Ludwig Uhland, „Reisen“ – Letzte Tipps vor dem schriftlichen Abitur (Mat6163)

Worum es hier geht – kleine Geschichte

  • Hinterher ist man noch schlauer 😉
  • Da veröffentlicht man am Vorabend des schriftlichen Abiturs im Fach Deutsch in NRW noch einmal letzte Tipps in einem Video auf Youtube
    • Tipps zur optimalen Vorbereitung auf eine Deutsch-Abiturklausur: Beispiel: Uhland, „Reisen“
    • 3.936 Aufrufe 29.04.2021
    • Noch heute kann man sich die realen Termine anschauen:
      Freitag, 30.04.2021 Deutsch X X
  • Als Beispiel nimmt man einfach das erste Gedicht aus einer eigenen Liste mit Reisegedichten.
  • Leider wird alles erst so gegen 18 Uhr am Vorabend veröffentlicht.
  • Am nĂ€chsten Tag dann die ersten RĂŒckmeldungen: Eine Menge Leute hatten die Hinweis-Mail von Youtube noch genutzt – andere waren verstĂ€ndlicherweise nicht so begeistert, dass sie erst nach der Klausur auf das Video von anderen SchĂŒlis aufmerksam gemacht wurden.
  • SpĂ€ter bekommt man dann mit, dass das Gedicht von Uhland wohl auch Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dran gekommen ist.
  • So etwas ist natĂŒrlich ein reiner GlĂŒcksfall, zeigt aber vielleicht, dass sogar die Abi-Aufgaben-Ersteller auf unsere Webseiten zugreifen und dann gleich das erste nehmen 😉
  • Dies nur als kleine Vorgeschichte, um zu zwei Dingen zu motivieren:
    • unsere Tipps zum Abitur zu nutzen
    • und unseren Youtube-Kanal zu abonnieren und dann auf jeden Fall spĂ€testens am Abend vor der PrĂŒfung noch mal nachzuschauen, ob es von uns was Neues gibt.
    • Wir werden uns aber MĂŒhe geben, in 2024ff rechtzeitig diese letzten Tipps zu geben. Wir können ja auf diese Seite zurĂŒckgreifen – und uns einfach noch ein neues Gedicht suchen.

Nun zu dem Gedicht von Uhland

Das folgende Gedicht wirft ein sehr interessantes Licht auf eine zunĂ€chst scheinbar reisefeindliche Haltung. WĂ€hrend zunĂ€chst der Eindruck erweckt wird, die Heimat halte alles bereit, was man fĂŒr Erlebnisse braucht, wird das am Ende doch als SchwĂ€rmerei abgetan und man möchte neue Erlebnisse fernab vom Gewohnten.

Gefunden haben wir das Gedicht z.B. hier.


Inzwischen gibt es ein Video dazu, das zeigt, wie man bei einer Klausur möglichst die maximale Punktzahl herausholt – bis hin zu Zusatzpunkten:

Video und Dokumentation

Videolink
Hier auch noch der Link zum Video-Begleitmaterial:

Letzte Tipps vor dem Abitur

  1. Aufgabe sorgfĂ€ltig lesen und in Teilaufgaben zerlegen – zum Abhaken
  2. UngefÀhren Zeitplan aufstellen
  3. Äußere Form erst mal weglassen – aber Platz lassen und Merkzettel!
  4. Einleitungssatz: Platz fĂŒrs Thema lassen, evtl. spĂ€ter eintragen
  5. Analyse der Strophen: AktivitÀten des lyrischen Ichs im PrÀsens
    keine reine Wiedergabe
  6. KĂŒnstlerische Mittel und Stoff fĂŒr Aufgabe 2 sammeln
    evtl. schon beim Inhalt erwÀhnen, wenn bsd. wichtig
  7. Zusammenfassung der Aussagen: Hilfsformulierung: Das Gedicht zeigt 

  8. KĂŒnstlerische Mittel möglichst zusammenfassend und mit UnterstĂŒtzung der Aussagen
  9. Auf mögliche Zusatzpunkte achten: Verbinden mit anderen Ergebnissen des Unterrichts, evtl. ĂŒber das Gedicht hinausgehen, z.B. kreative Idee
  10. Am Ende Klausur noch mal sorgfĂ€ltig lesen, dafĂŒr ist der Zeitplan da.

