„Astralis“ – ein Gedicht von Novalis – MIA testet die KI (Mat8612)

Worum es hier geht:

Es geht mal wieder darum, zu prüfen, was die KI in der Schule an Hilfestellungen geben kann, wenn es um ein ungewöhnliches Gedicht geht.

Da taucht das Gedicht „Astralis“ von Novalis wie aus dem Nichts auf.

Bei solchen älteren Texten fragen wir gerne bei zeno nach und bekommen dort den Text des Gedichtes – im Zusammenhang eines Romans von Novalis:

Quelle: Novalis: Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Band 1, Stuttgart 1960–1977, S. 317-335.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005446899

Wir kennen zwar den Romantik-Dichter, aber nicht dieses Gedicht, also wenden wir uns vertrauensvoll an Bing/Copilot. Zunächst aber wollen wir schauen, was wir selbst herausbekommen – ohne den Romankontext des Gedichtes zu kennen.

Der Originaltext in kursiver Schrift.

Wir versuchen also erst mal selbst, die Richtung des Gedichtes zu verstehen – und fügen die entsprechenden erläuternden Feststellungen eingerückt ein.

Zweiter Theil: Die Erfüllung

Das Kloster, oder der Vorhof

Astralis

  1. An einen Sommermorgen ward ich jung
    • Offensichtlich geht es hier um ein lyrisches Ich, das eine Verjüngung erlebt.
  2. Da fühlt ich meines eignen Lebens Puls
  3. Zum erstenmal – und wie die Liebe sich
  4. In tiefere Entzückungen verlohr,
  5. Erwacht‘ ich immer mehr und das Verlangen
  6. Nach innigerer gänzlicher Vermischung
  7. Ward dringender mit jedem Augenblick.
    • Es geht um eine Situation des Erwachens
    • und des Bedürfnisses nach einer inneren Vermischung,
    • was vorher unklar bleibt.
  8. Wollust ist meines Daseyns Zeugungskraft.
  9. Ich bin der Mittelpunkt, der heilge Quell,
  10. Aus welchem jede Sehnsucht stürmisch fließt
  11. Wohin sich jede Sehnsucht, mannichfach
  12. Gebrochen wieder still zusammen zieht.
    • Das lyrische Ich bekennt sich hier zu extremen Gefühlen, die in den sexuellen Bereich hineinspielen, was sich hier aber auch auf Poesie beziehen kann.
    • Auf jeden Fall wird Klarheit angestrebt.
  13. Ihr kennt mich nicht und saht mich werden –
  14. Wart ihr nicht Zeugen, wie ich noch
  15. Nachtwandler mich zum ersten Male traf
  16. An jenem frohen Abend? Flog euch nicht
  17. Ein süßer Schauer der Entzündung an? –
  18. Versunken lag ich ganz in Honigkelchen.
  19. Ich duftete, die Blume schwankte stillIn goldner Morgenluft. Ein innres Quellen
  20. War ich, ein sanftes Ringen, alles floß
  21. Durch mich und über mich und hob mich leise.
  22. Da sank das erste Stäubchen in die Narbe,
  23. Denkt an den Kuß nach aufgehobnen Tisch.
  24. Ich quoll in meine eigne Fluth zurück –
  25. Es war ein Blitz – nun konnt ich schon mich regen,
  26. Die zarten Fäden und den Kelch bewegen,
  27. Schnell schossen, wie ich selber mich begann,
  28. Zu irrdischen Sinnen die Gedanken an.
    • Hier beschreibt das lyrische Ich ein früheres Ereignis,
    • bei dem es vor allem um Sehnsucht geht,
    • ein typisches Motiv der Romantik.
  29. Noch war ich blind, doch schwankten lichte Sterne
  30. Durch meines Wesens wunderbare Ferne,
  31. Nichts war noch nah, ich fand mich nur von weiten,
  32. Ein Anklang alter, so wie künftger Zeiten.
  33. Aus Wehmuth, Lieb‘ und Ahndungen entsprungen
  34. War der Besinnung Wachsthum nur ein Flug,
  35. Und wie die Wollust Flammen in mir schlug,
  36. Ward ich zugleich vom höchsten Weh durchdrungen.
  37. Die Welt lag blühend um den hellen Hügel,
  38. Die Worte des Profeten wurden Flügel,
