Robert Seethaler „Der Trafikant“ – Im Gestapo-Hauptquartier und Tod Ottos (Mat1713-13)

Worum es hier geht:

  • Wir wollen den Roman von Robert Seethalter möglichst so vorstellen, dass man
    • gleich weiß, worum es geht,
    • Durchblick beim Inhalt
    • und beim Aufbau des Romans hat,
    • Hinweise zum Verständnis bekommt
    • und zur Frage, was man damit anfangen kann.

Im Gestapo-Hauptquartier und Tod Ottos

    • Als sein Chef bereits eine Woche weg ist, macht sich Franz auf die Suche nach ihm.
    • Er landet schließlich im Hotel Metropol, wo sich die Dienststelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) befindet.
    • Dort wird er vom Portier abgewiesen, kommt immer wieder, bis
    • dieser impertinente Bursche“ (183) schließlich von einem Mann, dessen „Schattenlächeln“ (183) schnell in brutale Gewalt ausartet, auf die Straße gesetzt wird.
    • Die Episode endet damit, dass Franz den dabei herausgeschlagenen Zahn sorgfältig in einer Schublade verstaut.
    • Anmerkung: Es könnte geklärt werden, was in diesem Falle ein „Schattenlächeln“ ist, denn das ist ja für eine bestimmte Art von Terrorgewalt wohl typisch. Im Hinblick auf Foltermaßnahmen ist ja auch die Rede von einer Abwechslung von scheinbarer Freundlichkeit und äußerster und dann besonders überraschender Brutalität.

     

    • S 185: Kontrast von beginnendem Sommer und seinen angenehmen Begleiterscheinungen einerseits und den Terroraktionen der neuen Naziherrschaft andererseits.
    • Beim Abtransport einer Gruppe politischer Gefangener ins KZ Dachau geschieht „etwas Seltsames. Alle Gefangenen an den Fenstern winkten zurück. Der Bub rannte bis zum Ende des Bahnsteigs. Dann blieb er stehen und legte seine Hand über die Augen. Noch von weitem, als der Zug sich allmählich im Gegenlicht der Morgensonne auflöste, sah er aus wie ein riesiger, davon kriechender Wurm mit unzähligen winkenden Gliedern.“
      An diesem Beispiel wird der Gegensatz zwischen Menschlichkeit und Hintergrundterror deutlich. Wichtig ist wohl der Schluss, der deutlich macht, dass die Menschlichkeit nur ein sehr kleiner Ausschnitt ist, während die Gewaltherrschaft im Vergleich dazu riesig ist und wohl auch abstoßend erscheinen soll.
    • Der Briefträger geht zuerst zum Professor Freud, bei dem die Post von Geheimpolizisten geprüft wird, dann gibt er bei Franz ein „behördliches Packerl“ (190). Darin befindet sich das, was nach dem wohl gewaltsamen Tod des Trafikanten an Überbleibseln den Angehörigen übergeben wird, u.a. seine fadenscheinige Hose.
    • Auch das sollte man sich mal klar machen, wobei die Textstelle im Roman schon sehr gute Voraussetzungen dafür präsentiert: Die äußerste Brutalität und mörderische Rechtlosigkeit wird in scheinbare bürokratische Normalität gehüllt. Überhaupt ist diese unmenschliche Penibilität und Sorgfalt ein Kennzeichen des Faschismus. Nicht von ungefähr spricht man ja auch von fabrikmäßiger Vernichtung von Juden in den Konzentrationslagern – und „Fabrik“ steht dabei nicht nur für die Größe der Anlagen, sondern auch die Präzision, mit der da getötet wird.
    • Ab S. 194 zeigt Franz sich wieder als jemand, der Unrecht nicht einfach hinnimmt, sondern auch bereit ist, die Schuldigen damit und vor allem mit dem schrecklichen Ergebnis zu konfrontieren: Er geht nämlich mit der Hose seines ermordeten Chefs rüber zum Fleischer und macht dem mit einer Ohrfeige deutlich, dass er ihn für mitschuldig hält. Aufschlussreich ist die Reaktion des Getroffenen: „Roßhuber rührte sich nicht […] Er stand nur da und stierte durch Franz hindurch, schwer, stumm und unbeweglich […] ‚Eduard!‘, sagte die Frau mit vor Entsetzen verzerrtem Gesicht […] ‚Eduard, jetzht mach halt was!‘ Doch der Fleischermeister machte nichts. Erst nachdem Franz Otto Trsnjks Hose unter den Arm genommen und die Fleischerei verlassen hatte, bewegte er sich wieder. Ganz langsam hob er beide Hände und ließ mit einem langgezogenen, dumpfen Stöhnen sein Gesicht in die Handflächen sinken.“ (196)
    • Hier taucht die Frage auf, warum dieser scheinbar so mutige Nazi sich vor seiner Frau gegenüber diesem Jungen so schwach zeigt. Das kann an seinem doch aufkommenden Schuldgefühl liegen, vielleicht aber auch an der Feigheit, die viele Gewalttäter aussieht, wenn sie ganz allein und ohne einen vorbereiteten Plan-Kontext jemandem gegenüberstehen.
    • Bezeichnend für Franz ist aber auch, dass er seine Mutter in einem Brief auf S. 196 auch hier wieder schont: Was das Schicksals seines Chefs angeht, spricht er nur von einem Tod durch Herzversagen – so wie er in einem früheren Brief nach der Verhaftung nur von einer Erkrankung (vgl. 164) geschrieben hat.
    • Hier könnte man wieder diskutieren, was mögliche Motive dafür sein können und was ggf. auch dagegen spricht, dass Franz sich so verhält.

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