Auszug aus der Dokumentation

Äußere Form
Vier Strophen mit jeweils 8 Versen
vierhebiger TrochÀus, Beginn mit einer betonten Silbe, dann eine unbetonte usw.

Reim: zwei Kreuzreime nacheinander, dementsprechend ein Wechsel von mĂ€nnlichen und weiblichen VersschlĂŒssen

Strophe 1
Reisen soll ich, Freunde! reisen,
LĂŒften soll ich mir die Brust?
Aus des Tagwerks engen Gleisen
Lockt ihr mich zu Wanderlust?
Und doch hab ich tiefer eben
In die Heimat mich versenkt,
FĂŒhle mich, ihr hingegeben,
Freier, reicher, als ihr denkt.
—
Anmerkungen zur 1. Strophe:
Sie besteht aus zwei Teilen: In der ersten HÀlfte prÀsentiert das Lyrische Ich die RatschlÀge seiner Freunde, die es zum Reisen auffordern. In der zweiten HÀlfte geht es um die sogar noch gewachsene Liebe zur Heimat, die mehr Reichtum bereit halte, als die Freunde denken.
—
Strophe 2
Nie erschöpf ich diese Wege,
Nie ergrĂŒnd ich dieses Tal,
Und die altbetretnen Stege
RĂŒhren neu mich jedesmal;
Öfters, wenn ich selbst mir sage,
Wie der Pfad doch einsam sei,
Streifen hier am lichten Tage
Teure Schatten mir vorbei.
—
Anmerkungen zur 2. Strophe:
Auch hier wieder eine Zweiteilung: ZunĂ€chst wird der eben angesprochene Reichtum der Heimat prĂ€sentiert, ihre UnergrĂŒndlichkeit und die GefĂŒhle, die sie hervorruft.
Im zweiten Teil wird das dann noch erweitert, weil es nicht nur um die Natur, sondern auch um „Teure Schatten“ geht. Es bleibt offen, ob es sich nur um Erinnerungen an eigene Erfahrungen handelt oder auch andere Menschen mit einbezogen sind.
Strophe 3
Wann die Sonne fÀhrt von hinnen,
Kennt mein Herz noch keine Ruh‘,
Eilt mit ihr von Bergeszinnen
Fabelhaften Inseln zu;
Tauchen dann hervor die Sterne,
DrÀngt es mÀchtig mich hinan,
Und in immer tiefre Ferne
Zieh ich helle Götterbahn.
—
Anmerkungen zur 3. Strophe
Diese Strophe beschĂ€ftigt sich mit dem Ende des Tages und macht deutlich, dass die GefĂŒhle nicht mit der Sonne untergehen. Offensichtlich geht es bei den „Fabelhaften Inseln“ um innere Welten der Fantasie. Am Ende geht das Lyrische Ich sogar noch einen Schritt weiter, indem es von einer „Götterbahn“ spricht, d.h. das innere Erleben geht sogar ĂŒber das rein Irdische hinaus.
Strophe 4
Alt‘ und neue JugendtrĂ€ume,
Zukunft und Vergangenheit,
Uferlose HimmelsrÀume
Sind mir stĂŒndlich hier bereit.
Darum, Freunde! will ich reisen;
Weiset Straße mir und Ziel!
In der Heimat stillen Kreisen
SchwÀrmt das Herz doch allzuviel.
Anmerkungen zur 4. Strophe
Hier geht der Blick zeitlich in die Weite – die wird der rein rĂ€umlichen des Reisens entgegengesetzt. Noch einmal kommt der mit „HimmelsrĂ€ume“ der Bezug zum Überweltlichen. All das stehe ihm immer zur VerfĂŒgung, bekennt das Lyrische Ich.
Dann kommt ein plötzlicher Wechsel: Gerade weil es das innere Erleben stĂ€ndig zur VerfĂŒgung hat, will das Lyrische Ich sich auch dem Ă€ußeren Erleben des Reisens stellen und sich „Straße“ und „Ziel“ von den Freunden nennen lassen.
Fast schon etwas abfĂ€llig ist am Ende von „der Heimat stillen Kreisen“ die Rede und der eigenen Befindlichkeit dort: „SchwĂ€rmt das Herz doch allzuviel.“
—

