Tucholsky, „Ruhe und Ordnung“ (Mat6001)

Umwertung der Begriffe?

Vorgestellt wird ein Gedicht, in dem die Begriffe „Ruhe“ und „Ordnung“ kritisch abgeklopft werden.

Gefunden haben wir das Gedicht hier:
https://www.textlog.de/tucholsky/gedichte-lieder/ruhe-und-ordnung

Kurt Tucholsky

Ruhe und Ordnung

  1. Wenn Millionen arbeiten, ohne zu leben,
  2. wenn Mütter den Kindern nur Milchwasser geben –
  3. das ist Ordnung.
  4. Wenn Werkleute rufen: »Laßt uns ans Licht!
  5. Wer Arbeit stiehlt, der muß vors Gericht!«
  6. Das ist Unordnung.
  • Das lyrische Ich macht hier deutlich, welche falschen Maßstäbe angelegt werden, wenn Menschen zu Recht verlangen, dass sie menschenwürdig leben und arbeiten dürfen.
  1. Wenn Tuberkulöse zur Drehbank rennen,
  2. wenn dreizehn in einer Stube pennen –
  3. das ist Ordnung.
  4. Wenn einer ausbricht mit Gebrüll,
  5. weil er sein Alter sichern will –
  6. das ist Unordnung.
  • Hier geht es um die Überforderung einzelner Menschen
  • und die negative Sicht auf die, sie versuchen, sich selbst zu helfen.
  1. Wenn reiche Erben im schweizer Schnee
  2. jubeln – und sommers am Comer See –
  3. dann herrscht Ruhe.
  4. Wenn Gefahr besteht, dass sich Dinge wandeln,
  5. wenn verboten wird, mit dem Boden zu handeln –
  6. dann herrscht Unordnung.
  • Hier geht es um eine bestimmte Gesellschaftsschicht,
  • Die sich alles leisten kann
  • Und die negative Bewertung von Bemühungen, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu ändern.
  1. Die Hauptsache ist: Nicht auf Hungernde hören.
  2. Die Hauptsache ist: Nicht das Straßenbild stören.
  3. Nur nicht schrein.
  4. Mit der Zeit wird das schon.
  5. Alles bringt euch die Evolution.
  6. So hats euer Volksvertreter entdeckt.
  7. Seid ihr bis dahin alle verreckt?
  8. So wird man auf euern Gräbern doch lesen:
  9. sie sind immer ruhig und ordentlich gewesen.
    • Hier wird noch einmal zusammenfassend betont, wie sehr der Begriff der Ordnung der Aufrechterhaltung der ungerechten Verhältnisse dient.
    • Kritisiert werden auch die, die glauben, die Zeit werde Besserung bringen.
    • Am Ende dann die ironisch überspitzte Beschreibung, dass so nichts erreicht wird.

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