Sarah Kirsch, „Ende des Jahres“ (Mat1749-edj)

Worum es hier geht:

In der Zentralen Klausur des Jahres 2025 ist  in NRW anscheinend das folgende Gedicht drangekommen.

Gefunden haben wir es hier.

Wir zeigen hier mal, was man rauskriegen konnte, wenn man

  • „induktiv“, also Zeile für Zeile Verständnis aufbaut
  • Und dieses Verständnis ständig „hermeneutisch“ überprüft: also immer wieder mit dem Gesamtgedicht abgleicht.

Das Video dazu

Videolink
Die direkte Sprungmöglichkeiten zu den Clips
00:00 Intro – NRW-Klausur & Gedicht „Ende des Jahres“ 00:35 Titeldeutung & Arbeitsmethode (induktiv + hermeneutisch) 00:54 Zeilen 1–2: Atompilze als „Normalbild“ 01:26 Ästhetik statt Inhalt – Fotografien als Tarnung 02:02 Zeile 5: „Blauer Planet“ und bedrohte Erde 02:40 Zeilen 6–7: Neutronenbombe – Leben vernichtet, Panzer bleibt 03:29 Presse-Alltag & Friedensappelle: Zynische Gewöhnung 03:40 Perspektivwechsel – Kind schreibt eine Fünf 04:34 Zeilen 12–14: „Apfelbäumchen“ pflanzen (Luther-Anspielung) 05:19 Zeilen 15–16: Probealarm & Militärsprache 06:00 Doppelte Deutung des Endes – Warnung oder Resignation? 06:40 1980er Friedensbewegung & Relevanz heute 07:06 Q & A, Kommentare & Ausblick

Die Dokumentation:

Nun zu der Darstellung auf dieser Seite

Wir präsentieren hier aus urheberrechtlichen Gründen nur die ersten Wörter der Zeilen in kursiver Schrift.

Sarah Kirsch

„Ende des Jahres (1982)“

  • Überschrift:
    Relativ allgemein, es kann sich einfach um den Rückblick auf ein vergangenes Jahr handeln.
  • Es kann natürlich auch allgemeiner gemeint sein und sich prinzipiell auf jedes Jahresende beziehen.
  1. In diesem
  2. In den
  • Feststellung, dass etwas Schreckliches in der Presse ein „gewöhnlicher Anblick“ wird, d.h. zu einer Normalität.
  1. Daß sich
  2. Ästhetische Kategorien
  • In den Zeilen 3 und 4 wird auf eine Wirkung bzw. Reaktion hingewiesen.
  • Die Fotografien in den Medien werden nicht mehr als etwas Schreckliches begriffen.
  • Vielmehr tritt die Bildfunktion in den Vordergrund. Man betrachtet auch die Bilder von Atompilzen wie andere Bilder und prüft sie, ob sie gut gelungen sind.
  • Vermutung: Offensichtlich sind wir Menschen gar nicht in der Lage, das schreckliche komplett oder dauerhaft wahrzunehmen und so wechseln wir gewissermaßen in eine andere Betrachtungsweise.
  1. Die Lage

In der Zeile fünf wird dann nüchtern festgestellt, dass man die Situation der Erde erkennt.

Es wird nicht ausgesprochen, aber man muss vermuten, dass man versucht, nüchtern auch das im Kopf zu verarbeiten.

Interessant ist der Hinweis auf die Erde als blauen Planeten. Das ist eine Anspielung auf ein berühmtes Foto der Erde aus dem Weltall, das die ganze Schönheit der Erde sichtbar macht. Und normalerweise wird dieses Bild verwendet, um etwas für die Erhaltung dieses Lebensraums zu tun. Das wird jetzt zumindest andeutungsweise im Zusammenhang des Gedichtes bis dahin ins Gegenteil verkehrt.

  1. Das Wort
  2. Wie seine

In den Zeilen sechs und sieben wird auf eine besondere Art von Atomwaffen angespielt, bei der nur Lebewesen vernichtet werden. Aber der Panzer, in dem die Soldaten saßen, kann anschließend verwendet werden.

Und das wird auf die gleiche Ebene gestellt wie Dinge, mit denen man an jedem Tag zu tun hat Benzinpreise und Wetterbericht.