  39. Nicht einzeln mehr nur Heinrich und Mathilde
  40. Vereinten Beide sich zu Einem Bilde. –
    • Hier geht es offensichtlich um eine genauere Beschreibung
    • des Erweckungsprozesses.
    • Deutlich wird ein weiteres romantisches Motiv, nämlich das der alten Zeiten,
    • Die auch in einer Art Prophetie zu zukündigen werden.
    • Mit Heinrich und Mathilde hat man wohl eine Anspielung, die man aus der Kenntnis des Romans heraus verstehen kann.
      Näheres findet man zum Beispiel hier:
      https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Ofterdingen
      Deutlich wird der Zusammenhang mit der Blauen Blume, einem Kernstück der Romantik.
  41. Ich hob mich nun gen Himmel neugebohren,
  42. Vollendet war das irrdische Geschick
  43. Im seligen Verklärungsaugenblick,
  44. Es hatte nun die Zeit ihr Recht verlohren
  45. Und forderte, was sie geliehn, zurück.
    • Hier wird die höhere Ebene des Ziels angesprochen,
    • das das lyrische Ich erreicht hat.
  46. Es bricht die neue Welt herein
  47. Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein[,]
  48. Man sieht nun aus bemooßten Trümmern
  49. Eine wunderseltsame Zukunft schimmern
  50. Und was vordem alltäglich war
  51. Scheint jetzo fremd und wunderbar.
  52. ›Eins in allem und alles im Einen
  53. Gottes Bild auf Kräutern und Steinen
  54. Gottes Geist in Menschen und Thieren,
  55. Dies muß man sich zu Gemüthe führen.
  56. Keine Ordnung mehr nach Raum und Zeit
  57. Hier Zukunft in der Vergangenheit[.]‹
  58. Der Liebe Reich ist aufgethan
  59. Die Fabel fängt zu spinnen an.
  60. Das Urspiel jeder Natur beginnt
  61. Auf kräftige Worte jedes sinnt
  62. Und so das große Weltgemüth
  63. Überall sich regt und unendlich blüht.
  64. Alles muß in einander greifen
  65. Eins durch das Andre gedeihn und reifen;
  66. Jedes in Allen dar sich stellt
  67. Indem es sich mit ihnen vermischet
  68. Und gierig in ihre Tiefen fällt
  69. Sein eigenthümliches Wesen erfrischet
  70. Und tausend neue Gedanken erhält.
    • Ausführlich wird hier eine neue, höhere Welt beschrieben.
  71. Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt
  72. Und was man geglaubt, es sey geschehn
  73. Kann man von weiten erst kommen sehn.
  74. Frey soll die Fantasie erst schalten,
  75. Nach ihrem Gefallen die Fäden verweben
  76. Hier manches verschleyern, dort manches entfalten,
  77. Und endlich in magischen Dunst verschweben.
  78. Wehmuth und Wollust, Tod und Leben
  79. Sind hier in innigster Sympathie –
  80. Wer sich der höchsten Lieb‘ ergeben,
  81. Genest von ihren Wunden nie.
    • Hier wird deutlich, dass es um eine Welt der Fantasie bzw. der Poesie geht.
    • Interessant der Schluss, der diese Welt mit einer offenen Wunde vergleicht,
    • was wohl die Unendlichkeit einer nicht immer nur angenehmen Entwicklung deutlich machen soll.
  82. Schmerzhaft muß jenes Band zerreißen
  83. Was sich ums innre Auge zieht,
  84. Einmal das treuste Herz verwaisen,
  85. Eh es der trüben Welt entflieht.
  86. Der Leib wird aufgelöst in Thränen,
  87. Zum weiten Grabe wird die Welt,
  88. In das, verzehrt von bangen Sehnen,
  89. Das Herz, als Asche, niederfällt.
    • Am Ende dann ein seltsam negativer Schluss,
    • Den man am besten so versteht, wie es einem bei einem schönen Traum ergeht.
    • Man hat dort eine andere Wirklichkeit erlebt
    • und kehrt jetzt in die normale Wirklichkeit zurück, in der Hoffnung,
    • dass der Traum wiederkommt und sich vielleicht sogar noch weiter ausbildet.

