Worum es hier geht:
Vorgestellt wird ein Auszug aus der Kurzgeschichte „Günders Grenzen“ von Sabine Trinkaus, den wir hier gefunden haben:
Als Quelle ist dort angegeben:
Sabine Trinkaus, Günders Grenzen, in: Otto Mayr „Migrationsliteratur“, Dortmund 2013. S. 48-50).
Bei Amazon findet man zum Beispiel noch folgende Informationen:
„Neue Texte mit ausgearbeiteten Stundenbildern, Arbeitsblättern und Bildmaterial (5. bis 10. Klasse) (Neue Texte mit Stundenbildern Sekundarstufe) Broschüre – 23. April 2013“
Die Geschichte ist insofern interessant, zwei sie zwei Themen auf fast einzigartige Weise miteinander verbindet.
- Zum einen nämlich das Verhältnis von Hilfsbereitschaft und Erfüllung beruflicher Pflichten.
- Zum anderen Integration als Chance und Verhängnis (im Sinne von Anpassung als Verlustvorgang).
Vorstellung der Erzählschritte:
- Gegenwart 1:
Die Einleitung besteht aus einem direkten Einstieg in ein Gespräch, in dem eine „Fachkraft für Kurier, Express und Postdienstleistungen“ von ihrem Vorgesetzten, Herrn Weinstöckle, stark kritisiert wird. Der Vorwurf ist, dass die Postzustellung durch ihn in seinem Bezirk nicht in akzeptabler Zeit durchgeführt werden werden.
— - Rückblick 1:
- Der zweite Abschnitt besteht aus dem gedanklichen Rückblick Günders. Der macht deutlich, wieso es zu den Verzögerungen bei ihm kommt. Er kümmert sich nämlich immer bei seinen Hausbesuchen um mögliche Fragen und Probleme der Leute dort.
- Als erstes wird auf einen Albaner eingegangen, der sich auf das Gespräch mit der Einbürgerungsbehörde vorbereitet. Da stellt sich am Beispiel einer Frage zur Gleichberechtigung von Mann und Frau heraus, dass er sich darüber mehr Gedanken macht, als der Deutsche, für den eben nur scheinbar alles klar ist.
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- Gegenwart 2 und Rückblick 2:
Nach einem kurzen Sprung in die Gegenwart, der noch einmal die Ungeduld des Vorgesetzten zeigt, geht es um einen zweiten “Sargnagel“, sowie Günder seine speziellen Unterstützungsmaßnahmen bezeichnet, nämlich die Mitnahme der kleinen Tochter einer Frau, die nur so an ihrem Sprachkurs teilnehmen kann.
— - Gegenwart 3:
Es folgt wieder ein kurzer Sprung in die Gegenwart. Der Vorgesetzte macht noch einmal deutlich, wie wichtig die pünktliche Ablieferung der Post gerade in der Wirtschaft ist.
— - Rückblick 3:
Der dritte Unterstützungsfall ergibt sich bei einer alten Dame, die den Postzusteller unter irgendeinem Vorwand immer wieder dazu bringt, bei ihr Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen, was natürlich auch Zeit kostet
— - Gegenwart 4:
Der Ausschnitt aus der Erzählung endet damit, dass der Vorgesetzte noch einmal seiner Enttäuschung Ausdruck verleiht.
Er habe Günder immer als „Musterbeispiel gelungener Integration“ gesehen und fühle sich jetzt „ein bisschen getäuscht“.
Die Aussagen der Geschichte:
Von diesem Schluss aus kann man sehr gut die Aussage der Geschichte ermitteln.
- Auf den ersten Blick geht es um ein Ausmaß an Hilfsbereitschaft eines Mitarbeiters, das ihn in Konflikt mit seinem Dienst bringt.
- Viel interessanter ist aber, dass, was hier zum Thema Integration gesagt wird.
- Im Gespräch mit dem Albaner wird deutlich, dass der sich mehr Gedanken über die Sprache und die Bedeutung von Wörtern macht als der Deutsche.
- Das hängt sicherlich damit zusammen, dass jeder, der intelligent, also mit Bemühen um Verständnis an etwas Neues herangeht (in diesem Falle eine neue Sprache) das ganz anders und vor allem intensiver wahrnimmt und mehr dort sieht als derjenige, dem das alles geläufig ist.
- Wenn man das mit dem vergleicht, was der Vorgesetzte für gelungene Integration hält, wird noch eine tiefer Dimension dieser Geschichte deutlich.
- Denn offensichtlich ist dieser Günder jemand, der diesen sogenannten Integrationsprozess durchlaufen hat.
- Dummerweise hat der dazu geführt, dass er wirklich „heimisch“ geworden ist.
- Und das bedeutet eben auch, dass man mehr oder weniger ungefragt und damit unreflektiert das alles einfach aufnimmt, was landläufiges Gemeingut ist.
- Das kann im Einzelfall dazu führen, dass es zu diesen „grauenhaften Missverständnissen“ kommt, auf die der Albaner hinweist.
Abschließende Einschätzung der Geschichte:
- Insgesamt eine Geschichte, die ihre Aussagen auf zwei Ebenen bereitstellt:
- Einmal ist da eine offensichtliche, nämlich die Frage nach dem Verhältnis von Hilfsbereitschaft und Job-Erledigung.
- Dahinter steht aber die viel spannendere Frage, ob das Phänomen der Integration nicht viel mehr Potenzial bereithält als nur einfach Anpassung.
- Oder anders ausgedrückt: Ob gelungene Integration nicht manchmal auch ein Verhängnis bedeutet, bei dem nicht nur Gutes entsteht, sondern auch Gutes verschwindet.
Anregungen
- Zunächst einmal kann man noch genauer auf dieses Phänomen des Verlustes durch Anpassung eingehen. Zunächst wäre es interessant, hier darüber zu diskutieren, was Migranten beim Prozess der Integration gewinnen und was sie auch verlieren. Da kann sicher auf vielfältige Erfahrungen zurückgegriffen werden.
- Darüber hinaus kann man das Problem auch unabhängig vom Migrationsphänomen diskutieren.
Integration bedeutet immer nicht nur Gewinn, sondern auch Verlust.- Das gilt schon für die Integration in die reale Gesellschaft und ihre Kultur im Verlauf des Erwachsen-Werdens.
- Dann gilt es auch für Anpassungsphänomene an den beruflichen Kontext. Ganz extrem ist es beim Militär und auch bei Politikern lässt sich das verständlicherweise feststellen. Wenn sie sich scheinbar ganz normal unter Leuten bewegen, sehen sie die immer auch als potenzielle Wähler oder eben auch Nichtwähler. 🙁
- In beiden Fällen gibt es einen ziemlichen Druck an eine außergewöhnliche Kommunikations- und Handlungssituation.
- Aber auch wenn ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte einen Arbeitsraum mit Mitarbeitern betreten, müssen sie eine bestimmte Rolle einnehmen.
- Das kann man jetzt beliebig weiterdenken. Dann merkt man, welche Vielfalt von Situationen und Problemen durch diese Geschichte angesprochen werden.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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