Zwischenfazit: Man merkt, dass das Gedicht zwei Ebenen hat, das eine ist die der Realität, die schrecklicher nicht sein kann. Die ganze Erde und damit auch die Menschheit kann vernichtet werden.

Die andere Ebene ist das, was wir damit machen. Wir sehen die Bilder plötzlich nicht mehr als Bilder von Katastrophen, sondern als möglicherweise interessant, gemachte Aufnahmen.

Und außerdem ordnen wir es einfach in das ein, was wir jeden Tag erleben, weil es eben normal geworden zu sein scheint. Das schreckliche blinden wir aus.

  1. Es wurde

In der Zeile acht folgt eine ironische Bemerkung. Es wird noch einmal die Alltäglichkeit hervorgehoben.
Die wird aber verbunden mit etwas, was eigentlich einen Atomkrieg verhindern soll

Man hat hier den Eindruck, dass die Menschen eben nicht genug getan haben oder nicht tun konnten, um die Katastrophe zu verhindern.

  1. Mein Kind

Ab Zeile 9 geht es gewissermaßen um eine andere Katastrophe, nämlich eine, die man wirklich als Katastrophe empfindet zumindest im Vergleich zu dem, was man an einem normalen Tag erwartet.

Das Kind des lyrischen Ichs hat eine fünf geschrieben und das ist schon etwas, was einen sehr beunruhigen kann.

Man merkt hier, dass das Gedicht jetzt anfängt, sich den Katastrophen zu nähern, es geht nicht mehr um Benzinpreis oder Wetterbericht, sondern schon um ein bisschen problematische unnormal.

Aber die wird gewissermaßen ganz klein angesetzt, so dass man das noch wirklich verarbeiten kann.

  1. Was soll
  2. Seinen Anblick

In den Zeilen zehn und elf wird dann schon deutlich, dass wir Menschen mit so einer kleinen Katastrophe schon fast nicht mehr klarkommen. Das deutet an, dass wir für größere Katastrophen überhaupt keine Wahrnehmungsfähigkeit und Kraft mehr haben.

  1. Und wir
  2. Abenteuerliches Leben
  3. Das Kind

In den Zeilen 12-14 werden dann zwei Aspekte angesprochen

Zum einen geht es um das abenteuerliche Leben, was deutlich macht, dass das Leben viel interessantes bereithält, in diesem Falle bei der Klassenarbeit, eher im negativen Bereich,

Dann aber ist davon die Rede, dass das Kind weiter zur Schule geht und man selbst einen Baum pflanzt

Das macht deutlich, dass man als Mensch sich nur vorstellen kann, dass es jetzt irgendwie weitergeht und nach dem schlechten möglichst auch wieder schöne Abenteuer kommen.

Das mit dem Baum kann eine Anspielung sein auf Martin Luther, der gesagt hat, er werde noch am Tag vor dem angekündigten Weltuntergang ein Apfelbäumchen pflanzen. Das muss man aber als Schüler nicht wissen. Das sind so Anspielungen, die Schriftsteller, sich leisten und über die sich dann ihre Kollegen freuen.

Bei einer Klausur wäre es schön, wenn so etwas in den Anmerkungen stände, was wir aber jetzt hier nicht wissen.

  1. Hören den
  2. Kennen die

Das Gedicht schließt mit der Beschreibung von zwei Phänomenen, die sich auf die Zeit vor den Atompilzen beziehen

Das kann man unterschiedlich verstehen: entweder als Hinweis darauf, dass die Atompilze nur im Gedicht stattgefunden haben und man jetzt ja noch etwas tun kann.

Oder es macht deutlich, dass in dem Gedicht jetzt die Atompilze näher kommen und damit alle Schreiben von Gedichten und möglicherweise das Leben der Menschheit ausgelöscht wird.

Das Gedicht enthält insgesamt eine deutliche Warnung, alles zu tun, um wirklich einen solchen Atomkrieg zu vermeiden.

Es kann aber auch sein, dass dieses Gedicht am Ende resigniert und alle Hoffnung aufgibt und den Kampf gegen eine solche Entwicklung dem Leser überlässt.

Weitere Infos, Tipps und Materialien