Rollenbiografie der Figur der Eve aus Kleist, „Der zerbrochene Krug“
Wenn ein Fachbegriff ziemlich falsch ist:
Der Begriff Rollenbiografie ist einer der schlechtesten Begriffe des Deutschunterrichts. Allerdings hat er sich eingebürgert und man wird ihn wohl nicht mehr los.
Warum nun ist dieser Begriff schlecht:
Was die Rolle angeht, so geht es um das, was ein Schauspieler als Figur in einem Theaterstück präsentiert. Das ist in Ordnung.
Eine Biografie ist aber eine mehr oder weniger wissenschaftliche Darstellung des Lebens einer meist berühmten Person.
In der Praxis des Deutschunterrichts meint man mit „Rollenbiografie“ etwas ganz anderes: Dort soll man sich gewissermaßen in eine Figur hineinversetzen. Anschließend schreibt man einen Text, in dem diese Figur sich selbst vorstellt.
Da uns kein besserer Begriff eingefallen ist, sprechen wir erst mal von „Ich-Rollenvorstellung“. Denn es geht um die Vorstellung der Rolle einer Theaterfigur aus der Ich-Perspektive.
Wir zeigen hier mal, wie sich eine Figur vorstellen kann – ohne gleich alles zu verraten und damit die Spannung zu zerstören.
Die „Ich-Rollenvorstellung“ der Eve aus Kleist, „Der zerbrochene Krug“
Ich bin Eve Rull, und das ist das, was ich in dem Theaterstück „Der zerbrochene Krug“ zu spielen habe – und natürlich auch, was mit mir gemacht wird.
Ich lebe in Huisum, einem kleinen Dorf, in dem die Menschen viel reden, oft zu viel.
Meine Mutter Marthe ist eine willensstarke Frau. Sie hat mich streng erzogen und träumt davon, dass ich eine gute Partie mache.
Deshalb bin ich verlobt mit Ruprecht Tümpel, einem ehrlichen und gutmütigen Mann.
Er mag manchmal etwas stürmisch sein, doch ich spüre, dass er mich liebt.
Unsere Verbindung könnte mir Sicherheit und eine Zukunft geben …
… doch dann geschah etwas, das mein Leben aus den Fugen riss.
Mein Verlobter sollte zum Militärdienst eingezogen werden – und es gab sogar die Gefahr, dass er in eine fieberversuchte Gegend in Ostasien geschickt würde.
Da war die Gefahr groß, dass er nicht wiederkommen würde.
Da machte mir unser Dorfrichter Adam das Angebot, dass er ihm eine Art Attest besorgen würde, das ihn vom Militärdienst befreit – zumindest in dieser gefährlichen Gegend.
Leider besuchte er mich spätabends, während meine Mutter schon schlief. Schlimm wurde es, als er anfing, mich zu bedrängen.
Er ist ein mächtiger Mann hier im Dorf, einer, der sich nimmt, was er will, und mit seinem Amt Macht über uns alle hat.
So wurde ich vor die schreckliche Wahl gestellt: meine Ehre und mein guter Ruf oder aber die Rettung meines Verlobten.
Glücklicherweise erschien mein Verlobter und rettete mich – dabei ging allerdings ein Krug kaputt, der meiner Mutter viel bedeutet.
Sie hat es geschafft, den Fall dieses Kruges vor Gericht zu bringen.
Im Stück könnt ihr dann sehen, wie dieser Dorfrichter versuchte, mit allen Tricks seine eigene Schuld außen vor zu lassen.
Zu Hilfe kam mir, dass genau an diesem Tag ein hoher Beamter auf Inspektionsreise vorbeikam.
Das heißt: Er wollte wissen, wie der Dorfrichter Adam mit seinem Amt klarkommt.
Ihr könnt euch vorstellen, dass es da zu ziemlich seltsamen Szenen kam. Schließlich ist das Stück ja auch eine Komödie, wo man an manchen Stellen richtig lachen kann.
Am Ende wurde alles aufgedeckt – und der hohe Beamte sorgte sogar dafür, dass mein Verlobter nicht in ferne Länder geschickt wird. Ein bisschen Warten noch – dann können wir heiraten und glücklich sein.