Schule: Muss man das Vergessen lernen, um für eine Zukunft mit KI fit zu sein? (Mat7000-wvm )

Worum es hier geht:

Wir verweisen hier auf einen LinkedIn-Beitrag von Frau Dr. Yasmin Weiß, dessen Tipps wir nutzen für die Vorbereitung von Schülern und Schülerinnen auf die KI-Berufswelt. Denn die wird so stark verändert sein, dass vieles in der Schule überdacht werden sollte. — Aber verdeutlicht werden auch Unterschiede zwischen dem Fit-Machen von Fachleuten und Lernenden in der Schule. Hier müssen natürlich weiter viele Grundlagen erst mal gelegt werden. Aber dabei können schon Fähigkeiten trainiert werden, die später wichtig sind und bleiben – die Planung der Zusammenarbeit mit der KI als Assistenten, die kritische Auswertung und das Weiterdenken der Ergebnisse, die die Maschine liefert. Ganz allgemein viel mehr Kommunikation untereinander, aber auch mit der KI und dabei auch zwischen den Lernenden und den Lehrkräften.

Das Video ist hier zu finden

https://youtu.be/hRZzofmh1vo

Hier die Sprungmarken zu den einzelnen Clips

0:00 – Einstieg: Warum wir fürs KI-Zeitalter verlernen müssen 0:48 – Wandel: Vom Buchdruck zur künstlichen Intelligenz 2:00 – Leitidee: Schule muss Altes prüfen und Neues lernen 2:36 – Überblick: Drei Themen – Tempo, leeres Blatt, Wissen 3:19 – 1 Tempo & Qualität: KI beschleunigt, Denken bleibt Pflicht 5:12 – Schule: Lernen vor KI-Nutzung trainieren 7:16 – 2 Mythos leeres Blatt: Eigenes Denken zuerst 9:46 – 3 Wissen ≠ Macht: Zusammenhänge statt Faktenlisten 11:54 – Beispiel: Venezuela – Verstehen statt Auswendiglernen 12:55 – Lernen: KI als Denkanstoß, Mensch als Entscheider 13:52 – Fazit: Fünf Impulse für Lernen mit KI 15:02 – Ausblick: Website, Kommentare, gemeinsames Weiterdenken

Hier schon mal die Dokumentation:

Mat7000-wvm pcf-2229 unb Linkedin Freistein Was wir verlernen müssen

Hier nun alle 10 Punkte mit der Übertragung auf die Schulwelt

Rezension: Unlearn to Succeed – 10 Regeln, die wir verlernen müssen (Yasmin Weiß)
https://www.linkedin.com/pulse/unlearn-succeed-10-regeln-die-wir-verlernen-m%25C3%25BCssen-wei%25C3%259F-9nluf/

Vollständige, aktualisierte Fassung mit Kommentaren und schulischen Bezügen von Anders Freistein.

1. Tempo und Qualität

In der Berufswelt galt lange die Vorstellung, dass man sich zwischen Geschwindigkeit und Qualität entscheiden müsse. Ein Beispiel: Früher mussten Marketingteams Wochen für eine Kampagne aufwenden – von der Ideenentwicklung über Text bis zur Datenanalyse. Heute kann KI in wenigen Stunden Zielgruppen auswerten, Entwürfe vorschlagen und Varianten testen, sodass Teams schneller und präziser entscheiden. Frau Weiß betont, dass durch KI beides gleichzeitig möglich wird. Systeme können Daten in Echtzeit auswerten, Korrekturen vorschlagen und so Prozesse beschleunigen, ohne dass die Präzision darunter leidet. In modernen Arbeitsumgebungen ist daher entscheidend, schnell zu reagieren und dennoch qualitativ hochwertige Ergebnisse zu liefern.

Bedeutung für die Schule:
In der Schule zeigt sich hier ein grundsätzlicher Unterschied zur Berufswelt. Während dort Schnelligkeit und Präzision durch KI parallel möglich sind, muss schulisches Lernen zunächst das Fundament legen, auf dem solche Werkzeuge überhaupt sinnvoll genutzt werden können. Ein Beispiel: Es wäre wenig hilfreich, Schüler*innen beizubringen, wie man eine von KI erstellte Inhaltsangabe überarbeitet, wenn sie nicht zuvor selbst den Aufbau, die Logik und den Zweck einer Inhaltsangabe erfahren und erprobt haben. Erst wer den inneren Bauplan verstanden hat, kann bewerten, ob eine KI diesen korrekt umsetzt. Deshalb bleibt die eigene Erfahrung mit dem Entstehungsprozess zentral – KI kann diesen Prozess später unterstützen, aber nicht ersetzen.

