Paulina Behrendt, „Strebertext“ – ein vielsagendes Gedicht der Gegenwart (Mat2793)

Worum es hier geht:

Wir schauen uns hier einen Ausschnitt aus einem Poetry-Beitrag an, den man komplett als Video hier finden kann:
https://youtu.be/u86INVwVs9w?si=3fGzA-pswKsWGVkG

Wir konzentrieren uns hier auf die Ausschnitte, die in dem folgenden Oberstufen-Deutschbuch auf S. 89 präsentiert werden.
Texte, Themen und Strukturen. Deutschbuch für die Oberstufe. Nordrhein-Westfalen

Herausgegeben von Andrea Wagener und Angela Mielke,

  1. Auflage, Cornelsen Verlag GmbH, Berlin 2024

ISBN 978-3-06-061033-4

 

Aus urheberrechtlichen Gründen präsentieren wir hier nur den jeweiligen Verszeilen-Anfang und kommentieren dann die Sinn-Abschnitte:

 

Paulina Behrendt

 

Strebertext

 

[(2021)]

 

  1. (Strophe 1): Und ich steh
  2. an diesem
  3. der sich Zuhause
  4. und find,
  5. nicht mal
  6. der und das
  7. was ich
    • Anmerkungen zu Strophe 1:
      In den ersten sieben Zeilen beschreibt das lyrische Ich seine Situation.
    • Es ist zu Hause – empfindet aber Distanz dazu, was sich an dem „nennt“ in Zeile 3 zeigt.
    • Im Unterschied zur leichtfertigen Benennung (man nennt das einfach so, ohne nachzudenken) findet das lyrische Ich keine wirkliche sprachliche Bezeichnung, die es für angemessen hält.
    • Dann eine schöne Formulierung: Wenn man etwas sagt, zu dem man wirklich stehen kann, dann „bekennt“ sich das in gewisser Weise auch zu einem.
  8. (Strophe 2) Denn seit
  9. schau mich
  10. Mal tret
  11. und mal
  12. um dann
  13. den Inhalt
    • Anmerkungen zu Strophe 2:
      Es folgt in den Zeilen 8 bis 13 ein Rückblick auf die Stunden, die das lyrische Ich da anscheinend ratlos vor dem Spiegel gestanden hat.
    • Wahrscheinlich ist die Zeitangabe eine Übertreibung, die dem aktuellen Gefühl entspricht.
    • Das lyrische Ich hat alles getan, um sich genau im Spiegel in Augenschein nehmen zu können, wobei es sein Gegenüber sogar versucht hat, zu berühren.
  14. (Strophe 3) und während
  15. bei dieser
  16. ja, da
    • Anmerkungen zu Strophe 3:
      Dann gibt es in den Zeilen 14-16 eine überraschende Erkenntnis:
    • Das lyrische Ich hat plötzlich das Gefühl zu verstehen, „wer ich bin“.
    • Leserlenkung:
      Als Leser oder Zuhörer ist man gespannt, worauf das hinausläuft.
      (…)
  17. (Strophe 4) Und sorry
  18. lange habe
  19. hab dein
  20. Maxime
  21. deine Authentizität
  22. und dein
  23. literweise mit
  24. sodass es
    • Anmerkungen zu Strophe 4:
      In den Zeilen 17-25 dann nicht die erhoffte positive Erkenntnis,
    • sondern ein negativ-kritischer Rückblick
      was das lyrische Ich alles falsch gemacht hat mit sich selbst.
  25. (Strophe 5) Doch ist
  26. Von wegen
  27. von Wegen
  28. von wegen,
    • Anmerkungen zu Strophe 5:
      Es folgt eine Reflexion der Wege, wobei mit der Wendung „von wegen“ gespielt wird, die ja Gegensätze andeutet.
    • Offensichtlich ist das lyrische Ich hier auf dem Weg, zu seinen wirklichen Zielen zurückzukehren, auch wenn es mal Staus gibt oder man erstaunt ist.

(…]

  1. (Strophe 6) Aber, liebes
  2. nun spitz
  3. denn ich
  4. hier und
  5. heute nicht
  6. an dir
  7. nein, ich
  8. dich mal
  9. Und, verd
  10. ich mag
    • Anmerkungen zu Strophe 6:
      In dieser Strophe wird man näher an die Situation herangeführt, in der das lyrische Ich sich längere Zeit vor dem Spiegel befunden hat.
    • Offensichtlich hat es sich mit sich auseinandersetzen wollen
    • Und jetzt sein Ziel erreicht – mit einem guten Ergebnis.
  11. (Strophe 7) Gestatten: Streber
  12. Bin wie ein Cup
  13. bin wie das
  14. bin wie die
  15. Ja, und
  16. folgt keiner
  17. unterliegt keiner
  18. ist keine
  19. und auch
  20. aus neu
  21. und provokanter
    • Anmerkungen zu Strophe 7:
      Erstaunlicherweise bezeichnet sich das lyrische Ich als „Streber“, was meistens nicht gut ankommt.
    • Hier könnte allerdings etwas Positives gemeint sein, weil es darum geht, seiner Existenz (im Bild des Cupcakes) auch noch das hinzuzufügen, was ihn erst vollkommen macht.
    • Das wird dann am Beispiel der Dame im Schachspiel noch unterstrichen.
    • Es folgt ein ganzer Schwall von Dingen, von denen sich das lyrische Ich bei seinem Streben distanziert.
    • Offensichtlich geht es um etwas Nicht-Rationales, also etwas, was der ganzen eigenen Existenz entspricht.
    • Hier gibt es interessante Querbezüge zur Klassik (Bildung als Streben nach Vollkommenheit) und zur Romantik, was die Ablehnung einer Reduktion des Menschen auf das Rationale angeht.
  22. (Strophe 8) Nein, verdammt,
  23. stattdessen ist die
  24.  ziemlich,
  25. denn ich bin
  26. nein, Mann,
    • Anmerkungen zu Strophe 8:
      Am Ende noch mal eine sehr gefühlsbetonte Betonung der Distanzierung von der Rationalität, vielleicht auch der Normalität.
    • Anschließend gibt es den Rückzug auf eine ganz einfache Wahrheit, die nichts damit zu tun hat, dass man bewusst an etwas aus der Vergangenheit anknüpft.
    • Stattdessen eine seltsame Schlussbemerkung, mit der man sich dazu bekennt, derbe, also auf sehr natürliche, menschliche Art und Weise „uncool“ zu sein. Man versucht also gerade nicht, Aufmerksamkeit durch Abweichung zu erzielen, sondern wendet sich seinem wahren Selbst zu und konzentriert sich auf dessen „Bildung“ im Sinne von Weiterentwicklung.