Vergleich Gryphius, „Es ist alles eitel“ mit Grünbein, „Schädelbasislektion 1 und 5“ (Mat6291)

Worum es hier geht:

Präsentiert werden zwei Gedichte, die sich auf je eigene Weise mit dem sogenannten „Vanitas“-Motiv beschäftigen.

Es geht darum, das Leben und besonders den Menschen im Hinblick auf seine Bedeutung zum einen auf das Wesentliche hin zu konzentrieren (Gryphius), zum anderen im modern nihilistischen Sinne auf die komplette Bedeutungslosigkeit.

Das Gedicht von Gryphius ist zum Beispiel hier zu finden:

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 33-34.
Permalink:
Die erste Strophe des Gedichtes von Grünbein haben wir hier gefunden.
Ansonsten sei auf die Textausgabe verwiesen, in der diese beiden Strophen gemeinsam auftauchen (sollten).
  • Herausgeber ‏ : ‎ Suhrkamp Verlag; 8. Edition (1. September 1991)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 154 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3518403753
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3518403754

Anscheinend auch als E-Book verfügbar.

Zunächst Anmerkungen zum Gedicht von Gryphius:
  1. Bei dem Gedicht „Es ist alles eitel“ handelt es sich um eins der bekanntesten Gedichte der Barockzeit.
  2. Gleich am Anfang wird die Grundauffassung der Zeit deutlich, die auf der Erde nur „Eitelkeit“ sieht.
  3. Das wird dann verbunden mit vielen Bildern, die letztlich auf Zerstörung dessen hinauslaufen, was einem jetzt groß und prächtig vorkommt.
  4. Im Laufe des Gedichts wird dann immer mehr auch der Mensch direkt einbezogen, zum Beispiel wenn von einer Perspektive des „Asch und Bein“ die Rede ist oder von Beschwerden und schließlich von hohen Taten, deren Ruhm wie ein Traum vergehen muss.
  5. Das geht dann über zu der Frage, wie der leichte, also schwache Mensch bei diesem Spiel der Zeit, gemeint ist wohl eine unaufhaltsame Entwicklung, bestehen kann.
  6. Es folgt, dann eine Art Klage darüber, dass das, was wir Menschen für köstlich halten, nichts ist als eine „schlechte Nichtigkeit“ – man achte hier auf die doppelte Negativität.
  7. Am Ende findet sich die eigentliche Aussage des Gedichtes, nämlich die Kritik daran, dass kein Mensch betrachten will, was „ewig“ ist
  8. Wer sich ein bisschen in der Barockzeit auskennt, weiß, dass damit letztlich die Religion, in diesem Fall die christliche, gemeint ist, Jit ihrer jenseits- und Heilperspektive – aber auch ihren Anforderungen an ein entsprechendes Verhalten schon im Diesseits.
Nun das Gedicht von Grünbein
  1. .Am besten liest man das Gedicht sofort mit Blick auf den Vergleich. Uns scheint es zudem hilfreich, dem Text seine Grenzen aufzuzeigen.
  2. Gleich am Anfang wird der Mensch reduziert auf das, was am „Rand / Anatomischer Tafeln“ steht.
  3. Das ist natürlich falsch, denn es berücksichtigt nicht, dass dort nur ein Teil des Menschen erfasst wird.
  4. Anschließend beschäftigt sich das lyrische Ich mit der Frage, wie sinnvoll es wäre, mit dem „Skelett an der Wand / Was von Seele zu schwafeln.“
  5. Auch hier der gleiche Unsinn – damit ist keine Beleidigung gemeint, sondern der Hinweis, dass hier nicht mal Äpfel mit Birnen verglichen werden: Denn hier wird nicht unterschieden zwischen lebendiger und toter Erscheinung des Menschen.
  6. Die letzte Zeile der ersten Strophe kann man eher nachvollziehen: Das lyrische Ich leidet unter der Sterblichkeit des Menschen, vergisst dabei aber, dass man das auch anspruchsvoller sprachlich und kulturell darstellen könnte.
  7. In der zweiten Strophe schildert das lyrische Ich dann seine aktuelle, lebendige Existenz. Sie ist bestimmt durch Sprach- und Kommunikationslosigkeit.
  8. Dann hat es möglicherweise ein Auto oder eine Baugrube übersehen und ist dort von allem Schrecklichen dieser irdischen Existenz erlöst worden.
Vergleich unter dem Gesichtspunkt des „Vanitas“-Motivs
  1. Aussage und Haltung des Gedichtes von Gryphius muss man nicht mögen. Aber es handelt sich um eine zugespitzte, aber nachvollziehbare Sicht auf die menschliche Existenz.
  2. Im Unterschied zu Grünbeins Gedicht haben hier aber die Menschen wenigstens etwas geschaffen und zumindest einige Zeit gut und vielleicht sogar glücklich gelebt.
  3. Die Zuspitzung dient am Ende dem Ziel, darauf hinzuweisen, dass der Mensch nach Meinung des lyrischen Ichs und der Zeit der Entstehung des Gedichtes in einem transzendenten Kontext lebt, das das Attribut „ewig“ enthält.
  4. Implizit damit verbunden ist eine deutliche Aufwertung des menschlichen Potenzials – eben als Geschöpf Gottes, wenn man die Perspektive der Zeit von Gryphius aufnehmen will.
  5. Im Vergleich dazu präsentiert das Gedicht von Grünbein eine problematisch reduzierte Sicht auf den Menschen und eine Befindlichkeit, die es beim lyrischen Ich angesagt sein lässt, sich professionelle Hilfe zu holen.
  6. Letztlich bleiben für den Leser nur zwei Möglichkeiten:
    1. Entweder er lässt sich auf die Perspektive des Gedichtes von Grünbein ein und sucht die nächste Kneipe auf, um sich dort vielleicht etwas wohler zu fühlen oder
    2. Er wendet sich schaudernd ab und tut das, was die meisten Menschen mehr oder weniger tun: Er macht das Beste aus seinem Leben, freut sich über jeden schönen Moment und schafft es vielleicht sogar, für sich eine existenzielle Einordnung in diese Welt zu finden, die mehr bietet, als sie nur zu ertragen bzw. hinzunehmen.
  7. Was das Vanitas-Motiv angeht,
    1. bietet Gryphius Art Teil-oder Phasen-Variante mit einer gloriosen Perspektive.
    2. Das Gedicht von Grünbein präsentiert eine künstlich reduzierte Perspektive, die man für sich als „untere Auffanglinie“ verstehen kann, von der man sein eigenes Leben möglichst positiv abhebt.

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