2. Skalierung und Personalisierung

Früher stand Effizienz oft im Widerspruch zu individueller Anpassung. Ein Beispiel: Im Kundenservice mussten Mitarbeitende standardisierte Antworten geben, um möglichst viele Anfragen zu bewältigen. Heute kann KI auf Basis von Kundendaten personalisierte Antworten formulieren, die trotzdem automatisiert versendet werden. KI-Technologien ermöglichen also, große Zielgruppen gleichzeitig zu erreichen und trotzdem individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Unternehmen können massenhaft personalisierte Produkte, Werbung oder Dienstleistungen bereitstellen. Damit wird das Ideal der „Mass Personalization“ zu einem Standard, der in vielen Branchen erwartet wird.

Bedeutung für die Schule:
Das Beispiel zeigt, dass dieser Punkt für die Schulwirklichkeit zunächst keine große Bedeutung zu haben scheint – doch das täuscht. Wenn man umdenkt, betrifft „Skalierung und Personalisierung“ vor allem die Arbeit der Lehrkräfte. Es geht weniger darum, dass Schüler etwas verlernen müssten, sondern darum, dass Lehrkräfte von der mühsamen Detailproduktion einzelner Materialien entlastet werden. Statt stundenlang an einem Arbeitsblatt zu feilen, können sie mithilfe einer KI verschiedene Übungsvarianten erzeugen lassen, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Eine Gedichtinterpretation lässt sich etwa so anpassen, dass bestimmte Begriffe oder Wendungen für Nicht-Muttersprachler erklärt werden, während die muttersprachlichen Schüler dieselben Aufgaben ohne sprachliche Hilfen bearbeiten. So kann KI helfen, Lernvoraussetzungen auszugleichen – vorausgesetzt, die Lehrkraft formuliert den passenden Prompt und überprüft kritisch, ob die Ergebnisse pädagogisch stimmig sind.

3. Mythos leeres Blatt

In der klassischen Kreativarbeit beginnt jedes Projekt scheinbar bei null. Ein Beispiel: Ein Architekt, der früher Stunden mit Skizzen und Entwürfen verbrachte, kann heute mithilfe einer KI schnell verschiedene Designvarianten generieren lassen und die beste Idee anschließend verfeinern. Frau Weiß weist darauf hin, dass KI diesen Startpunkt verschiebt: Sie liefert einen ersten Entwurf, eine Struktur oder Inspiration, die Zeit spart und neue kreative Spielräume öffnet. Die menschliche Rolle verlagert sich vom Erschaffen zum Verfeinern – Kuratieren, Bewerten und Kontextualisieren werden zu den entscheidenden Kompetenzen.

Bedeutung für die Schule:
Auch in der Schule gilt: Das leere Blatt hat seine pädagogische Funktion. Bei Aufgaben wie einer Erörterung – etwa der Frage „Sollen Schüler bei der Gestaltung des Unterrichts einschließlich der Auswahl von Themen und Materialien mitbestimmen können?“ – ist es verführerisch, direkt mit einer KI-Vorlage zu starten. Doch wer nie erlebt hat, wie Gedanken sich langsam formen, Argumente entstehen und sich verknüpfen, trainiert zentrale geistige Prozesse zu wenig. Erst das eigenständige Denken, Sortieren und Strukturieren schafft die Grundlage, um KI-Vorschläge später kritisch zu prüfen. Lehrkräfte können daher bewusst Phasen einplanen, in denen Schüler*innen ohne KI arbeiten, um ihre gedankliche Eigenständigkeit zu stärken – und anschließend mit KI-Ergebnissen vergleichen, ergänzen oder kontrastieren. Dabei liegt der eigentliche Gewinn nicht nur im Prüfen der Richtigkeit, sondern im aktiven Weiterdenken: Was fehlt, was ließe sich anders deuten, welche Idee bringt mich auf einen neuen Gedanken? In dieser dialogischen Auseinandersetzung mit der KI entsteht kreatives Lernen – ein Wechselspiel zwischen menschlicher Intuition und maschineller Anregung, das das Denken öffnet und vertieft.

