Theodor Fontane, „Die zwei Raben“ – eine Ballade, die vor allem aus Andeutungen besteht (Mat6219)

Worum es hier geht:

  • Fontane hat hier eine besondere Variante der Schauerballade geschrieben.
  • Über das traurige Geschehen wird nämlich nur sehr distanziert gesprochen .
  • Viel bleibt der Fantasie überlassen.

Theodor Fontane

Die zwei Raben

Strophe 1:

Ich ging übers Heidemoor allein,
Da hört ich zwei Raben kreischen und schrein;
Der eine rief dem andern zu:
„Wo machen wir Mittag, ich und du?“

  • Das Lyrische Ich stellt seine Erzählsituation dar, „allein“ und „Heidemoor“ – das klingt schon mal nach Schauerballade.
  • Das Schaurige wird dann zwei Raben angedichtet, die sich darüber unterhalten, wo sie mittags speisen wollen. Das ist entweder märchenhaft – oder aber das Lyrische Ich stellt sich das nur vor.

Strophe 2:

„Im Walde drüben liegt unbewacht
Ein erschlagner Ritter seit heute nacht,
Und niemand sah ihn in Waldesgrund
Als sein Lieb und sein Falke und sein Hund.

  • Hier wird die eben aufgetauchte Frage beantwortet,
  • indem einer der Raben auf die Leiche eines Ritters hinweist, die in der Nähe unbewacht liege.
  • Auf den letzten Aspekt wird noch genauer eingegangen, indem von drei Wesen die Rede ist, die ihn zuletzt lebend gesehen habe
  • – was normalerweise jeden Kommissar froh stimmen würde 😉

Strophe 3:

Sein Hund auf neuer Fährte geht,
Sein Falk auf frische Beute späht,
Sein Lieb ist mit ihrem Buhlen fort, –
Wir können speisen in Ruhe dort.

  • In dieser Strophe geht es darum, was die letzten Zeugen anschließend getan haben.
  • Interessant ist die Einbeziehung eines „Buhlen“, d.h. die Frau hatte einen Geliebten, der möglicherweise was mit dem Tod des Ritters zu tun hat. Das bleibt aber offen.
  • Die Schlusszeile gehört wieder ganz den beiden Raben und ihrer Vorfreude auf ihr Fressen.

Strophe 4:

Du setzest auf seinen Nacken dich,
Seine blauen Augen sind für mich,
Eine goldene Locke aus seinem Haar
Soll wärmen das Nest uns nächstes Jahr.

  • In dieser Strophe werden recht drastisch die Verzehrpläne der beiden Raben besprochen – immerhin geht es um einen toten Menschen.
  • Außerdem wird hier auch schon an die Zukunft gedacht, indem der tote Ritter ungewollt der Rabengattung beim Überleben hilft.

Strophe 5:

Manch einer wird sprechen: ich hatt‘ ihn lieb!
Doch keiner wird wissen, wo er blieb,
Und hingehn über sein bleich Gebein
Wird Wind und Regen und Sonnenschein.“

  • Spätestens hier wird deutlich, wie sehr diese Raben vermenschlicht werden,
  • denn hier zeigt sich ja so was wie Mitgefühl mit dem toten Ritter.

Anmerkungen

Es handelt sich um eine Ballade,

  • weil es ein Gedicht ist,
  • in dem erzählt wird.
  • Außerdem ist die Handlung zumindest ansatzweise dramatisch.

Äußere Form:

  • 5 Strophen
  • mit jeweils vier Verszeilen
  • zwei aufeinanderfolgende Paarreime
  • unregelmäßiger Rhythmus: keine ständige Abfolge von betonten und unbetonten Silben

Zusammenfassung der Aussage der Ballade:

Die Ballade zeigt …

  1. die Nähe von schauriger Gegend und schaurigem Geschehen,
  2. vielleicht auch, wie sehr die Gegend die Fantasie anregen kann
  3. die Nähe der Tiere zu den Menschen – vielleicht sogar ihre größere Natürlichkeit:
    • Sie kümmern sich um ihre Alltagssorgen und denken sogar an die Zukunft,
    • während die Menschen, die mit dem Tode des Ritters zu tun haben, wohl nur an sich denken
    • – und auch der Hund und der Falke sind anscheinend von dieser Atmosphäre der Lieblosigkeit angesteckt und trauern ihrem Herrn auch nicht nach.
  4. die Vergänglichkeit des Menschen,
  5. vor allem unter diesen besonderen Bedingungen .- ohne die Teilnahme von Angehörigen oder Freunden.

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