Worum es hier geht:
- Probleme mit der Inhaltsbeschreibung eines Gedichtes?
- Kein Problem, wenn man erst mal untersucht, was das lyrische Ich da in den Verszeilen äußert, also „raushaut“.
- Daraus kann man dann sehr schön die Strophenbeschreibung erstellen.
Inhaltlich ist dies ein „Gegengedicht“ (oder besser: Kontrastgedicht) zu
Oliver Tietze, „See in der Großstadt“, wo Mensch und Natur sich kurzzeitig gerne verbinden.
https://textaussage.de/oliver-tietze-see-in-der-grossstadt
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Kimia Tivag,
Flucht aus dem Wald
1.80. Geburtstag.
2.Der Tante geht es gut.
3.Zu oft hat sie an Eichendorff gedacht.
4.Jetzt lebt sie tief in Waldes Einsamkeit.
- 1/2 = reale Beschreibungen
- 3: Erinnerung
- 4: poetische Beschreibung wie in der Romantik
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungIn der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich kurz,- dass es um den 80. Geburtstag der Tante geht. Das scheint – wie die Überschrift andeutet – zu einer Flucht aus dem Wald zu führen.
- Offensichtlich ist das lyrische Ich nicht so an dem romantischen Idealbild interessiert wie die Tante, die wohl Eichendorff verehrt.
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5.Es ist fast wie ein Seitensprung,
6.was ich hier mache –
7.ohne Netz, ohne Karte.
8.Mein Handy schweigt.
- 5/6: Beschreibung der eigenen Reflexion
- 8: Poetische Beschreibung mit Personifikation
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungIn der zweiten Strophe- vergleicht das lyrische Ich seine Situation mit einem Seitensprung
- und verbindet das mit fehlender Verbindung zur digitalen Außenwelt.
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9.Ein Strich Empfang –
10.mehr bleibt mir nicht.
11.Ein Stein – zu krumm zum Sitzen,
12.der Wald: spitz, starr, stumm.
- 9: reale, technische Beschreibung
- 10: reale Beschreibung mit poetischer Beschreibung des Gefühls
- 11: reale Beschreibung mit Gefühlskommentar
- 12: poetische Beschreibung mit Alliteration, vielleicht Steigerung
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungDie dritte Strophe- nimmt noch einmal die fehlende Handyverbindung auf
- und wendet sich dann den Unannehmlichkeiten im Wald zu.
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13.Die Bäume? Sie sehen mich an –
14.als hätten sie Fragen. Oder Zähne.
15.Der Wind pfeift mir Worte zu,
16.ich versteh sie nicht. Will sie nicht.
- 13: poetische Beschreibung mit Personifizierung
- 14: poetische Beschreibung mit Vergleich
- 15: Poetische Beschreibung mit Personifizierung
- 16: Reale Beschreibung mit Beschreibung der eigenen Position
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungIn der vierten Strophe- geht es um die Bäume, die dem lyrischen Ich fremd oder sogar gefährlich vorkommen.
- Insgesamt ist die Situation im Wald durch Unverständnis geprägt.
17.Zirpen, Knacken, Klackern.
18.Grillen? Geräte? Ich.
19.Zähne aufeinander.
20.Mein Handy: stumm vor Netzverlust.
- 17: Beschreibung von Geräuschen
- 18: Reale Beschreibung mit Vermutungen
- 19: Beschreibung der eigenen körperlichen und seelischen Reaktion
- 20: reale Beschreibung mit poetischem Beschreibungselement
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungDie fünfte Strophe- beschreibt typische Geräusche im Wald, die das lyrische Ich mit Zähneklappern in Verbindung bringt.
- Am Ende dann wieder die Klage über das fehlende Handynetz.
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21.Sie trinken Tee. Ich suche WLAN.
22.Ein Pfad, zwei Wege –
23.links raschelt’s. Rechts?
24.Ein Bus.
- 21: Gegensatz zwischen den anderen Gästen und dem lyrischen Ich
- 22: Reale Beschreibung
- 23: Reale Beschreibung mit Beschreibung der eigenen Frage-Reaktion
- 24: Reale Beschreibung
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungDie sechste Strophe- formuliert den Gegensatz zwischen der Geselligkeit bei der Tante
- und der WLAN-Einsamkeit des lyrischen Ichs.
— - Diese Strophe leitet dann direkt über zum Schluss, denn das lyrische Ich findet einen Weg, der zu einem Bus führt und damit die in der Überschrift angedeutete Flucht (wahrscheinlich) vollendet.
Es kann natürlich auch schiefgehen ☹
25.Ich springe.
26.Keine Ahnung, wohin.
27.Aber ich renne,
28.als wüsste ich es.
- 25: Reale Beschreibung
- 26: Beschreibung der Unklarheit über die Situation
- 27: Reale Beschreibung, Fortsetzung von 25
- 28: Beschreibung der eigenen gedanklichen Situation mit ironischer Infragestellung im Konjunktiv.
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Daraus wird dann die StrophenbeschreibungDie letzte Strophe- Das letzte, was dem Leser präsentiert wird, ist fortbestehende Unklarheit – aber auch die Konzentration auf eine möglichst schnelle Flucht.