4. Wissen ≠ Macht (allein)

In einer Welt, in der Informationen jederzeit verfügbar sind, verliert das reine Faktenwissen seinen Wert als Machtquelle. Ein Beispiel: Früher zählte, wer die besten Marktanalysen besaß. Heute kann jede Führungskraft mit KI-gestützten Tools dieselben Daten in Sekunden abrufen. Entscheidend ist nun die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, Informationen kritisch zu prüfen und sie sinnvoll anzuwenden. Wer mit KI-Systemen effektiv arbeitet, verbindet Fachwissen mit Urteilsfähigkeit – diese Kombination wird zur neuen Form von Macht.

Bedeutung für die Schule:
Ein Beispiel aus dem Unterricht verdeutlicht den Wandel: Früher konnten Erdkunde-Tests darin bestehen, die Hauptstädte aller Länder der Welt abzufragen – also reines Faktenwissen. Heute erscheint das fragwürdig. Wenn es etwa um Venezuela geht, ist die Frage nach der Hauptstadt weniger bedeutsam als die nach der wirtschaftlichen und politischen Rolle des Landes in der Weltwirtschaft und im Verhältnis zu den USA. Diese Verschiebung zeigt, dass nicht das bloße Wissen über Daten zählt, sondern das Verstehen von Zusammenhängen und das Einordnen von Fakten in größere Kontexte. Im schulischen Lernen bedeutet das: KI kann zwar Informationen in Sekundenschnelle liefern, doch die eigentliche Kompetenz liegt im kritischen Denken, im Vergleichen und im Verknüpfen. Schüler*innen müssen lernen, aus Wissen Verständnis zu machen – und genau das ist die Grundlage einer Bildung, die im KI-Zeitalter bestehen kann.

5. Busy ≠ produktiv

In vielen Berufsfeldern galt Fleiß – viele Aufgaben, lange Arbeitstage – als Beweis von Produktivität. Ein Beispiel: Mitarbeitende, die zehn Meetings am Tag absolvieren, gelten oft als engagiert. Doch wenn KI Routineaufgaben wie Protokolle, Datenpflege oder Berichte übernimmt, bleibt Zeit für strategische Arbeit. Frau Weiß stellt klar, dass KI-Routinen automatisiert und somit Zeit für echte Wertschöpfung schafft. Entscheidend ist nicht mehr, wie beschäftigt jemand wirkt, sondern welchen messbaren Beitrag er oder sie leistet. Der Fokus verschiebt sich auf Wirksamkeit statt Beschäftigung.

Bedeutung für die Schule:
In der Schule stellt sich diese Frage anders als in der Berufswelt. Hier geht es weniger um Produktivität im wirtschaftlichen Sinn, sondern um die Qualität des Lernens. Der Impuls kann jedoch hilfreich sein, Schüler*innen stärker dafür zu sensibilisieren, dass Lernen nicht in der Quantität des Geleisteten besteht, sondern im Verständnis und in der Tiefe. Am Beispiel der Gedichtanalyse lässt sich das verdeutlichen: Natürlich müssen Schüler*innen die methodischen Schritte beherrschen, um Prüfungsformate zu bewältigen – das ist der Teil des studium. Darüber hinaus aber sollte Raum bleiben für das punctum, also den persönlichen Punkt des Berührtseins, den individuellen Zugang zu einem Text. Lehrkräfte können gezielt Momente schaffen, in denen Schüler*innen diesen Punkt formulieren und in die gemeinsame Diskussion einbringen. So entsteht Lernen, das nicht nur „fleißig“, sondern wirksam ist.

6. Anfängersein ist Stärke

In traditionellen Hierarchien galt Unwissen oft als Schwäche. Ein Beispiel: Früher erwartete man von Führungskräften, auf jede Frage eine Antwort zu haben. Heute sind es gerade die, die neue Tools ausprobieren und offen über Lernprozesse sprechen, die Teams inspirieren. In einer dynamischen Arbeitswelt wird ständiges Lernen zur Überlebensstrategie. Frau Weiß betont, dass Offenheit für Neues, der Mut, Fragen zu stellen, und das Eingeständnis von Nichtwissen entscheidend sind. „Anfängersein“ wird zur Haltung, die Anpassungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit sichert.

