Paul Fleming, „An sich“

Zu finden ist dieses Gedicht zum Beispiel hier.

Paul Fleming

An sich

  • Die Überschrift ist sehr kurz und deutet nur an, dass hier jemand zu sich selbst spricht.
  • Es kann natürlich auch gemeint sein, dass hier jemand etwas genauer auf den Punkt bringen will. Zum Beispiel einer zum anderen: An sich ist das doch eine gute Idee.

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  1. Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren!
    u    B   u        B  u  B       u    B     u       B  u  B  u
    Sechshebiger Jambus mit Zäsur in der Mitte.
  2. Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
  3. vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
  4. hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

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  • Die erste Strophe klärt dann, dass hier wirklich jemand sich selbst etwas sagen will.
  • Dennoch ist es nicht verkehrt, bei Äußerungen in einem Gedicht an alle Möglichkeiten zu denken.
  • Hier wird jedenfalls deutlich, dass es lyrische Ich sich selbst Mut machen möchte.
  • In der zweiten Zeile ist man zunächst erstaunt, denn warum sollte man seinem Glück ausweichen. Später wird wird deutlich, dass Glück hier steht für die Wechselfälle des Lebens, also auch Gefahren beinhalten kann.
  • Hier könnte man als Experte verweisen auf das Glücksrad der Fortuna. https://en.m.wikipedia.org/wiki/Rota_Fortunae
  • Auf jeden Fall soll man auf sich selbst vertrauen, ganz gleich, was einem widerfährt.
  • Besonders hervorgehoben wird noch der Neid, den scheint das lyrische ich in besonderer Weise im Auge zu haben.
  • Neid führt ja häufig auch zu Intrigen und gefährdet dann das Glück, dass man sich auch zum Beispiel erarbeitet hat.

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  1. Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren;
  2. nimm dein Verhängnis an. Laß alles unbereut.
  3. Tu, was getan muß sein, und eh man dir’s gebeut.
  4. Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.

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  • Die zweite Strophe geht dann noch weiter und empfiehlt das, was einem widerfährt, auch zu betrachten, als hätte man es selbst gewählt.
  • Das klingt ehrlich, soll aber wohl nur betonen, dass man selbst eben eher Herr seines Schicksals sein soll.
  • Im weiteren Verlauf wird noch deutlich, dass es vor allen Dingen auf Aktivität ankommt. Das Gedicht geht davon aus, dass es Grund zur Hoffnung gibt.

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  1. Was klagt, was lobt man noch? Sein Unglück und sein Glücke
  2. ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
  3. dies alles ist in dir. Lass deinen eitlen Wahn,

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  • Im ersten der beiden Terzette (Strophe mit drei Zeilen im Sonett)
  • gibt es noch eine Art Zusammenfassung. Man soll sich nicht mit der Unterscheidung von Glück und Unglück aufhalten, sondern alles in sich selbst und der eigenen Verantwortung sehen.

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  1. und eh du fürder [vorwärts]gehst, so geh in dich zurücke.
  2. Wer sein selbst Meister ist  und sich beherrschen kann,
  3. dem ist die weite Welt und alles untertan.

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  • Die letzte Strophe setz noch einmal eindeutige Prioritäten, bevor man sich mit dem beschäftigt, was von außen kommt beziehungsweise irgendwie nach vorne geht, soll man in sich selbst hinein gehen.
  • Dementsprechend erscheint Selbstbeherrschung als höchste Tugend.
  • Das ist wohl eher ein Abschlussappell, denn mit der Wirklichkeit hat das natürlich nicht viel zu tun.
  • Aber grundsätzlich dürfte das Gedicht schon recht haben: Derjenige, der sich auf sich selbst verlässt und das Beste von sich aus mit einer Situation macht, dürfte am Ende besser wegkommen als jemand, der nur anklagt und sich selbst vielleicht bemitleidet.

Insgesamt ein Gedicht, das auf eine sehr radikale, absolute Weise den Menschen Mut machen will. Denn natürlich kann man davon ausgehen, dass das lyrische Ich sich das nicht nur selbst sagt, sondern sich auch an alle anderen wendet.

Letztlich sind die zentralen Aussagen die, dass man einem wankelmütiger Glück ausgesetzt ist, also nicht immer voll berechenbaren Wechselfällen des Lebens gegenübersteht.
Und bei alldem soll man sich selbst nicht als Objekt, sondern als Subjekt der Geschehnisse verstehen.

Dann gibt es das Versprechen, dass man alles meistern kann. Welche Spielmöglichkeiten beziehungsweise Spielräume es dabei im Einzelfall gibt, müsste man diskutieren.

Insgesamt handelt es sich um die für das Barockzeitalter  typische Gedichtform des Sonetts. Ebenfalls typisch ist der Rhythmus mit sechs aufeinanderfolgenden Jamben , getrennt durch eine Zäsur in der Mitte.

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