. 33–40): Gemeinsam mit Freunden und Musik möchte er das Leben genießen. Er akzeptiert den Tod, doch solange er lebt, will er sich dem Vergnügen hingeben.
Aussage des Gedichts
Das Gedicht zeigt die barocke Spannung zwischen „Memento mori“ (Gedenke des Todes) und „Carpe diem“ (Nutze den Tag). Zunächst wird die Vergänglichkeit des Lebens betont, doch anstatt in Melancholie zu verfallen, fordert der Sprecher zu Genuss und Freude auf.
Sprachliche und rhetorische Mittel
- Antithese (V. 1–4): Der Gegensatz zwischen Studium und Natur symbolisiert die Spannung zwischen Geist und sinnlicher Freude.
- Personifikation (V. 22): „Eh’ uns Clotho fortgerafft“ – Die Schicksalsgöttin Clotho steht für das unausweichliche Ende.
- Metapher (V. 12): „Unsers Lebens, das wir führen“ als fließender Bach – Das Leben vergeht unaufhaltsam.
- Imperative (V. 17, 25, 33): Der Sprecher fordert aktiv zum Genuss auf, was seine Lebensfreude unterstreicht.
- Vergleich (V. 35): „Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass, als ein Trunk und gute Lieder.“ – Der Genuss steht über allem.
Interpretation und Bedeutung
- Das Gedicht kann als Aufruf verstanden werden, das Leben trotz seiner Vergänglichkeit zu genießen.
- Es folgt einer typischen barocken Lebenshaltung: Einerseits wird der Tod als unausweichlich betrachtet, andererseits wird daraus die Motivation gezogen, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
- Damit setzt Opitz sich bewusst von der reinen Askese ab, die in vielen religiösen Texten seiner Zeit betont wurde.
7. Einschätzung der Qualität
- Opitz gelingt es, mit klaren Bildern und einer rhythmischen Sprache die zentrale barocke Thematik aufzugreifen.
- Die Sprache ist trotz ihres Alters verständlich, und der regelmäßige Reim trägt zur Harmonie des Gedichts bei. Besonders gelungen ist die Verbindung von Tiefsinn (Vergänglichkeit) mit Leichtigkeit (Lebensfreude).
Mias persönliche Erst-Reaktion:
Mia ist unsere Testerin, die sich auch so ein Barockgedicht gerne mal vornimmt 🙂
- Die ersten Zeilen klingen melancholisch, aber dann wird es immer fröhlicher.
- Der Gegensatz zwischen Lernen und Leben ist voll nachvollziehbar – ich kann es fühlen!
- Das Gedicht klingt fast wie ein Trinklied, besonders am Ende.
- Es ist cool, dass Opitz den Wein als Symbol für Genuss nimmt.
- Die Sprache ist alt, aber trotzdem gut verständlich.
- Die Idee, sich nicht zu viele Sorgen zu machen, gefällt mir.
- Ich finde es spannend, dass er den Tod akzeptiert, aber nicht verzweifelt.
- Der Rhythmus macht es angenehm zu lesen.
- Ich hätte nicht gedacht, dass ein Barock-Gedicht so lebensfroh sein kann!
- Ich würde das Gedicht gern mal mit Musik hören – es könnte ein Lied sein.