Bedeutung für die Schule:
Dieser Punkt betrifft in besonderem Maße die Lehrkräfte selbst. In den vergangenen Jahren zeigte sich oft, dass Schüler*innen im Umgang mit Technik oder digitalen Tools deutlich erfahrener waren als viele ihrer Lehrer*innen. Kluge Lehrkräfte haben daraus kein Autoritätsproblem gemacht, sondern sich helfen und beraten lassen – und genau darin liegt ein zukunftsweisendes Modell gemeinsamen Lernens. Während Schüler*innen in den fachlichen Inhalten naturgemäß die Lernenden bleiben, können sie bei der Nutzung neuer Technologien durchaus Impulse geben. Lehrkräfte wiederum bringen ihr Fachwissen, ihre Urteilsfähigkeit und ihre Erfahrung ein. So entsteht ein partnerschaftlicher Lernprozess, in dem beide Seiten voneinander profitieren. Der Punkt erinnert daran, dass Schule mehr denn je ein gemeinsamer Lernort ist – für junge und erfahrene Lernende gleichermaßen.

7. Human Skills dominieren

Da KI immer mehr technische Aufgaben übernimmt, gewinnen menschliche Fähigkeiten an Bedeutung. Ein Beispiel: Im Vertrieb analysiert KI das Kundenverhalten, aber die eigentliche Entscheidung für ein Produkt fällt oft aufgrund von Vertrauen und empathischer Kommunikation. Diese „Human Skills“ schaffen Vertrauen und Differenzierung im Miteinander. In der Berufswelt werden sie zur Voraussetzung für Führung, Zusammenarbeit und Kundennähe.

Bedeutung für die Schule:
Die Bedeutung dieser sogenannten „Human Skills“ – Empathie, Kommunikation, Teamfähigkeit und Konfliktlösung – lässt sich schon früh im Unterricht verankern. Es wäre zukunftsweisend, wenn Schule verstärkt auf solche sozialen und kommunikativen Kompetenzen setzt und sie nicht nur als „weiche“ Zusatzqualifikationen betrachtet. Unterricht, der Diskussionen, Perspektivwechsel und rhetorische Ausdrucksfähigkeit fördert, bereitet Schüler*innen auf die realen Anforderungen der Berufswelt vor. Das ist allerdings nicht allein Aufgabe der Lehrkräfte, sondern eine bildungspolitische Herausforderung. Lehrpläne müssten entschlackt und zugleich gezielt erweitert werden: weniger Überfrachtung durch Fachwissen, mehr Raum für dialogische Lernformen, Reflexion und Persönlichkeitsbildung. So könnte Schule frühzeitig das trainieren, was später über beruflichen Erfolg entscheidet.

8. Weniger Top-down, mehr Nähe zum Problem

Früher wurden Entscheidungen meist in Hierarchien gefällt, weil dort Erfahrung und Überblick vermutet wurden. Ein Beispiel: In Produktionsbetrieben mussten Teams auf Freigaben der Zentrale warten, bevor sie Anpassungen vornehmen durften. Heute liefern KI-Daten Echtzeitinformationen, sodass lokale Teams selbst entscheiden können. KI demokratisiert den Zugang zu Daten. Entscheidungen können datenbasiert und dort getroffen werden, wo das Problem entsteht. Teams vor Ort handeln schneller und eigenverantwortlicher – Führung bedeutet, Rahmen und Vertrauen zu geben.

Bedeutung für die Schule:
Generative KI-Modelle eröffnen neue Möglichkeiten, Schüler*innen als aktive Mitgestalter des Unterrichts einzubeziehen. Themen, Texte und Materialien müssen nicht mehr ausschließlich von Lehrkräften vorgegeben werden – sie können gemeinsam mit Schüler*innen erkundet und angepasst werden. Ein Beispiel: Bei der Auswahl von Novellen für Klasse 9 oder Balladen für Klasse 7 und 8 können Schüler*innen mithilfe von KI Vorschläge recherchieren, begründen und mit der Lehrkraft diskutieren. Ebenso lassen sich bei politischen Gedichten gezielt Texte finden, die sich nicht nur gegen den Krieg richten, sondern auch Propaganda oder wirtschaftliche Interessen kritisch beleuchten. Lehrkräfte, die sich auf diese neuen Formen der Mitbestimmung einlassen, fördern Eigeninitiative und Motivation. Natürlich setzt das organisatorische Grenzen – bei großen Klassen und mehreren Fächern bleibt der Aufwand ein Thema. Dennoch kann die Einbindung von Schüler*innen als Mit-Akteure des Lernprozesses das Unterrichtsklima und die Beteiligung erheblich bereichern.

