Schnell durchblicken: Der Islam – eine religiöse Gegenwelt, die schließlich zum Überholen ansetzt (Mat8594-8)

Worum es hier geht:

Das Folgende ist einem E-Book entnommen, das schon einige Jahre alt ist.

Gerade in der Würdigung des Islam stellt es sicher nicht überall den aktuellen Stand des Wissens dar.

Wir werden das in nächster Zeit überarbeiten.

Über Hinweise und Anregungen freuen wir uns – sie können hier abgelegt werden:

Während noch vor wenigen Jahren der Islam im deutschen Geschichtsunterricht höchstens mal auf einer Karte der Zeit Karls des Großen auftauchte oder im Rahmen der Kreuzzüge, dürfte er heute einen ganz anderen Stellenwert haben. Je selbstverständlicher es wird, dass der Islam zur deutschen Gesamtkultur gehört, desto mehr ist es nötig, sich mit seiner Geschichte zu beschäftigen.

1.1       Eine neue Religion entsteht in Arabien

Weitgehend unbemerkt von der christlichen Welt entsteht in der Wüste Arabiens eine dritte große Weltreligion, deren Anhänger nur an einen Gott glauben, was man Monotheismus nennt. Auch sie haben eine eigene Zeitrechnung, die in diesem Falle mit dem Jahr 622 beginnt. Damals musste nämlich Mohammed von Mekka nach Medina fliehen, von wo aus dann ein ganzes Weltreich aufgebaut wurde.

1.2       Ausdehnung bis fast nach Frankreich hinein

Nicht mal 100 Jahre dauerte es, bis rund 7000 Berber aus Nordafrika unter Führung von Tariq ibn Ziyad nach Spanien übersetzten, woran noch heute der Name Gibraltar erinnert: Berg des Tariq.

Innerhalb kürzester Zeit war die iberische Halbinsel, d.h. die heutigen Länder Spanien und Portugal unter muslimischer Kontrolle – und fast wäre noch Frankreich dazugekommen. Hier war allerdings im Jahre 732 bei den Städten Tour und Poitiers Schluss: die Eroberer aus dem Süden wurde von einem fränkischen Heer unter Karl Martell besiegt – und für lange Zeit blieben die Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich die Grenze zwischen dem muslimischen Westteil Europas und dem christlichen Rest.

Eine interessante Darstellung der Schlacht und ihrer Umstände, bei denen der neu erfundene Steigbügel eine große Rolle spielt, findet sich übrigens auf der Seite:
http://www.welt.de/kultur/history/article902832/Wie-Karl-Martell-das-Abendland-rettet.html

Bis zur Wieder-Entdeckung Amerikas durch Kolumbus gab es noch immer kleiner werdende muslimische Staatsgebilde auf der iberischen Halbinsel – bis der letzte Emir von Granada, Boabdil, besiegt wurde und beim Verlassen seines Herrschaftsgebietes seine berühmten Tränen vergoss.

1.3       Die zweite Stoßrichtung in Richtung Südosteuropa

Im Osten konnten die Muslime bald den ganzen vorderen Orient einschließlich des Iran erobern und auch den Resten des oströmischen Reichs und der Stadt Byzanz (auch Konstantinopel und heute Istanbul genannt) immer mehr zusetzen.

Nachdem die Kreuzzüge im 11., 12. und 13. Jahrhundert gescheitert waren, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis 1453 der Übergang in Richtung Balkan geschafft wurde, Konstantinopel wurde von den Türken erobert, das dort gesammelte Bibliothekswissen zum Teil nach Italien mitgenommen.

In nächsten Jahrhunderten ging es dann immer weiter in Richtung Kerneuropa – erst im Jahre 1683, also etwa 100 Jahre vor der Französischen Revolution, konnte der letzte Versuch, Wien zu erobern, abgewehrt werden.

