Schiller, „Kabale und Liebe“, Akt I, Szene 7: Analyse und Interpretation (Mat2060-7)

Worum es hier geht:

  • Schillers „Kabale und Liebe“ ist ein recht interessantes Theaterstück, aber auf Grund der Sprache nicht immer leicht zu verstehen.
  • Wir stellen deshalb hier die Szenen vor, präsentieren wichtige Textstellen, die man sich direkte in seiner Ausgabe markieren kann.
  • Außerdem geben wir Interpretationshinweise – und machen auch Vorschläge für kreative Ansätze.

Hier geht es um die letzte Szene des I. Aktes, das Gespräch zwischen dem Präsidenten und seinem Sohn (zugleich Liebhaber der bürgerlichen Luise)
Hier ergibt sich ein Zusammenprall, der die Steigerung des Konflikts im zweiten Akt vorbereitet und eigentlich schon auslöst.

Akt, 7. Szene: Der Präsident und sein Sohn diskutieren die aktuelle Lage

  • Der Major meldet sich – wie „befohlen„.
  • Der Vater stellt fest, dass ein „seltsamer Gram“ bei Ferdinand zu sehen ist, und fordert ihn auf, sich ganz auf das „Glück“ zu konzentrieren, das er für ihn erarbeitet.
  • Anschließend berichtet der Präsident ganz offen, wie diese Arbeit bisher ausgesehen hat:
  • „Wem zulieb hab ich die gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zulieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen? – Höre, Ferdinand – (Ich spreche mit meinem Sohn) – Wem hab ich durch die Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht – eine Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das Messer der Welt verberge. Höre. Sage mir, Ferdinand: Wem tat ich dies alles?“
  • Darauf Ferdinand voll Entsetzen und Abscheu:
    „Doch mir nicht, mein Vater? Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht fallen? Beim allmächtigen Gott! Es ist besser, gar nicht geboren sein, als dieser Missetat zur Ausrede dienen.“
  • Der Präsident hebt noch mal hervor, welche Risiken er auf sich genommen hat:
  • „Auf mich fällt die Last der Verantwortung – auf mich der Fluch, der Donner des Richters – Du empfängst dein Glück von der zweiten Hand – das Verbrechen klebt nicht am Erbe.“
  • Für Ferdinand ist die Konsequenz klar:
    „Feierlich entsag ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.“
  • Der Präsident „verbeißt seinen Zorn“ und zeigt die Karriere auf, die er für ihn beim Fürsten durchsetzten will:
  • „Du bist im zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzigsten Major. Ich hab es durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen, und in das Ministerium eintreten. Der Fürst sprach vom Geheimenrat – Gesandtschaften – außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir.“
  • Demgegenüber entwickelt Ferdinand eine andere Vorstellung von Erfolg und Glück:
  • „Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die Ihrigen sind –
  • Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt. – Tränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen, und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln –
  • Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben. –“
  • Der Präsident nutzt diese jugendliche Moral-Explosion, um ihm die Heirat mit der Lady Milford anzukündigen, die er anscheinend für ähnlich denkend hält.
  • Ferdinand sieht sie aber nur als „privilegierte Buhlerin“ und lehnt sie ab.
  • Daraufhin zieht der Präsident die ihm von Wurm empfohlene Trumpfkarte, nämlich die angebliche Möglichkeit, die über jeden Tadel erhabene Gräfin von Ostheim zu heiraten.
  • Damit ist Ferdinand ausgekontert:
  • „Ihre Wahl ist untadelhaft – aber – ich kann – ich darf – Bedauern Sie mich – Ich kann die Gräfin nicht lieben.“
  • Jetzt hat der Präsident seinen Sohn da, wo er ihn haben will, und verweist darauf, dass die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeite mit der Lady schon überall bekannt gemacht wird. Es folgt die ultimative Drohung: „Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn.“
  • Als der Präsident gegangen ist, präsentiert Ferdinand die Idee, die ihm gekommen ist:
  • „Ja, ich will zu ihr – will hin – will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten – Nichtswürdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst – Im Angesicht des versammelten Adels, des Militärs und des Volks – Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands – Ich verwerfe dich – ein teutscher Jüngling!“