9. KI ist nicht nur Support

In vielen Unternehmen wurde IT als Unterstützungsfunktion betrachtet. Ein Beispiel: Früher galt KI als Abteilungsthema für „Techies“. Heute nutzen auch Personalabteilungen, Logistik oder Marketing KI aktiv, um Entscheidungen zu treffen und Prozesse zu optimieren. Frau Weiß argumentiert, dass KI nun ins Zentrum der Wertschöpfung rückt: Jedes Unternehmen wird zum „KI-Unternehmen“, weil KI-Prozesse überall integriert sind. Wer sie sinnvoll nutzt, steigert Effizienz, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. AI-Literacy – also das Verstehen und Anwenden von KI – wird zum Grundwissen in allen Berufsfeldern.

Bedeutung für die Schule:
Die bisherige Trennung zwischen Informatik und anderen Fächern wird zunehmend fragwürdig. In der Anfangszeit war es sinnvoll, Schüler*innen das Programmieren beizubringen, etwa den Umgang mit Variablen oder Schleifen. Heute kann ein generatives Sprachmodell auf Zuruf Code erzeugen – das Verständnis grundlegender Prinzipien bleibt zwar wertvoll, doch die Prioritäten verschieben sich. Schule sollte darauf reagieren, indem Informatik stärker als Querschnittsfeld verstanden wird. KI-Kompetenz gehört in alle Fächer: in Deutsch zur Textanalyse, in Geschichte zur Quellenprüfung, in Biologie zur Datenauswertung. Informatiklehrkräfte verlieren dadurch nicht ihre Bedeutung, im Gegenteil: Sie könnten eine Schlüsselfunktion übernehmen – als Brückenbauer zwischen Technologie und Verantwortung. Eine sinnvolle bildungspolitische Konsequenz wäre, das Fach Informatik von der reinen Programmiertechnik hin zur Reflexion über KI-Systeme und deren gesellschaftliche Auswirkungen zu erweitern.

10. KI als Partner denken

Die entscheidende Verschiebung: KI ist kein Werkzeug wie Word oder Excel, sondern ein aktiver Partner im Arbeitsprozess. Ein Beispiel: In der Medizin analysiert KI Röntgenbilder und schlägt Diagnosen vor, während Ärztinnen die emotionale Kommunikation und finale Entscheidung übernehmen. Menschen und Maschinen bilden hybride Teams, in denen sich ihre Stärken ergänzen. Frau Weiß spricht von einer „Augmented Intelligence“ – einer erweiterten Form von Intelligenz, in der menschliches Urteilsvermögen und maschinelle Analyse zusammenwirken. Erfolgreich ist, wer diese Zusammenarbeit beherrscht und verantwortungsvoll gestaltet.

Bedeutung für die Schule:
Dieser letzte Punkt wirkt wie ein Rahmenprogramm für alle vorhergehenden. Das Zusammenspiel von KI und Mensch verlangt ständige Reflexion: Was kann KI leisten – und was bleibt genuin menschlich? Dazu gehören Empathie, Intuition und das, was du treffend als punctum beschrieben hast – der Moment des persönlichen Begreifens und inneren Berührtseins. Hier öffnet sich die Verbindung zur Philosophie: Schule sollte Räume bieten, in denen über Sinn, Verantwortung und Grenzen von KI nachgedacht wird. Gleichzeitig muss sie realistisch bleiben – sie ist keine Firma, die mit bereits ausgebildeten Fachleuten arbeitet, sondern ein Lernort, an dem Grundfähigkeiten erst aufgebaut werden. Das führt zu einem entscheidenden pädagogischen Prinzip: dem qualitativen Sprung. Wirkliches Verständnis entsteht oft nicht durch reine Intelligenz oder Theorie, sondern durch ausreichend praktische Erfahrung, bis plötzlich – scheinbar spontan – Einsicht entsteht. Genau diesen Moment des Übergangs vom Üben zum Verstehen sollte Schule bewusst fördern: KI kann Anstöße geben, aber den Sprung selbst vollzieht immer der Mensch.

Weitere Infos, Tipps und Materialien