Charakteristik im Vergleich zu einer Personenbeschreibung oder einem Steckbrief: Marc Zwollich, „Die Entscheidung“ (Mat1215)

Worum es hier geht:

Die Charakteristik einer Figur in einer Kurzgeschichte oder einem Roman sollte man nicht mit einer Personenbeschreibung oder einem Steckbrief verwechseln.

Dort geht es nämlich um die gewissermaßen bildhafte Beschreibung – bei einer Charakteristik sollte man aber etwas ernst nehmen: Es ist keine Gestalt, sondern eine Erzählung. Dementsprechend macht es dort auch nicht viel Sinn nach einer Standard-Checkliste vorzugehen.

Bei einem Menschen in der Wirklichkeit spielt z.B. die Größe eine Rolle, bei einer Figur in einer Erzählung nicht unbedingt.

Da ist etwas anderes viel wichtiger:

  • Die Charakterisierung von Figuren in einer Kurzgeschichte, in einem Roman oder auch in einem Drama ist eine gute Möglichkeit, in die Interpretation einzusteigen.
  • Leider wird dabei zum Teil ähnlich vorgegangen wie bei einer Personenbeschreibung, d.h. es werden ganz formal Dinge abgefragt wie Kleidung, Aussehen usw., die vielleicht im literarischen Text überhaupt keine Rolle spielen.

Deshalb wollen wir hier mit Hilfe eines Schaubildes mal auf den entscheidenden Unterschied eingehen zwischen der

  • Personenbeschreibung zum Beispiel eines Täters im Polizeiprotokoll
  • und der Charakteristik einer literarischen Figur.
  1. Eine Personenbeschreibung oder auch ein Steckbrief spielen ganz in einer realen Welt. Es geht dort um eine Person, von der alles an Interessierte weitergegeben werden soll, was nötig ist, um sie zu erkennen.
  2. Dabei geht es erst mal um das Äußere, vielleicht auch das Verhalten und in manchen Fällen sogar die Biografie.
  3. Bei einem literarischen Text ist das anders: Der Autor einer Kurzgeschichte zum Beispiel steckt zwar in der Realität, zehrt auch von eigenen und fremden Erfahrungen, hat aber vor allem Fantasie, um aus all dem etwas Neues zu machen.
  4. Damit hat der Autor von „fiktionalen“ Texten (Roman, Drama u.ä.) gewissermaßen Zugang zu einer anderen, ausgedachten Welt.
  5. Bei einer Kurzgeschichte erfindet er sich einen Erzähler, der stellvertretend für ihn ein Geschehen in einer bestimmten Umgebung präsentiert.
  6. Das kann er auf eine sehr auktoriale Weise tun, d.h. ständig sieht und hört man ihn gewissermaßen, wie er auf etwas zeigt, es kommentiert und vielleicht auch noch über sich selbst und den Erzählvorgang spricht.
  7. Es kann aber auch auf eine personale Weise geschehen. Da hält sich der Erzähler stark zurück und schlüpft gewissermaßen in die Figuren der Geschichte hinein. Ein Beispiel dafür ist etwa der Roman „Sansibar oder der letzte Grund“ von Alfred Andersch, wo schon die Kapitelüberschriften dem Leser sagen, welche Figur jetzt gerade das Sagen hat.
  8. Ein wichtiger Teil einer jeden Kurzgeschichte und vergleichbarer literarischer Werke sind die Figuren. Sie werden von außen gezeigt, zum Teil auch von innen. Wir lernen ihr Verhalten kennen und der Erzähler kommentiert das auch zum Teil.
  9. Das alles sind Bestandteile einer fiktiven Welt und es wird schon deutlich, dass der Erzähler bzw. sein Erzählen eine entscheidende Rolle spielt, nicht so sehr eine Art Polizei-Fragebogen, mit dem man gesuchte Personen erfasst.
  10. Deshalb ist es sinnvoll, mit Blick auf dieses Erzählen eine Figur vorzustellen.

Vorstellung des Videos:

Das Video ist auf Youtube zu finden unter der Adresse:

https://youtu.be/YGDebyV_bQc

Die Dokumentation kann hier heruntergeladen werden.
Mat1215 Charakteristik statt Personenbeschreibung

Den Text der Kurzgeschichte kann man hier herunterladen:
https://textaussage.de/mark-zwollich-die-entscheidung

Wir präsentieren die einzelnen Schaubilder aber auch in diesem Beitrag.