Zusammenfassung – Intention

Insgesamt enthĂ€lt das Gedicht zum einen den Gegensatz zwischen dem inneren Erleben zuhause und dem Ă€ußeren des Reisens – wohl auch mit den Freunden zusammen, also in Gemeinschaft.
Zum anderen gibt es eine erstaunliche Dynamik. WĂ€hrend des Verlaufs des Gedichts wechselt das Lyrische Ich seine Haltung: weg von reiner SchwĂ€rmerei – hin zur RealitĂ€t des Lebens.

KĂŒnstlerische Mittel:

  • 1,3: Das Bild der engen Gleise (Metapher)
  • 1,6: Das Motiv des Versenkens in die Heimat
  • 1,8: Wiederholung als Betonung und Vertiefung
  • 2,1u2: Anapher in den ersten beiden Zeilen, ebenfalls zur Betonung und VerstĂ€rkung
  • 2,8: Andeutung, die dem Leser SpielrĂ€ume eröffnet
  • 3,8: Neologismus, der das Reisen in göttliche SphĂ€ren erhebt
  • 4,1u2: GegensĂ€tze, die aber hier zusammengedacht werden, was den Eindruck des Allumfassenden vermitteln soll
  • 4,6: Aufforderung und zugleich Wiederaufnahme dessen, was die Freunde in der ersten Strophe schon gesagt haben
  • 4,8: SchlĂŒsselbegriff des „SchwĂ€rmens“, das der realistischeren Situation des Reisens entgegengesetzt wird

NachtrÀge zu Frage-Aspekten des Abiturs 2021

Wir gehen jetzt noch auf Aufgabenteile der realen AbiturprĂŒfung ein, die wir selbst natĂŒrlich erst nach der ersten Veröffentlichung kennengelernt haben 😉

Die Innen- und die Außenwelt im Gedicht:
  • In der ersten Strophe bieten die Freunde ĂŒber das Reisen die Außenwelt an,
  • wĂ€hrend das lyrische Ich sich „in die Heimat versenkt“.
  • In der zweiten Strophe fĂŒhlt es sich durch die Umgebung gerĂŒhrt
  • und die „Schatten“ der Erinnerung bewegen es zusĂ€tzlich.
  • In der dritten Strophe fĂŒhrt das „Herz“ das lyrische Ich von der realen Umgebung zu einer inneren Welt der Fantasie.
  • Dann geht es „hinan“, in eine immer „tiefre Ferne“ – aber auch das geschieht alles innerlich.
  • In der letzten Strophe geht es um „alt‘ und neue JugendtrĂ€ume“, also auch etwas Innerliches, „uferlose HimmelsrĂ€ume“ sind auch letztlich nur im Bewusstsein vorstellbar.
  • —
  • Dann nimmt das lyrische Ich Abstand von all dem: Es hat gemerkt, dass das „Herz“ davon „schwĂ€rmt“, also in einer inneren Bewegung ist, die zwar schön ist, aber zunehmend auch belastet.
  • Deshalb will es doch mit den Freunden in die Außenwelt, will sich echte „Straße“ und „Ziel“ weisen lassen, nicht mehr nur so etwas im Inneren groß werden lassen.
  • —
  • Kurz gesagt: Das Gedicht prĂ€sentiert eine tiefe innere Erfahrung mit viel Fantasie, die das lyrische Ich aber anscheinend so ĂŒberwĂ€ltigt, dass es seine Anfangsablehnung gegenĂŒber dem „reisen“ aufgibt und mitgeht.
  • Letztlich ist das Reisen oder auch das Wanders anscheinend fĂŒr die Romantiker auch Flucht aus zuviel Innerlichkeit.