1.4      Katastrophen für das Selbstverständnis des Islam – und die beiden Reaktionen darauf

An dieser Stelle soll noch auf Napoleons ägyptisches Abenteuer ab 1798 eingegangen werden. Normalerweise wird es im Schulunterricht einfach als eine Episode im abenteuerlichen und sehr folgenreichen Leben des französischen Aufsteiger-Kaisers behandelt. Weniger berücksichtigt wird, was der Sieg Napoleons bei den Pyramiden über die ägyptischen Mamelucken-Krieger für das muslimische Selbstverständnis bedeutete: Es war eine Konfrontation zwischen morgenländischer und abendländischer Kultur, bei der letztere auf Grund ihrer technischen Überlegenheit den Sieg davontrug. Es folgte ein Prozess der wechselseitigen Auseinandersetzung mit vielfältigen Modernisierungsanstrengungen in der Welt des Islam, der bis heute anhält.

Man kann die Probleme des Selbstbewusstseins im Islam aber noch früher verorten und dann auch eine Linie bis in die Gegenwart ausziehen: Der sogenannte Mongolensturm im 13. Jahrhundert führte 1258 auch zur Eroberung Bagdads und Zerstörung der dortigen Kultur des Abbasiden-Kalifats. Damit schien erstmals der Siegeszug des Islam beendet, der in den ersten Jahrhunderten nach Mohammed eine Art Religionsbeweis für Muslime geworden war, Interessant sind die Reaktionen auf die Katastrophe: Auf der einen Seite entstand der Salafismus, der die Schuld bei den Muslimen suchte und als Ausweg bot, gewissermaßen „zurück zu den Wurzeln“ zu gehen und sich am einfachen und frommen Leben der frühen Begleiter Mohammeds zu orientieren. Tamim Ansary leitet in seiner „Globalgeschichte aus islamischer Sicht“ den  Begriff Salafismus ab aus „as-Salaf as-salih“, was soviel wie „die frommen Vorfahren“ bedeute. Die entsprechende strenge, die Kultur des Westens scharf ablehnende Auffassung spielt gerade in unserer Zeit wieder eine große Rolle.

Daneben gab es aber auch eine andere Reaktion, nämlich die des Sufismus, einer Variante des Mystizismus, die – ähnlich wie der Pietismus des 18. Jhdts – das Glück in einem Weg nach innen sah und durchaus bereit war, den wahren Glauben fortlaufend weiterzuentwickeln und nicht unbeirrt an einer einzigen Variante festzuhalten.

Eine interessante Querbeziehung ergibt sich übrigens zum frühen Christentum: Auch das hatte nach dem Siegeszug seit der „Konstantinischen Wende“ im Jahre 313 das Problem, dass das Römische Reich als Partner in der germanischen Völkerwanderung weitgehend unterging. Hier war es der Kirchenvater Augustinus, der in seinem Werk „Der Gottesstaat“ auf die Eroberung Roms durch die Westgoten im Jahre 410 reagierte. Auch er setzte auf den Gegensatz und die Konfrontation einer religiösen und einer weltlichen Ordnung. Letztere hatte sich an ersterer zu orientieren – dann würde sich die Heilsgeschichte auch im christlichen Sinne fortsetzen.

1.5       Der Niedergang des Osmanischen Reiches und die Frage der Zugehörigkeit der heutigen Türkei

Ab der Niederlage vor Wien ging es in den nächsten Jahrzehnten immer weiter bergab mit der Macht der Türken auf dem Balkan und im 19. Jahrhundert galt ihr osmanisches Reich als „kranker Mann am Bosporus“. Nachdem das Land sich unter Kemal Atatürk nach dem Ersten Weltkrieg stark modernisiert hatte, steht es heute vor der Frage, wie sehr es sich dem Westen, sprich der Europäischen Union annähern will – oder ob es eine stark muslimisch geprägte Brücke zwischen Europa und Vorderasien sein will.

1.6       Vorschlag für einen Perspektivenwechsel

Diese Darstellung hält sich – weil an der Schule und ihren Bedürfnissen orientiert – noch sehr an die Traditionen der historischen Perspektiven, wie sie sich in Deutschland in langen Zeiträumen herausgebildet haben. Zunehmend werden wir damit konfrontiert, dass es daneben noch andere Sichtweisen gibt.

Wer also mal aus islamischer Sicht eine ganz andere Sicht auf die Geschichte werfen möchte, der kann auf das Buch „Die unbekannte Mitte der Welt“ von Tamim Ansary (Campus Verlag 2010) zurückgreifen.

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