Die Hilfe der KI

Nun also zu dem, was Bing/Copilot am 3.4.24 zu bieten hatte:

Prompt: „Was hat es mit dem Gedicht Astralis von Novalis auf sich?“

Und wir bekommen die folgende Antwort (in kursiver Formatierung), dazwischen unsere auswertenden Anmerkungen:

Astralis, ein Gedicht von Novalis, entstammt dem zweiten Teil des Romans “Heinrich von Ofterdingen”. Dieses Werk wurde 1802 veröffentlicht, blieb jedoch unvollendet. Lassen Sie uns in die poetische Welt von Novalis eintauchen:

  • Hier bekommt man erst mal grundsätzliche Infos zum Kontext.

Es bricht die neue Welt herein
Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein,
Man sieht nun aus bemoosten Trümmern
Eine wunderseltsame Zukunft schimmern,
Und was vordem alltäglich war,
Scheint jetzo fremd und wunderbar.

In diesen Versen beschreibt Novalis eine neue Welt, die sich vor den Augen des Betrachters entfaltet. Alles, was einst vertraut war, erscheint nun in einem anderen Licht. Die Grenzen zwischen Vergangenheit und Zukunft verschwimmen, und das Gewöhnliche wird zu etwas Außergewöhnlichem.

  • Schön, dass ein wesentlicher Ausschnitt verwendet wird, um die grundsätzliche Eigenart und Zielrichtung des Gedichtes deutlich zu machen.
  • Entscheidend wird der Sprung vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen, wie man es ja auch von der Romantisierungs-Idee des Dichters her kennen könnte.
    „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“
    https://www.projekt-gutenberg.org/novalis/aphorism/chap006.html

Novalis’ Poesie ist tiefgründig und spirituell. Er ermutigt uns, die Welt nicht nur äußerlich zu betrachten, sondern auch nach innen zu schauen. In seinem Manuskript Nr. 38 schreibt er: “Wir träumen von Reisen durch das Weltall – Ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht – Nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten…”

  • Hier fügt die KI erfreulicherweise noch etwas hinzu,
  • was ein tieferes Verständnis ermöglicht.

Die Romantiker, zu denen Novalis gehörte, sahen die Welt als ein zusammenhängendes Kontinuum, in dem alles miteinander verbunden ist. Durch den poetischen Akt der Romantisierung wird die ursprüngliche Totalität der Welt im Kunstwerk spürbar und mitteilbar.

  • Sehr hilfreich, dass hier die Idee des Romantisierens in den größeren Zusammenhang der Vorstellung von der Welt bei den Romantikern gestellt wird.
  • Interessant der Hinweis, dass mit der Welt etwas passiert ist, was nur in der Poesie wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden kann.

Astralis ist ein Fenster in diese poetische Welt, in der das Alltägliche und das Unerklärliche auf magische Weise miteinander verschmelzen. Es lädt uns ein, die Welt mit den Augen eines Träumers zu sehen und die tiefen Geheimnisse unseres eigenen Wesens zu erkunden.

  • Am Ende wird auch der Begriff der Überschrift erklärt.
  • Es geht in gewisser Weise um einen Zugang zur kosmischen Welt.

Zusammenfassende Auswertung:

Insgesamt hat sich gezeigt, dass man selbst beim Lesen schon eine gewisse Ahnung von der Zielrichtung des Gedichtes bekommt.

Die KI-Information hilft einem auf schnellem Wege, etwas mehr Sicherheit zu bekommen – vor allem auch im Sinne einer größeren Einordnung in Leben, Werk und Epoche – ohne dass man deshalb Germanistik studiert haben müsste.

Am Ende kann man nur die Anregung der KI aufnehmen, „die Welt mit den Augen eines Träumers zu sehen und die tiefen Geheimnisse unseres eigenen Wesens zu erkunden.“

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