NachtrÀge zu Frage-Aspekten des Abiturs 2021
Novalis und das Weltall
  • „Wir trĂ€umen von Reisen durch das Weltall:
  • ist denn das Weltall nicht in uns?
  • Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. –
  • Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg.
  • In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.
  • Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich.
  • Jetzt scheint es uns freilich innerlich so dunkel, einsam, gestaltlos,
  • aber wie ganz anders wird es uns dĂŒnken, wenn diese Verfinsterung vorbei, und der Schattenkörper hinweggerĂŒckt ist.
  • Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt.“
ErlÀuterungsversuch:
  1. Novalis geht aus von dem Traum des Menschen, in fernstmögliche Welten , nÀmlich durch das Weltall aufzubrechen .
  2. Das stellt er radikal in Frage, indem er die wohl rhetorische Frage stellt, ob das Weltall nicht in uns Menschen ist.
  3. Er spricht von „Tiefen des Geistes“ in uns.
  4. Und er schlĂ€gt statt der „Fernstreisen“ eine Wanderung in das eigene Innere vor.
  5. Alles, behauptet er, sei eigentlich in uns Menschen selbst.
  6. Er wertet die Außenwelt sogar als „Schattenwelt“ ab und stellt ihr das eigene Lichtreich entgegen.
  7. Zur Zeit leben wir fĂŒr Novalis in einer Scheinwelt, die uns das Wahre verbirgt.
  8. Er deutet eine Zukunft an, in der der „Schattenkörper“ weggerĂŒckt ist
  9. und wir mehr „genießen“ werden als wir jetzt ĂŒberhaupt vermissen.
  10. Das passt natĂŒrlich zum Gedicht, denn dort wird ja auch der innere Reichtum beschrieben und
  11. als belastend empfunden.
  12. Wenn man Novalis ernstnimmt, ist der Aufbruch mit den Freunden am Ende nur eine Scheinlösung, die nicht von Dauer sein kann.
  13. Das wirklich Wichtige steckt im Menschen selbst.
    —
  14. Kritische Anmerkung: Das erinnert zum Teil an eine Art himmlische Erlösung in höhere Welten hinein.
  15. Zum anderen ĂŒbersieht Novalis völlig, in welche AbgrĂŒnde Menschen auch blicken können, wenn sie zu sehr in sich hineinblicken.
  16. Auf jeden Fall hat er aber recht, dass reine Flucht-TrÀume ins Weltall hinein keine Erlösung darstellen, denn man nimmt sich selbst immer mit.
  17. Die Wahrheit liegt also in der Mitte: Das Gedicht ĂŒbertreibt mit dem Leiden am Inneren – Novalis ĂŒbertreibt mit dem Genuss des Inneren.

Anregung:

Vergleichen kann man das Gedicht zum Beispiel mit diesem vom gleichen Autor:
Gefunden haben wir das folgende Gedicht hier:

Auf die Reise

  1. Um Mitternacht, auf pfadlos weitem Meer,
  2. Wann alle Lichter lÀngst im Schiff erloschen,
  3. Wann auch am Himmel nirgends glÀnzt ein Stern,
  4. Dann glĂŒht ein LĂ€mpchen noch auf dem Verdeck,
  5. Ein Docht, vor WindesungestĂŒm verwahrt,
  6. Und hÀlt dem Steuermann die Nadel hell,
  7. Die ihm untrĂŒglich seine Richtung weist.
  8. Ja! wenn wir’s hĂŒten, fĂŒhrt durch jedes Dunkel
  9. Ein Licht uns, stille brennend in der Brust.

Das Gedicht ist interessant, deshalb werden wir auf einer eigenen Seite noch genauer darauf eingehen.
https://schnell-durchblicken.de/ludwig-uhland-auf-die-reise

Weitere Infos, Tipps und Materialien