Schiller, „Kabale und Liebe“, Akt I, Szene 5-6: Analyse und Interpretation (Mat2060-5-6)

Worum es hier geht:

  • Schillers „Kabale und Liebe“ ist ein recht interessantes Theaterstück, aber auf Grund der Sprache nicht immer leicht zu verstehen.
  • Wir stellen deshalb hier die Szenen vor, präsentieren wichtige Textstellen, die man sich direkte in seiner Ausgabe markieren kann.
  • Außerdem geben wir Interpretationshinweise – und machen auch Vorschläge für kreative Ansätze.

Hier geht es jetzt um die beiden Szenen des I. Aktes, in denen die Gegenseite (Wurm und sein Präsident) zum Gegenschlag ausholen

I-5: Sekretär Wurm informiert den Präsidenten über die Liebschaft seines Sohnes

  • Offensichtlich hat Wurm den Präsidenten von der Liebschaft seines Sohnes mit der Geigerstochter berichtet.
  • Der Präsident will das zunächst nicht glauben. Er ist der Meinung, dass sein Sohn hier nur die übliche adelige
    Spielerei mit einem bürgerlichen Mädchen macht.
  • „PRÄSIDENT. Dass er der Bürgerkanaille den Hof macht – Flatterien sagt – auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert – Das sind lauter Sachen, die ich möglich finde – verzeihlich finde“
  • Interessant sind die Vorstellungen des Präsidenten, wie sich die Sache weiter entwickeln könnte und sollte:
  • PRÄSIDENT lacht. Er sagt mir, Wurm – Er habe ein Aug auf das Ding – das find ich.
  • Aber sieht Er, mein lieber Wurm – dass mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, dass ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen.
  • Das Mädchen ist schön, sagt Er, das gefällt mir an meinem Sohn, dass er Geschmack hat.
  • Spiegelt er er Närrin solide Absichten vor? Noch besser – so seh ich, dass er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen. Er kann Präsident werden.
  • Setzt er es noch dazu durch? Herrlich! das zeigt mir an, daß er Glück hat. – Schließt sich die Farce mit einem gesunden Enkel – Unvergleichlich! so trink ich auf die guten Aspekten meines Stammbaums ein Bouteille Malaga mehr, und bezahle die Skortationsstrafe für seine Dirne.“
  • Wurm gelingt es, diese Meinung zu erschüttern, so dass der Präsident in Zweifel gerät.
  • Daraufhin verbindet er das mit dem aktuellen Plan des Herzogs, vor der Ankunft der neuen Herzogin sich seine Mätresse aus dem Weg zu schaffen.
  • Der Präsident möchte, dass Lady Milford seinen Sohn heiratet, damit er seinen Einfluss auf den Herzog behält.
  • Er will jetzt seinen Sohn einfach testen, wie der auf diese Ankündigung reagiert.
  • Wurm macht ihn darauf aufmerksam, dass eine mögliche Ablehnung vielleicht mit der Person der Lady zusammenhängen könnte und schlägt ihm vor, gewissermaßen die beste Partie im Land dem Sohn
    anzubieten.
  • Der Präsident geht auf diese Idee ein und ermahnt am Ende Wurm nur, über seine eigentlichen Pläne nicht in der Öffentlichkeit oder gegenüber irgendeinem anderen zu reden.
  • Die Reaktion Wurms macht deutlich, dass beide sich eigentlich in der Hand haben, weil sie jeweils von den Untaten des anderen wissen.

I-6: Der Präsident nutzt den Hofmarschall für seine Pläne

  • Diese Szene zeigt auf schon ziemlich satirische Weise, wie Fürstenhöfe früher funktionierten.
  • Das beginnt schon, dass die natürlich überzeichnete Figur des Hofmarschalls in mehreren Ansätzen deutlich macht, was ihn als sicher hochbezahlten Beamten so beschäftigt:
  • „Sie verzeihen doch, dass ich so spät das Vergnügen habe – dringende Geschäfte – der Küchenzettel – Visitenbilletts – das Arrangement der Partien auf die heutige Schlittenfahrt – Ah – und denn musst ich ja auch bei dem Lever zugegen sein, und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen.“
  • „HOFMARSCHALL. [… ]Ein Malheur jagt heut das andere. Hören Sie nur.
    PRÄSIDENT zerstreut. Ist das möglich?
    HOFMARSCHALL. Hören Sie nur. Ich steige kaum aus dem Wagen, so werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, dass mir – ich bitte Sie! – der Gassenkot über und über an die Beinkleider sprützt. Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gottes willen in meine Lage, Baron. Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es – und in dem Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte! – Was fällt mir bei? Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in die Kutsche. Ich in voller Karriere nach Haus – wechsle die Kleider – fahre zurück – Was sagen Sie? – und bin noch der erste in der Antichambre – Was denken Sie?
    PRÄSIDENT. Ein herrliches Impromptu [spontaner Einfall] des menschlichen Witzes – „
  • Auf der anderen Seite wird deutlich, wie dieser Hofmarschall auch als Nachrichten-Verbreiter instrumentalisiert wird:
  • „PRÄSIDENT. Man denke – Nein, Marschall, so hab ich doch eine bessere Zeitung für Sie – daß Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen gewiß etwas Neues?
  • HOFMARSCHALL. Denken Sie! – Und das ist schon richtig gemacht?
  • PRÄSIDENT. Unterschrieben, Marschall – und Sie verbinden mich, wenn Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch präparieren, und den Entschluß meines Ferdinands in der ganzen Residenz bekanntmachen.
  • HOFMARSCHALL entzückt. O mit tausend Freuden, mein Bester – Was kann mir erwünschter kommen? – Ich fliege sogleich – Umarmt ihn. Leben Sie wohl – In dreiviertel Stunden weiß es die ganze Stadt. Hüpft hinaus.“
  • Den Schluss bildet dann die Zusammenfassung des Erfolgs seiner Aktion durch den Präsidenten:
  • „PRÄSIDENT lacht dem Marschall nach. Man sage noch, daß diese Geschöpfe in der Welt zu nichts taugen – – Nun muss ja mein Ferdinand wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen.“